3368/AB XXI.GP
Eingelangt am: 11.04.2002
BM für auswärtige Angelegenheiten
Die Abgeordneten zum
Nationalrat Dr. Caspar Einem und Genossinnen haben am
13. Februar 2002 unter der Nr. 3406/J-NR/2002 an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage
betreffend die “Österreich-Plattform" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1 und 2:
Für Österreich hat die
erfolgreiche Fortführung und Beendigung der
Beitrittsverhandlungen im Laufe dieses Jahres Priorität. Die Haltung der
Bundesregierung
zur Erweiterung der Europäischen Union ist dem Regierungsprogramm zu
entnehmen,
welches unter anderem ein klares und eindeutiges Bekenntnis zu einer gut
vorbereiteten
Erweiterung enthält. Das bisherige Handeln der Regierung in den
Beitrittsverhandlungen
entspricht den im Regierungsprogramm zu Fragen der Erweiterung enthaltenen
Prinzipien.
Zu Frage 3 und 4:
Die Regierung nimmt in den
Beitrittsverhandlungen regelmäßig konkret und
praxisbezogen zu einzelnen, mit der Erweiterung im Zusammenhang stehenden
Sachfragen Stellung. In die Festlegung der jeweiligen Positionen der Regierung
zu den
einzelnen Verhandlungspunkten sind auch die Sozialpartner seit der Aufnahme der
Beitrittsverhandlungen im März 1998 eingebunden, wodurch unter anderem
auch eine
Relevanz der jeweiligen Positionsnahme Österreichs für die Praxis
gewährleistet werden
soll.
Die Berichte über Sitzungen der RAG
“Erweiterung", in der konkret die einzelnen
Positionen der Europäischen Union zu den jeweiligen Verhandlungspunkten
festgelegt
werden, gehen dem Parlament zu. In diesen Berichten wird auch stets die von
Österreich
eingenommene Haltung zu den einzelnen Diskussionspunkten wiedergegeben. Das
Parlament ist daher stets und regelmäßig
über die konkreten und praxisrelevanten
Positionen der Regierung zur Erweiterung unterrichtet.
Zu Frage 5:
Die Österreich-Plattform entstand im
Frühjahr 2001 aus einer Initiative des BMaA, des
BKA und des BMöLS in der Absicht, die österreichische
Bevölkerung umfassend über die
Erweiterung zu informieren. Ziel ist es, damit noch während der laufenden
Verhandlungen
den Erweiterungsprozess transparent zu machen und den an der Erweiterung
interessierten Bürgern die Möglichkeit zu bieten, an der Diskussion
über die jeweiligen
österreichischen Positionsnahmen zu partizipieren. Die Plattform richtet
sich somit an alle
interessierten Einzelpersonen, aber natürlich auch an politische Parteien,
Interessens-
vertretungen, Frauen- und Seniorenbewegungen,
Studentenverbände, Universitäten,
Schulen, Netzwerkpartner und diverse Institutionen. Alle Aspekte der
EU-Erweiterung
sollen offen diskutiert werden können.
Gemeinsam mit der Europäischen Union -
die Europäische Kommission beteiligt sich
über das sog. Prince-Programm -werden Veranstaltungen und Projekte
organisiert sowie
Informationsmaterial für die Bevölkerung erstellt. Zudem können
Informationen
gebührenfrei über das sogenannte “Europatelefon", das
bereits 1992 eingerichtet wurde,
eingeholt werden.
Zu Frage 6:
Es fanden bereits fünf
Großveranstaltungen in Niederösterreich, Kärnten, dem
Burgenland, der Steiermark und in Salzburg statt. Bei diesen
Podiumsdiskussionen
kamen nicht nur Regierungs- und Parlamentsvertreter zu Wort, sondern vor allem
auch
Vertreter von Interessensgruppen, Verbänden und lokaler Einrichtungen.
Auch Vertreter
der Oppositions-Parteien nahmen an diesen Veranstaltungen aktiv Teil.
Darüber hinaus konnten im Vorjahr 68 Projekte, die von
der Österreich-Plattform
mitfinanziert wurden, realisiert werden. Die Bundesregierung hat für die
Aktivitäten der
Plattform, ohne zusätzliche Mittel aufzubringen, gemeinsam mit
freiwilligen Beteiligungen
von Netzwerkpartnern für dieses Jahr aus den laufenden Budgets von
Bundeskanzleramt
und BMaA 20 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt. Die
Österreich-Plattform wird
außerdem mit Mitteln der
Europäischen Kommission in der Höhe von 380.000 EURO
kofinanziert; diese Mittel werden für das
Jahr 2002 voraussichtlich auf € 450.000
aufgestockt.
Der verbesserte Informations- und Bewusstseinsstand der
österreichischen Bevölkerung
über die Auswirkungen der EU-Erweiterung zeigt sich auch darin, dass die
Zustimmung
zur Erweiterung It. Meinungsumfragen der Fessel GfK von April bis Dezember 2001
von
50 auf 59 % gestiegen ist.
Zu den Fragen 7 - 21:
Die Österreich-Plattform wurde als Initiative der
Bundesregierung im Frühjahr 2001 im
Bundeskanzleramt eingerichtet und ist diesem in organisatorischer und
budgetärer
Hinsicht unterstellt. Diese Fragen betreffen daher keinen Gegenstand der
Vollziehung des
Bundes im Zuständigkeitsbereich des
Bundesministeriums für auswärtige
Angelegenheiten.
Zu den Fragen 22-23:
Die Europäische Kommission hat am 30.
Jänner diesen Jahres die Mitteilung über den
Gemeinsamen Finanzrahmen 2004 -2006 für die Beitrittsverhandlungen sowie
das
Diskussionspapier über die erfolgreiche Integration neuer Mitgliedstaaten
in die
Gemeinsame Agrarpolitik präsentiert. Zweck dieser Mitteilung der EK war
es, die
Regierungen der EU-Mitgliedstaaten über die Sichtweise der EK zu
informieren. Die
Absicht der EK war es ferner, eine Debatte in Gang zu setzen, welche einerseits
der EK
als Orientierung für die von ihr in den kommenden Wochen auszuarbeitenden
Entwürfe
von Gemeinsamen Positionen zu den Verhandlungskapiteln “Landwirtschaft",
“Regionalpolitik" sowie “Budget" dient, andererseits aber
auch den Regierungen der
Mitgliedstaaten die Möglichkeit bietet, sich bei der Festlegung ihrer
künftigen Positionen
zu den genannten Kapiteln an den Inhalten der - nunmehr abgeschlossenen -
Debatte zu
orientieren.
Österreich hat sich an der Orientierungsdebatte im Rat
aktiv beteiligt, wobei Österreich im
Sinne der künftigen Festlegung einer österreichischen Position zu den
vorgenannten
Verhandlungskapiteln in der Debatte im wesentlichen an einer Klärung von
an die EK
gerichteten, konkreten, praxisrelevanten Fragen interessiert war.
Zu den Fragen 24 - 25:
In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Studien zu den
Auswirkungen der
Erweiterung auf die gesamte österreichische Volkswirtschaft oder aber auf
bestimmte
Sektoren der österreichischen
Volkswirtschaft veröffentlicht worden. Ebenso zeigt sich
aufgrund des fortgeschrittenen Verhandlungsstandes, dass auch in den anderen
europäischen Staaten die Anzahl der wissenschaftlichen Analysen über die
Erweiterung
im Steigen begriffen ist. So gibt es europaweit zumindest 24 Studien über
mögliche
Migrationsbewegungen nach der Erweiterung.
Für Österreich lässt sich nach
den vorliegenden Studien festhalten, dass der
volkswirtschaftliche Nutzen der Erweiterung
sowie die Öffnung der Märkte der
Kandidatenländer eindeutig positiv ist.
Eine rezente, umfassende Analyse über die Auswirkungen
der Erweiterung auf Österreich
wurde im Rahmen des von der INTERREG II
C kofinanzierten Projektes
“preparity"
vorgenommen. In diesem Projekt wurden unter anderem die möglichen
Auswirkungen der
Erweiterung auf Österreich, Deutschland und Italien untersucht, in
Österreich wurde die
wissenschaftliche Bearbeitung vom österreichischen Institut für
Wirtschaftsforschung im
Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit,
Burgenland, Kärnten,
Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Wien sowie
Deutschland und Italien vorgenommen.
Die Ergebnisse der im Rahmen des preparity -
Projektes erstellten Studien sind im
November letzten Jahres der Öffentlichkeit präsentiert worden und
gehören zu den
aktuellsten Forschungen über Auswirkungen der Erweiterung auf
Österreich. Nicht zuletzt
aufgrund der Einbindung einer großen Anzahl von Wissenschaftlern, die
seit mehreren
Jahren einen Teil ihrer
Forschungstätigkeiten der Erweiterung widmen, bieten diese
Ergebnisse eine sehr fundierte Untersuchung über mögliche Auswirkungen
der
Erweiterung auf die österreichische Volkswirtschaft.
Gemäß den Ergebnissen dieser Studie
ist der volkswirtschaftliche Nutzen der Erweiterung
eindeutig positiv, die Gesamteffekte der Erweiterung würden dazu
führen, dass in
Österreich das reale Bruttoinlandsprodukt kumuliert für den Zeitraum
2005 bis 2010 um
0,75% wachsen wird.
Die Gesamteffekte der Ostöffnung, das
sind die direkten und indirekten
handelsschaffenden Effekte, brachten laut Breuss/Schebeck kumuliert für
den Zeitraum
1989 bis 1997 eine zusätzliches reales BIP-Wachstum von 2,9% und
zusätzliche 49.000
Arbeitsplätze in Österreich (Breuss/Schebeck in “Regionale
Auswirkungen der EU-
Integration der mittel- und osteuropäischen Länder, publiziert in
Schriftenreihe Nr. 146/1
der österreichischen Raumordnungskonferenz).
Laut Stankovsky/Palme sind dank der
Ostöffnung, insbesondere als Folge der starken Expansion der Exporte nach
Osteuropa,
in den Jahren 1989 bis 1996 netto 57.300
Arbeitsplätze geschaffen worden, das reale BIP
nahm zusätzlich um 3,3 %zu (Stankovsky/Palme in “Auswirkungen der
Ostöffnung auf die
österreichische Wirtschaft",
WIFO-Monatsheft Mai 1999).
Zudem darf auf die im Februar d. J.
herausgegebene Studie über die Kosten der Nicht-
Erweiterung der EU für Österreich verwiesen werden. Laut Breuss
wären die durch
Grenzwartezeiten, Wohlfahrtsverluste in den MOEL-Staaten, höhere zu
erwartende
Inflationsraten und negative Beschäftigungseffekte entstehenden Kosten
für Österreich
größer als für andere EU-Mitgliedsstaaten. Breuss geht auch bei
einer Verzögerung der
Erweiterung um 6 Jahre von negativen Einkommenseffekten in der Höhe von
0,8% des
BIP, negativen Beschäftigungseffekten von rund 8.000 Arbeitplätzen
und einer um 2%
höheren Teuerungsrate aus.
Schließlich wird auf eine Ende März diesen
Jahres veröffentlichte Studie des
Wirtschaftsforschungsinstitutes über die “Folgen und Strategien
für die Landwirtschaft" in
bezug auf die Erweiterung verwiesen. Diese Untersuchung bietet eine umfassende
Übersicht über Vor- und Nachteile der Erweiterung für die
österreichische Land- und
Forstwirtschaft.
Zu den Fragen 26-28:
Gemäß Art 158 ff des Vertrages zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft entwickelt
und fördert die Gemeinschaft weiterhin ihre Politik zur Stärkung
ihres wirtschaftlichen und
sozialen Zusammenhaltes. Nach Art. 158 (2) setzt sich die Gemeinschaft
insbesondere
zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und
den
Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich
der
ländlichen Gebiete, zu verringern. Der Art. 158 normiert somit die
Prinzipien der Stärkung
des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts wie auch der Verringerung der
Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und der am stärksten
benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich der ländlichen
Gebiete.
Die Regierung teilt diese obgenannten, im Art. 158 festgelegten Prinzipien.
Im Erweiterungszusammenhang wäre hierzu
festzuhalten: Gegenstand der
Beitrittsverhandlungen ist die Übernahme der Rechte und Pflichten, welche
die
Mitgliedschaft in der Europäischen Union nach sich
zieht, durch einen neuen
Mitgliedstaat. Daher bilden auch die derzeit gültigen Rechtsakte der
Gemeinschaft,
welche die Umsetzung der Art 158 ff EGV zum Inhalt haben, Gegenstand der
Beitrittsverhandlungen.
Eine neuerliche,
grundlegende europapolitische Diskussion über die konkrete,
zukünftige
Gestaltung der Regional- und Strukturpolitik
ist spätestens mit Beginn der Beratungen
über die finanzielle Vorausschau für die Periode 2007-2013 zu
erwarten. Nach
derzeitigem Wissenstand ist der Beginn der Beratungen mit Ende 2003
beziehungsweise
mit Anfang 2004, nach Präsentation des dritten Kohäsionsberichtes
durch die
Europäische Kommission, anzusetzen. Im Laufe der Beratungen über die
nächste
finanzielle Vorausschau wird die österreichische Expertise über die
Erfahrungen der
Umsetzung der AGENDA 2000 einzubringen sein.