3525/AB XXI.GP
Eingelangt am: 26.04.2002
BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 3536/J-NR/2002 betreffend Semmeringbasistunnel,
die
die Abgeordneten Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen am 28. Februar 2002 an mich
gerichtet haben,
beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Vorweg ist festzuhalten, dass mit dem
Generalverkehrsplan Österreich (GVP-Ö) erstmals ein
gesamthaftes Ausbaukonzept für die
hochrangige Verkehrsinfrastruktur Österreichs erarbeitet
wurde. Die Auswahl und Reihung der Projekte erfolgte grundsätzlich
entsprechend ihrem Nutzen
für Österreich, wobei räumliche Integration, verkehrliche
Leistungsfähigkeit, soziale und
ökologische Verträglichkeit und volkswirtschaftliche
Rentabilität im Vordergrund standen, aber
natürlich auch pragmatische Kriterien wie Realisierbarkeit, Baureife und
Finanzierbarkeit zu
berücksichtigen waren.
Der Koralmbahn kommt in diesem Zusammenhang ein ganz
besonderer Stellenwert zu, weil ihre
Auswirkungen vor allem in der Überwindung räumlicher Barrieren, einer
grundlegenden
Neuausrichtung der Erreichbarkeitsverhältnisse und einer dementsprechenden
Standortaufwertung im Süden und Südosten des Bundesgebiets zu
erwarten sind. Gerade dieser
Teil Österreichs ist durch die raumstrukturellen Gegebenheiten und - im
Zusammenhang damit -
durch eine besonders schlechte Erreichbarkeit auf der Schiene
verkehrsgeographisch und als
Wirtschaftsstandort benachteiligt.
In Summe werden von der Koralmbahn etwa eine
Million EinwohnerInnen profitieren, es werden
regionale Wertschöpfungseffekte von
rund 170 Mio. € pro Jahr erwartet. Dieser Standorteffekt tritt
im wesentlichen unabhängig vom Semmering-Basistunnel auf; ein
Ausbau der Schiene zwischen
Wien und Graz würde aber die Erreichbarkeit Südösterreichs
zusätzlich verbessern.
Entgegen den Behauptungen in der Anfrage ist der Semmering-Basistunnel
sehr wohl im
Generalverkehrsplan enthalten. Aufgrund des bekannten Rechtsstreits und der im
Hinblick auf das
Sicherheitskonzept erforderlichen Umplanungen ist aber realistischerweise ein
Baubeginn nicht vor
2007 zu erwarten. Aus diesem Grund ist der Semmering-Basistunnel im
Generalverkehrsplan in
der Prioritätsstufe 1b mit einem Realisierungshorizont 2007 - 2011
verankert.
Vor diesem Hintergrund erlaube ich mir, Ihre Fragen zu
Semmering-Basistunnel (SBT) und
Koralmbahn im einzelnen zu beantworten:
Fragen 1 und 2:
Wie stehen Sie zu den derzeit bestehenden Beschlüssen
der Bundesregierung betreffend den Bau
des Semmering - Basistunnels?
Welchen Stellenwert hat der SBT in Ihren Überlegungen
bezüglich der Zukunft der
österreichischen Verkehrsinfrastruktur?
Antwort:
Wie eingangs erwähnt, ist der Semmering-Basistunnel im
Generalverkehrsplan enthalten, zu
dessen Umsetzung ich mich bekenne.
Die Semmering-Bestandsstrecke stellt in technischer und
betrieblicher Hinsicht einen gravierenden
Engpass auf der Pontebbana-Achse dar. Damit ist innerösterreichisch der
Schienenverkehr
zwischen der Ost-Region (Wien, NO, nördliches Burgenland) und
Kärnten, Steiermark, sowie
grenzüberschreitend insbesondere mit dem italienischen Wirtschaftsraum
deutlich eingeschränkt.
Damit sichergestellt werden kann, dass
die Südbahn (Teil der Pontebbana-Achse) auch den
künftigen Erfordernissen eines
modernen Personen- und Güterverkehrs durchgängig gerecht wird und
die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene
gegenüber der Straße nicht weiter verschlechtert
wird (mit der Fertigstellung der Semmeringstraßentunnel der S 6 wird
neben der
Südautobahn A2 eine weitere hochwertige Straßenverbindung
Nord-Süd geschaffen und
der infrastrukturelle Qualitätsunterschied Straße - Schiene hier
weiter deutlich zu
Ungunsten der Schiene verschoben)
ist die Beseitigung der infrastrukturellen Defizite im Abschnitt Semmering ein besonders wichtiger
Beitrag.
Andernfalls kann die Schiene auf der Nord-Südachse ihrer Rolle als maßgebender und
leistungsstarker Verkehrsträger künftig nicht gerecht werden.
Der Semmering-Basistunnel würde
die Fahrzeit auf der Südbahn um rund 30 Minuten verkürzen
und einen betrieblichen Engpass beseitigen,
weiters würden Einschränkungen des
Lichtraumprofils bzw. des Lademaßes entfallen. Es ist daher wohl nicht
übertrieben, ihn als ein
Schlüsselprojekt des hochrangigen österreichischen Eisenbahnnetzes zu
bezeichnen.
Frage 3:
Welche wirtschafts-, arbeitsmarkt- und
verkehrspolitischen Konsequenzen hätte ein Aus für den
SBT?
Antwort:
Eine Fahrzeitverkürzung von 30 Minuten zwischen Wiener
Neustadt und Mürzzuschlag würde vor
allem im Personenverkehr die Inanspruchnahme der Südbahn deutlich
erhöhen. Nach den
Prognosen meines Ressorts würden in diesem Abschnitt etwa 1000 Personen
pro Tag durch die
Attraktivitätssteigerung zusätzlich auf der Schiene unterwegs sein
und die Südautobahn A2 und
die
Semmeringschnellstraße S6 entsprechend entlastet werden, was auch
geringere
Umweltbelastung und weniger Verkehrsunfälle bedeuten würde.
Im Güterverkehr gibt es nur in
beschränktem Umfang ein Zusammenspiel des Südbahnkorridors
mit dem paneuropäischen Korridor V, der tangential zu
Südösterreich von Triest/Koper über
Ljubljana nach Budapest und in die Ukraine verläuft. Wie sich die
Verkehrsmengen auf diese
Korridore verteilen, hängt außer von der jeweiligen
Quell-Ziel-Verflechtung vor allem von den
Transportkosten und der Zuverlässigkeit ab. Im Vergleich zur Koralmbahn
wird der SBT im
Güterverkehr geringere Auswirkungen auf die Standortqualität
erzeugen, zumal die
Obersteiermark schon jetzt zu den relativ gut erreichbaren Gebieten
Südösterreichs zählt.
Fragen 4 bis 7:
Wie unterscheiden sich Ihre Vorstellung und Meinung betreffend SBT, von der Ihrer Vorgängerin?
Welche Maßnahmen werden Sie zur Realisierung des SBT setzen?
Sehen Sie vor dem Jahr 2006 Handlungsbedarf in Sachen SBT, wenn ja welchen?
Wie sollen Sie der Blockadepolitik des Niederösterreichischen Landeshauptmanns in dieser Causa
ein Ende setzen?
Antwort:
Bereits seit mittlerweile mehr als 7 Jahren
wird das Naturschutzverfahren für den NO-Bereich des
Semmering-Basistunnels abwechselnd von der BH Neunkirchen und dem Land
Niederösterreich
geführt. Derzeit ist der negative naturschutzrechtliche Bescheid des Landes
Niederösterreich beim
Verwaltungsgerichtshof beeinsprucht. Sollte diesem Einspruch stattgegeben
werden, wird die
Reaktion des Landes Niederösterreich abzuwarten sein. Daher ist es mir aus
heutiger Sicht kaum
möglich, den zeitlichen Ablauf realistisch vorherzusagen.
Auf der politischen Schiene werde ich diesbezügliche
Gespräche mit dem Landeshauptmann von
Niederösterreich führen. Sollte eine politische Lösung nicht
möglich sein, werde ich alle nötigen, in
unserem Rechtsstaat vorgesehenen Schritte unternehmen, die geeignet erscheinen,
diesen
Rechtsstreit letztlich zugunsten des Projekts SBT zu entscheiden.
Fragen 8 bis 12:
Wie beurteilen Sie die bisher ergangenen Urteile des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs in
dieser Angelegenheit?
Ist derzeit die Finanzierung des SBT sichergestellt?
Wann kann Ihrer Meinung nach mit dem Baubeginn gerechnet werden und wann mit der
Fertigstellung?
Wie beurteilen Sie den Generalverkehrsplan in Bezug auf den SBT?
Wird es hier zu Nachverhandlungen mit dem Land Steiermark kommen, um dem SBT jenen
Stellenwert im Masterplan zukommen zu lassen, der ihm zusteht?
Antwort:
Die bisher ergangenen Erkenntnisse des Verfassungs- bzw.
des Verwaltungsgerichtshofs in dieser
Angelegenheit entsprechen der österreichischen Rechtslage.
Derzeit ist nur die Finanzierung des Investitionspakets 1a
des Generalverkehrsplan sichergestellt.
Im Paket 1 b befinden sich einige für das österreichische
Schienennetz sehr wichtige Projekte, so
dass schon aus dieser Sicht von deren Realisierung
ausgegangen werden kann. Die bisherigen
Überlegungen haben jedenfalls ergeben, dass das Paket 1b - wenn auch mit
einem höheren
Beitrag des Bundes zum SchIG-Modell -
finanzierbar wäre.
Die Aussage von Rechtsexperten, wonach es dem Land
Niederösterreich möglich sei, das Projekt
um weitere fünf bis zehn Jahre zu verzögern, erscheint mir zu
pessimistisch. Als
Infrastrukturminister erlaube ich mir den Optimismus, meinen Plänen die
kürzestmögliche Zeit zu
Grunde zu legen.
Der Generalverkehrsplan Österreich geht davon aus,
dass der Bau begonnen wird, sobald der
Rechtsstreit beigelegt ist und zu erwartende Sicherheitsauflagen in der Planung
berücksichtigt
sind, und reiht den SBT in Paket 1b ein. Der Generalverkehrsplan sieht daher
den Bau in der
Periode 2007 bis 2011 vor. Dieser Stellenwert ergibt sich wie dargelegt aus der
Rechtslage, nicht
aus einer etwaigen Unterbewertung des Projektes.
Fragen 13 und 14:
Wie sehen Sie den SBT im Zusammenhang mit dem Bau der Koralmbahn?
Ist nicht die Koralmbahn ohne gleichzeitigen Bau des SBT verkehrspolitischer Unfug?
Antwort:
Wie ich schon in der Einleitung dargelegt habe, beruht der hohe gemeinwirtschaftliche Nutzen in
der Einbindung von Graz in den Hauptstrang der Südbahn und in der damit verbundenen
Neuausrichtung der Erreichbarkeitsverhältnisse im Süden Österreichs. Diese Aspekte gelten
grundsätzlich unabhängig vom SBT, dessen Nutzen sich zusätzlich zu jenem der Koralmbahn
ergibt
Fragen 15 und 16:
Wie stehen Sie zu den Maßnahmen, die von Seiten ihrer Vorgängerin in diesem Zusammenhang
getätigt wurden, vor allem in bezug auf die Verlagerung von Finanzierungsmitteln vom SBT hin zur
Koralmbahn?
Werden auch Sie die Planung und den Bau österreichischer Verkehrsinfrastrukturprojekte
weiterhin nach den Maßstäben politischer Gefälligkeiten ausrichten?
Antwort:
Meine Amtsvorgängerin, Frau DI Dr. Forstinger, hat
sich entschlossen, einen verfügbaren
Kreditrahmen nicht jahrelang ungenützt stehen zu lassen, sondern diese
Finanzmittel innerhalb
dieses Südkorridors auf die Koralmbahn umzuschichten. Damit ist es
möglich, für die Koralmbahn
die Detailplanung zu Ende zu bringen, die Grundstücke zu sichern, die Sondierarbeiten
für den
Koralmtunnel durchzuführen und die Zulaufstrecken auszubauen, so dass nach
Realisierung des
Koralmtunnels eine verkehrswirksame Durchbindung gesichert ist.
Als Infrastrukturminister verstehe ich mich nicht als
politischer Arm einer ÖBB- oder einer
Baulobby, sondern werde mit allen Kräften versuchen, den
gesamtwirtschaftlichen Nutzen für
Österreich und insbesondere seiner benachteiligten Gebiete zu maximieren.