3591/AB XXI.GP

Eingelangt am: 10.05.2002

Die Abgeordneten zum Nationalrat Lunacek, Freundinnen und Freunde haben am
13. März 2002 unter der Nr. 3615/J an mich eine schriftliche parlamentarische An-
frage betreffend österreichische Vertretung bei der UN-Konferenz “Frnancing für
Development" in Monterrey, Mexiko gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Die österreichische Delegation wurde von Staatssekretär Franz Morak in meiner Ver-
tretung geleitet.

Zu Frage 2:

Als Experten der österr. Delegation zu notifizieren:

Mag. Martina Neuwirth                        Koordinationsstelle der österreichischen

Bischofskonferenz
Mag. Elfriede Schachner                     Geschäftsführerin der AGEZ

Zu Frage 3:

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, daß Österreich aktiv in die Vorarbeiten von
Monterrey sowohl auf VN- als auch auf europäischer Ebene beteiligt war. Im Dezem-
ber 2001 schlug Österreich als erstes EU-Land vor, daß die EU in Monterrey ein zu-
sätzliches Maßnahmenpaket anbietet.

1. Anstrich:

Das oben erwähnte Paket beinhaltete bereits zu diesem Zeitpunkt Aussagen betref-
fend des 0,7 %-Ziels für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Österreich trägt
die beim Europäischen Rat in Barcelona getroffenen Beschlüsse voll mit.

Angelegenheiten der Entwicklungshilfe sowie die Koordination der internationalen
Entwicklungspolitik fallen aufgrund des Bundesministeriengesetzes 1986 in den Wir-
kungsbereich des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, so daß die-
sem eine eingehende Stellungnahme im Gegenstand vorbehalten bleiben muß. Ich
darf jedoch grundsätzlich festhalten, daß die österreichische Position zum Monterrey
Consensus in enger Abstimmung der maßgeblichen Ressorts erarbeitet wurde und
Österreich nach eingehender Diskussion auf nationaler sowie EU-Ebene das von
den Außenministem im Rat Allgemeine Angelegenheiten am 11.3.2002 erzielte Er-
gebnis mitträgt, demzufolge die EU bestrebt ist, bis 2006 für ODA einen EU-Durch-
schnitt von 0,39% des BIP bzw. für die EU-Mitgliedstaaten ein Volumen von jeweils
mindestens 0,33% des BIP für öffentliche Entwicklungshilfe zu erreichen.

2. Anstrich:

Österreich bekennt sich zur Weiterführung der HIPC-lnitiative unter genauer Einhal-
tung der Regeln.

Österreich ist in mehrfacher Hinsicht von der HIPC-lnitiative betroffen:

•  Ein Großteil von bilateralen Entwicklungshilfekrediten im Ausmaß von rund
1,6 MrdS wurden bereits in früheren Jahren abgeschrieben.

• Durch die Republik garantierte Exportkredite sind im Ausmaß von bis zu 13 MrdS
von der HIPC-lnitiative betroffen; diese werden im Pariser Club abgehandelt-
Der Klub von Paris ist eine informelle Gruppe von Gläubigerstaaten, die eine koor-
dinierte und dauerhafte Lösung für in Zahlungsschwierigkeiten geratene Schuld-
nerländer erarbeitet. In den Verhandlungen werden Rahmenbedingungen für Um-
schuldungen und Schuldendienstreduktionen mit dem Ziel vereinbart, daß sämt-
liche Gläubigerländer in einer gleichmäßigen Beteiligung zur Sanierung der Aus-
landsverbindlichkeiten eines gegebenen Schuldnerlandes mitwirken. Seit dem
ersten Zusammentreffen des Klub von Paris im Jahre 1956 (Anlaßfall Argentinien)
wurden insgesamt 342 Umschuldungsvereinbarungen mit 77 Schuldnerstaaten
geschlossen. Die Entscheidungen des Klub von Paris werden auf einer case by
case-Basis bei strikter Einhaltung des Einstimmigkeitsprinzip (Consensus) getrof-


fen, wobei das Schuldnerland sich verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu
setzen, um die Ursachen der Zahlungsschwierigkeiten zu beseitigen.
Seit 1988 wurden schrittweise für die ärmsten Schuldnerländer multilaterale Schul-
denerleichterungen in Form von Schuldenreduktionen vereinbart (zunächst 33%-
Toronto-Konditionen, dann 50%-Trinidad-Konditionen, weiters 67%-Neapel-Kon-
ditionen, 80%-Lyon-Konditionen und letztendlich 90% und darüber hinaus gemäß
der Kölner-Vereinbarung).

Von Österreich wurden diese Schuldenreduktionen durch Zinssatzreduktionen
dargestellt. Bei der erweiterten HIPC-lnitiative werden von Österreich auch Schul-
denstreichungen durchgeführt.

• Weiters hat sich Österreich im Wege einer Verwendung von Mitteln der OeNB
im sog. SCA-2-Konto des Internationalen Währungsfonds an der Finanzierung der
Kosten des IWF im Zusammenhang mit HlPC beteiligt.

•  Zur Finanzierung der Schuldenreduktion im Bereich der multilateralen Finanzinsti-
tutionen wurde ein sog. HIPC Trust Fund bei der Weltbank eingerichtet. Unter Zu-
grundelegung der derzeit bekannten Daten und bisheriger Burden-sharing-Anteile
bei IDA hat Osterreich im Vorjahr einen direkten Beitrag von rund 29 Mill. EURO
zu diesem Fonds geleistet. Gemeinsam mit den von der EU geleisteten Beitrag,
der Österreich anteilsmäßig mit rund 19 Mill. USD angerechnet wird, hat Öster-
reich einen Gesamtbeitrag von etwa 45 Mill. USD zur Entschuldung im Bereich der
internationalen Finanzinstitutionen beigetragen.

3. Anstrich:

Österreich stimmt einem SDRC-Mechanismus grundsätzlich zu und spricht sich für

eine Weiterführung der Diskussion auf IMF und EU-Ebene aus.

4. Anstrich:

Diese Fragen waren an sich nicht Gegenstand der Beratungen in Monterrey. Unab-
hängig vom Monterrey Consensus läuft aber in der EU bereits seit 1999 das Substa-
inability Impact Assessment - Programm (SIA). Zweck des SIA ist es, Maßnahmen im
Rahmen der Handelsliberalisierung auf ihre Auswirkung auf die Wirtschaft, soziale
Entwicklung und Umwelt zu prüfen. Die entsprechenden Studien werden von unab-
hängigen Experten durchgeführt.

5. Anstrich:

Bezüglich einer Besteuerung von Devisentransaktionen (Tobinsteuer) wurde keine
Initiative gesetzt, da nach den derzeit vorliegenden Informationen nicht klar ist, ob
eine solche Steuer nicht mehr Nachteile als Vorteile bringt. Auch ist nicht klar, wie sie
überhaupt praktisch umzusetzen wäre. Eine endgültige Entscheidung dazu wird je-
doch erst getroffen werden können, wenn die Informationslage hinsichtlich der zu er-
wartenden Effekte sowie der praktischen Möglichkeiten der weltweiten Einführung
solcher Besteuerungsformen wesentlich verbessert ist.

6. Anstrich:

Zweifellos gehört es zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine funktionierende
Weltwirtschaft, daß auch in Bezug auf ökologische und soziale Standards transpa-
rente Regeln bestehen, die von investierenden und produzierenden Unternehmen
eingehalten werden müssen, wobei damit noch keine Festlegung hinsichtlich der
Qualität solcher Standards erfolgt.


• Betrachtet man die Thematik aus österreichischer Sicht, so wird klar, daß die Ein-
führung bestimmter Mindestanforderungen für Direktinvestitionen im Ausland nur
für österreichische Unternehmen einerseits keinen spürbaren Effekt auf die Situ-
ation in den potentiellen Zielländern hätte, andererseits aber österreichische Un-
ternehmen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen hätten, die in
Ländern ansässig sind, die keine derartige Verpflichtung festgelegt haben.

• Solche Standards könnten daher sinnvollerweise nur auf internationaler Ebene im
Gleichklang mit dem größten Teil der Herkunftsländer ausländischer Direktinvesti-
tionen eingeführt werden.

• Am wirkungsvollsten können solche Standards jedoch über die entsprechenden
rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Zielländern
eingeführt und durchgesetzt werden, wobei selbstverständlich auch hier gilt, daß
der erzielte Effekt um so größer ist, je mehr Länder bereit sind, solche Standards
einzuführen und auch in der Lage sind, deren Einhaltung durchzusetzen.

• Österreich hat sich schon bisher konsequent in diesbezüglichen Diskussionen in
den internationalen Finanzinstitutionen dafür eingesetzt, daß sowohl in den Ent-
wicklungsländern als auch in den Transitionsländern Mittel- und Osteuropas sowie
den Staaten der früheren Sowjetunion die rechtlichen und institutionelten Rahmen-
bedingungen ganz allgemein, aber auch in Bezug auf Umwelt- und Sozialstan-
dards entscheidend verbessert werden.

7. Anstrich:

Wie bereits ausgeführt, gehört das Vorhandensein transparenter Regeln als Hand-
lungsrahmen für Unternehmungen - sowohl für große multinationale, als auch für
große und kleinere nationale Unternehmen - zu den Grundvoraussetzungen für eine
funktionierende globalisierte Weltwirtschaft; das gilt selbstverständlich auch in Bezug
auf ökologische und soziale Standards.

Verhaltenskodizes zur Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien können zwar
als Orientierungshilfe hinsichtlich der Qualität des zu erreichenden Niveaus solcher
Regeln herangezogen werden. Wenn jedoch in einem bestimmten Zielland die recht-
lichen und/oder institutionellen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, um die in
solchen Kodizes festgeschriebenen Kriterien umzusetzen, bleiben die Verhaltensko-
dizes großteils ohne tiefgehendere Auswirkungen. Daher gehört der Aufbau der ent-
sprechenden Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene der Zielländer das wichtigs-
te Instrument zur wirkungsvollen Umsetzung der sozialen oder ökologischen, aber
auch aller anderen für Wirtschaft und Gesellschaft maßgeblichen Kriterien.

Österreich setzt sich seit langem für die Verankerung von Bestimmungen gegen
“Umwelt- und Sozialdumping" im Wirtschaftsvölkerrecht ein und unterstützt inter-
nationale Bemühungen um die Formulierung von - nicht rechtsverbindlichen - Regeln
für das Verhalten von Multinationalen Unternehmen, wie die “OECD-Leitsätze für
Multinationale Unternehmen". Der darin vorgesehene österreichische Kontaktpunkt
ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet.

8. Anstrich:

Die angesprochenen Institutionen IWF und Weltbank befinden sich seit Jahren in
einem Reformprozeß, der u.a. durch die Neuordnung und Neuorientierung der Staa-
tengemeinschaft nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme ausge-
löst worden ist. Österreich setzt sich in den entsprechenden Gremien, in denen diese


Reformbemühungen diskutiert werden (auf europäischer Ebene ist das insbesondere
der ECOFIN) für Reformen ein, die ein effizientes und effektvolles Funktionieren die-
ser Institutionen sowie eine ausgewogene Vertretung aller Mitgliedsländer gewähr-
leisten.

Die Frage einer besseren Vernetzung von IWF, Weltbank und WTO mit anderen
EZA-Organisationen im VN-System beschäftigt die internationale Politik seit Jahren.
Einige Fortschritte konnten erzielt werden, vieles bleibt zu tun, um die Effizienz un-
serer gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen zu steigern. Die Diskussion wurde
in Monterrey fortgeführt, aber keinesfalls beendet. Es liegt auch im österreichischen
Interesse, daß die Entwicklungsgelder international möglichst effizient eingesetzt
werden.

Primäres Ziel und Zweck der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Monter-
rey war nicht die Diskussion über interne organisatorische Reformen internationaler
Organisationen wie der WTO. Es wurden daher auch keine diesbezüglichen Initiati-
ven gesetzt.

Gegenstand der Diskussion war aber sehr wohl die notwendige Verbesserung und
Verstärkung der Kooperation zwischen relevanten internationalen Organisationen
wie WTO, Internationaler Währungsfond und Weltbank, da nur auf diesem Weg das
Ziel der Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung wirksam unterstützt wer-
den kann.

Verstärkte Kooperation zwischen internationalen Organisationen war auch schon Ge-
genstand von Diskussionen im Rahmen der vierten Ministerkonferenz in Doha im No-
vember 2001 und fand den entsprechend bedeutenden Niederschlag in der Doha-Mi-
nistererklärung. Im Rahmen des Monterrey Consensus wurde daher darauf geachtet,
daß im Sinne der Kohärenz die verstärkte Kooperation auch ihrem Stellenwert ent-
sprechend Eingang findet.

Zu Frage 4:

Der Monterrey-Konsensus beinhaltet unter anderem drei wichtige Elemente:

1. Eine umfassende Verpflichtung und Verantwortung der Entwicklungsländer für
ihre eigene Entwicklung. Auf Wunsch der Entwicklungsländer wurde in den Kon-
sensus ein “foltow-up Mechanismus" für die Implementierung des Abkommens
eingebaut. Österreich wird sich aktiv in diesen Prozeß einschalten.

2.   Die Erkenntnis, daß wirtschaftliche Entwicklung ebenso eine unerläßliche Vor-
aussetzung für die gesamtheitliche Entwicklung und Wohlstandvermehrung von
Entwicklungsländern darstellt. Auch Österreich Ist um vermehrte Aktivitäten in
den Bereichen “productive capacity building" und “capadty building in trade
negotiations" bemüht.

3.   Die Aufforderung an die Geberländer zur Erhöhung der EZA-Leistungen. Hier
darf ich auf die Beschlüsse des Europäischen Rates von Barcelona, die von
Österreich voll mitgetragen werden, verweisen.

Grundsätzlich ist zu bemerken, daß Österreich seinen Finanzierungsverpflichtungen,
die auf EU-Ebene akkordiert sind, nachkommen wird.


Prinzipiell ist auszuführen, daß - insoweit aus dem Monterrey Consensus Auswirkun-
gen auf die Bundesvoranschläge kommender Jahre ableitbar sind - Maßnahmen zu
dessen Umsetzung der jeweiligen Budgeterstellung unter Berücksichtigung der ge-
samtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der zur Beibehaltung eines aus-
geglichenen Staatshaushaltes erforderlichen strikten Ausgabendisziplin vorbehalten
bleiben müssen.