3549/AB XXI.GP
Eingelangt am: 02.05.2002
BM für Justiz
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes JAROLIM,
Kolleginnen und Kolle-
gen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Ermittlungen der
Staatsan-
waltschaft gegen Landeshauptmann Jörg Haider wegen § 111 StGB"
gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu1:
Die in der Anfrage zitierten Äußerungen Dris.
Jörg Haider waren Gegenstand mehre-
rer bei der Staatsanwaltschaft Wien eingelangter Anzeigen. Sämtliche
Anzeigen
wurden von dieser Anklagebehörde gemäß § 90 StPO
zurückgelegt, wobei sie von
folgenden rechtlichen Erwägungen ausging:
Der
gegen den Verfassungsgerichtshof gerichtete Vorwurf, politisch korrumpiert zu
sein, sei im Zusammenhang mit den von Dr. Jörg Haider in derselben
ORF-Sendung
getätigten Äußerungen zu beurteilen. Aus dieser gebotenen
Gesamtbetrachtung er-
gebe sich, dass weder den Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes noch diesem
selbst ein unehrenhaftes Verhalten im Sinne des § 111 Abs. 1 StGB
unterstellt wer-
den, sondern im Wesentlichen Kritik am Einfluss lediglich eines Teiles der im
Natio-
nalrat vertretenen politischen Parteien auf die Ernennung von Richtern dieses
Ge-
richtshofes auf Grund der durch Artikel 147 Abs. 2 B-VG normierten
Vorschlagsrech-
te sowie an der Besoldung der Richter des Verfassungsgerichtshofes geübt
werden
sollte.
Die Äußerung, dass "man es sich selbst
gerichtet habe", stelle im Zusammenhang
mit den übrigen Aussagen Dris. Haider erkennbar auf - angebliche -
finanzielle Privi-
legien der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ab. Die
Besoldung der Richter
des Verfassungsgerichtshofes sei jedoch in den §§ 4 ff VerfGG 1953
idgF abschlie-
ßend gesetzlich geregelt, sodass mit dieser Äußerung lediglich
die erfolgreiche Ver-
folgung von Besoldungsforderungen gegenüber dem Gesetzgeber kritisiert
worden
sei. Selbst die - allenfalls - tatsachenwidrige Unterstellung eines derartigen
Vorge-
hens des Verfassungsgerichtshofes bzw. seiner Mitglieder begründe -
ungeachtet
der Wortwahl - nicht den Vorwurf eines unehrenhaften oder gegen die guten
Sitten
verstoßenden Verhaltens im Sinne des § 111 StGB. Im Übrigen
gehöre die Gel-
tendmachung finanzieller Forderungen nicht zum Tätigkeitsbereich des
Verfas-
sungsgerichtshofes als Behörde bzw. seiner Mitglieder als Beamte (im Sinne
des
§ 74 Z 4 StGB), weil hiedurch weder Hoheitsgewalt ausgeübt noch sonst
im Sinne
der zitierten Bestimmung Rechtshandlungen oder Aufgaben der Bundesverwaltung
vorgenommen werden. Da der öffentliche Ankläger zur Verfolgung einer
üblen Nach-
rede bzw. Beleidigung gemäß §§116, 117 Abs. 1 und 2 StGB
nur dann legitimiert
sei, wenn diese Delikte in Bezug auf die amtliche (dienstliche) Tätigkeit
dieser Be-
hörde oder dieser Beamten begangen worden sei, fehle der
Staatsanwaltschaft in
Ansehung dieser Äußerung die Berechtigung zur Verfolgung.
Betrachte man die Äußerung Dris. Jörg
Haider, dass die Aufhebung der
25 %-Regelung im Volksgruppengesetz 1976 einen "Missbrauch von Kompetenz
und Macht" darstelle, im Zusammenhang mit der von Dr. Jörg Haider
vielfach geäu-
ßerten politischen Forderung, dass Fragen der slowenischen Volksgruppe in
Kärnten
durch das Bundesland Kärnten bzw. die betroffene Bevölkerung zu
lösen seien, so
sei die Äußerung als strafrechtlich gerade noch zulässige
Meinungsäußerung im
Rahmen einer öffentlichen Diskussion zu beurteilen.
Zu 2:
Die Staatsanwaltschaft Wien nahm von der Anfrage an die
Mitglieder des Verfas-
sungsgerichtshofes, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung Dris. Haider
erteilt
werde, deshalb Abstand, weil
mangels Tatbestandsmäßigkeit der relevierten Äuße-
rungen eine weitere strafrechtliche Verfolgung Dris. Haider, insbesondere in
Rich-
tung des Vergehens der
üblen Nachrede nach dem § 111 Abs. 1 und 2 StGB, nicht
in Betracht zu ziehen war.
Zu 3 und 4:
In
dieser Sache habe ich mit dem Leiter der Staatsanwaltschaft Wien Hof-
rat Dr. Erich Wetzer keinen Kontakt aufgenommen. Es wurden auch keine Weisun-
gen erteilt.
Zu 5 und 6:
Im
Hinblick auf die zur Frage 1 dargelegte rechtliche Beurteilung durch die
Anklage-
behörde werde ich dem öffentlichen Ankläger keine
strafrechtlichen Verfolgungs-
schritte auftragen. Die Unterlassung der Einholung der Ermächtigung der
Mitglieder
des Verfassungsgerichtshofes zur Strafverfolgung Dris. Haider kann im Hinblick
auf
die dargestellten rechtlichen Erwägungen den Verdacht des Missbrauchs der
Amts-
gewalt nicht begründen, sodass entsprechende Maßnahmen nicht geboten
sind.