3538/AB XXI.GP

Eingelangt am: 29.04.2002

BM für Justiz

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes JAROLIM, Kolleginnen und Kolle-
gen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Opferrechte" gerichtet.

Einleitend möchte ich die in der Anfragebegründung wiedergegebene Einschätzung,
wonach in Österreich bisher nicht einmal ein Mindeststandard an Opferrechten ge-
währleistet sei, nachdrücklich zurückweisen. Das wesentliche Anliegen des Rah-
menbeschlusses des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im
Strafverfahren, allen Opfern von Straftaten - unabhängig davon, in welchem Land
sie sich aufhalten - hohes Schutzniveau zu bieten, ist in Österreich in weiten Berei-
chen schon jetzt verwirklicht.

Nach den Bestimmungen dieses Rechtsaktes soll die Stellung des Opfers in einem
umfassenden Sinn verstanden werden (siehe den im 5. Erwägungsgrund erwähnten
integrierten und strukturierten Ansatz, welcher der Behandlung der Querschnittsma-
terie “Opferschutz" auch grundsätzlich gerecht wird), sodass Maßnahmen zur ange-
strebten Vereinheitlichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Teil den
Zuständigkeitsbereich meines Ressorts überschreiten und in die Vollziehungskom-
petenz des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für soziale
Sicherheit und Generationen fallen (Opferschutzeinrichtungen; Verbrechensopfer-
entschädigung).


Schließlich weise ich darauf hin, dass im Rahmen der Gesamtreform des strafpro-
zessualen Vorverfahrens umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Opfer-
rechte vorgeschlagen wurden, insbesondere durch massiv erweiterte prozessuale
Rechte der Geschädigten, Beweisantragsrechte, Ansprüche auf Verfahrenshilfe, um-
fassende Informations- und Rechtsbelehrungspflichten durch alle Behörden sowie
Verständigungen über den Verfahrensverlauf (zB über die Enthaftung des Beschul-
digten).

Die an mich gerichteten Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu1:

Art. 2 (“Achtung und Anerkennung") bedarf zu seiner Umsetzung angesichts der
§§47a Abs. 2, 162 Abs. 2, 162a, 166 Abs. 1, 166a, 229 Abs. 2, 247a, 249 Abs. 2
und 250 Abs. 3 StPO sowie des § 6 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 Z 2 der Verordnung des
Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV),
keiner weiteren rechtlichen Maßnahmen.

Zu 2:

Im Hinblick auf die §§ 47 (Rechte des Privatbeteiligten), 152 Abs. 1 Z 2 und 2a in
Verbindung mit 162a Abs. 3 (Recht minderjähriger Tatopfer, die in ihrer sexuellen In-
tegrität verletzt wurden, auf schonende Weise kontradiktorisch vernommen zu wer-
den und sich danach jeder weiteren Aussage im Verfahren entschlagen zu können),
153 Abs. 2 StPO (Recht zur Verweigerung der Aussage über Fragen aus dem
höchstpersönlichen Lebensbereich) sind auch zur Umsetzung des Artikels 3 (in Ver-
bindung mit Art. 2 Abs. 2) des erwähnten Rahmenbeschlusses unmittelbar keine
weiteren rechtlichen Maßnahmen zu treffen.

Zu 3:

Den in Art. 4 Abs. 1 und 2 des Rahmenbeschlusses aufgezählten Informationsrech-
ten des Opfers wird im Wesentlichen durch die §§ 8 Abs. 1 RLV, §§ 22 Abs. 1 Z 5
und 25 Abs. 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), die §§ 9 und 14 des Verbre-
chensopfergesetzes (VOG), die §§ 47 Abs. 2 Z 2, 90i, 365 Abs. 1 und 373 StPO so-
wie durch Veröffentlichung einer Informationsbroschüre für Opfer strafbarer Hand-
lungen auf der Website Justiz: www.bmi.qv.at (Rubrik: Infobroschüren) entsprochen.


Das Anliegen des Art. 4 Abs. 3 kann durch entsprechende Anwendung der Verstän-
digungspflicht nach § 149 Abs. 4 des Strafvollzugsgesetzes (StVG) iVm § 183 StPO
verwirklicht werden. Durch § 180 Abs. 5 des im Mai 2001 zur allgemeinen Begutach-
tung ausgesandten Entwurfes eines Strafprozessreformgesetzes, JMZ 578.017/10-
11.3/2001, der dem Nationalrat noch im Juni dieses Jahres als Regierungsvorlage
zugeleitet werden soll, soll im Übrigen eine Pflicht zur Verständigung des Opfers von
der Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft auch ausdrücklich
angeordnet werden.

Zu 4:

Dieser die Ausgaben des Opfers im Strafverfahren betreffenden Bestimmung des
Rahmenbeschlusses wird im Wesentlichen durch § 381 Abs. 1 Z 8 in Verbindung mit
§ 393 Abs. 4 und 5 StPO sowie durch §§ 2 bis 23 des Gebührenanspruchsgesetzes
(GebAG 1975) entsprochen.

Zu 5:

Die in den vier Absätzen des Art. 8 des Rahmenbeschlusses verankerten Rechte auf
Schutz des Opfers werden nach dem österreichischen Recht durch folgende Be-
stimmungen gewährleistet:

-    Abs. 1: durch § 166a StPO; §§ 22 Abs. 1 Z 5 und 48 Abs. 1 SPG;

-    Abs. 2: durch §§ 47a, 162a, 166 Abs. 1, 166a, 228 Abs. 4 und 247a
StPO; § 7a Abs. 1 Z 1 des Mediengesetzes;

-    Abs. 3: durch § 250 Abs. 1 und 3 StPO sowie (“schrittweise") durch
entsprechende räumliche Ausstattung der Gerichte;

-    Abs. 4: durch §§ 162a, 229 Abs. 2, 247a, 250 Abs. 3 StPO.

Zu 6:

Den in den drei Absätzen des Art. 9 des erwähnten Rechtsaktes verankerten Rech-
ten des Opfers auf Entschädigung im Rahmen des Strafverfahrens wird im Wesentli-
chen auf Grund folgender Bestimmungen entsprochen:

-    Abs. 1: durch §§ 47, 365 bis 373b StPO;

-    Abs. 2: durch § 90i StPO; §§ 34 Abs.1 Z 15 und 51 Abs. 1 und 2 StGB;

-    Abs. 3: durch §§ 367 und 369 StPO.


Zu 7:

Die in Art. 11 des Rahmenbeschlusses angesprochenen Rechte des Opfers mit
Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat sind durch die §§ 162a und 247a StPO
(Möglichkeit der Vernehmung eines Zeugen im Wege einer Videokonferenz) umge-
setzt.

Zu 8:

Art. 12 des Rahmenbeschlusses betrifft die Förderung, Entwicklung und Verbesse-
rung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Rechtliche Maßnahmen für
seine Umsetzung sind im Zuständigkeitsbereich meines Ressorts derzeit nicht erfor-
derlich.

Zu 9:

Art. 13 des Rahmenbeschlusses, der die Einrichtung spezialisierter Stellen und Ein-
richtungen für Opferhilfe fordert, ist - soweit der Zuständigkeitsbereich des Bundes-
ministeriums für Justiz berührt wird - durch Art.
VI der Strafprozessnovelle 1999,
BGBI. l Nr. 55, über die Förderung von Einrichtungen der Opferhilfe umgesetzt. Im
Übrigen wäre insbesondere auf § 25 Abs. 3 SPG (Opferschutzeinrichtungen im Auf-
trag des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für soziale Si-
cherheit und Generationen zur Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt) zu verwei-
sen.

Zu 10:

Die in Art. 14 des Rahmenbeschlusses angesprochene Ausbildung von Personen,
die am Verfahren mitwirken oder auf andere Weise Kontakte zu Opfern unterhalten,
fällt nur hinsichtlich der Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten in
den Zuständigkeitsbereich meines Ressorts. In diesem Bereich werden Fortbil-
dungsveranstaltungen zu Fragen der Opferhilfe, der Gewalt- und Sexualdelikte in
Familien, zum Umgang mit Opfern und Zeugen, zur psychologischen Schulung und
zur Öffentlichkeitsarbeit angeboten. Auf diese Fragen wird auch im Rahmen der rich-
terlichen Aus- und Fortbildung Bedacht genommen.

Zu 11:

Die in Art. 15 des Rahmenbeschlusses angesprochenen praktischen Voraussetzun-
gen im Zusammenhang mit der Situation des Opfers während des Verfahrens bedür-


fen angesichts der Bestimmungen der §§ 26 Abs. 6 und 32 Abs. 5 des Gerichtsor-
ganisationsgesetzes (GOG) (Einrichtung spezialisierter Gerichtsabteilungen für Ver-
fahren wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit), der §§13 Abs. 5 und
300 Abs. 2a StPO (geschlechtsspezifische Zusammensetzung des gerichtlichen
Spruchkörpers in Verfahren wegen §§ 201 bis 207 StGB [Vergewaltigung, ge-
schlechtliche Nötigung, Schändung, sexueller Missbrauch von Unmündigen]) sowie
der Einrichtung besonderer Vernehmungsräume mit kindgerechter Ausstattung für
kontradiktorische und schonende Vernehmungen nach § 162a StPO in meinem Zu-
ständigkeitsbereich keiner weiteren Implementierung.

Zu 12 bis 14:

Für Angelegenheiten des Verbrechensopferentschädigungsgesetzes ist das Bun-
desministerium für soziale Sicherheit und Generationen zuständig. Die Fragen
betreffen daher nicht den Vollzugsbereich meines Ressorts.