3596/AB XXI.GP

Bundesminister für Justiz

Eingelangt am: 13.05.2002

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela MOSER, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Reform des
Lebensmittelgesetzes" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:


Zu 1, 2, 5, 9, 10, 11, 13 und 18:

Diese Fragen fallen nicht in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz. Ich

weise zu den Fragen 1 und 18 auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage
zur Zahl 3645/J-NR/2002 durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen hin.

Zu 3 und 4:

Nach Auskunft des Bundesrechenzentrums wurden im Jahr 1999 2561 und im Jahr

2000 2466 “Fälle" von Zuwiderhandlungen gegen das Lebensmittelgesetz 1975 bei
Staatsanwaltschaften und Bezirksgerichten (Bezirksanwälten) zur Anzeige gebracht;
eine weitere Aufschlüsselung dieser Zahlen ist derzeit nicht möglich. Festzuhalten
ist, dass die jährliche Anfallszahl nicht in unmittelbare Relation zur Zahl der nach
dem Lebensmittelgesetz jährlich rechtskräftig verurteilten Personen gesetzt werden
darf, weil beim genannten Anfall auch Anzeigen gegen unbekannte Täter enthalten
sind und eine Person oft wegen mehrerer angezeigter Fälle verurteilt wird.

Die Beantwortung der Frage nach der Zahl der nach dem Lebensmittelgesetz
Verurteilten ist nur auf Grund des Datenmaterials der jährlichen “Gerichtlichen
Kriminalstatistik" der Statistik Austria möglich, die zwar für die Jahre 1999 und 2000,


aber noch nicht für das Jahr 2001 vorliegt und grundsätzlich nicht nach
Bundesländern unterscheidet, sondern österreichweite Globaldaten enthält. Der
nachstehend zu verzeichnende Rückgang der rechtskräftigen Verurteilungen dürfte
in erster Linie auf das Inkrafttreten der Strafprozessnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55, am
1. Jänner 2000 zurückzuführen sein. Mit dieser Novelle wurde eine allgemeine
gesetzliche Grundlage für Diversionsmaßnahmen (Geldbuße, gemeinnützige
Leistungen, Rücktritt von der Verfolgung nach Probezeit, außergerichtlicher
Tatausgleich) geschaffen.

Nach dem Lebensmittelgesetz rechtskräftig
verurteilte Personen

Jahr

 

1999

 

2000

 

Geldstrafen (bedingt)

 

   303

 

    122

 

Geldstrafen (unbedingt)

 

    272

 

    151

 

Geldstrafen (teilbedingt)

 

      29

 

      11

 

Freiheitsstrafen (bedingt)

 

         2

 

         2

 

Freiheitsstrafen (keine Zusatzstr)

 

         5

 

         2

 

Verurteilte insgesamt

 

    611

 

    288

 

Zu 6 und 12:

Das   Informationsniveau   der   in   Lebensmittelstrafsachen   tätigen   Richter   und

Staatsanwälte ist schon wegen der in diesem Bereich bestehenden
Zuständigkeitskonzentration sehr hoch. Gewisse regionale Unterschiede bei der
Vollziehung des Lebensmittelgesetzes 1975 können - wie in anderen
Rechtsbereichen - auftreten, auch wenn das Justizressort im Rahmen seines Aus-
und Fortbildungsprogrammes permanent bemüht ist, seine Ausgleichsfunktion
wahrzunehmen. Ich verweise diesbezüglich auch auf die Beantwortung der Fragen 7
und 17.

Zu 7:

In der Einleitung der parlamentarischen Anfrage ist von einem uneinheitlichen

Informationsniveau der Gerichte, daraus resultierend von einer mangelnden Effizienz


der Strafverfolgung nach dem Lebensmittelgesetz und von willkürlichen
Verfahrensergebnissen die Rede.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber der Notwendigkeit der
Spezialisierung von Richtern und Staatsanwälten im Bereich des
Lebensmittelrechtes mit der Bestimmung des § 73 Lebensmittelgesetz Rechnung
getragen hat, wonach Strafsachen nach diesem Bundesgesetz nur jenen
Bezirksgerichten, in deren Sprengel das Amtsgebäude des Gerichtshofes gelegen
ist - in Wien dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien - zugewiesen werden. Durch
diese Konzentration ist die Handhabung der Lebensmittelstrafsachen solchen
Organen der Strafrechtspflege übertragen, die in die Materie eingearbeitet sind und
die Thematik beherrschen. Dem Bundesministerium für Justiz sind bislang keine
konkreten Informationen darüber erteilt wurden, dass in der Anwendung des
Lebensmittelgesetzes ein fachlicher Niveauunterschied der Gerichte oder
Staatsanwaltschaften festzustellen gewesen wäre.

Die Verjährungsfrage, die in der Einleitung ventiliert wird, spielt in der praktischen
Anwendung des Lebensmittelgesetzes kaum eine Rolle, weil in den Anzeigen
zumeist der in Frage kommende Täterkreis genannt wird, was eine umfassende
Bewertung der Verantwortlichkeiten und rechtzeitige gerichtliche Maßnahmen
ermöglicht.

Im Übrigen gebe ich zu bedenken, dass die strafrechtliche Konzeption des
Lebensmittelgesetzes nicht vom Schuldprinzip abweicht, es bilden also nicht das
bloße Vorliegen eines objektiven Tatbestandes sondern auch der erforderliche
Schuldnachweis die Voraussetzung für eine Bestrafung. Eine Verurteilung auf einer
reinen Erfolgshaftung aufzubauen, ließe sich mit den fundamentalen Grundsätzen
des österreichischen Strafrechtes nicht vereinbaren.

Zu 8 und 17:

Einige   Vorschläge   und   Anregungen,   die   in   der   7.   und   8.   Sitzung   der

Parlamentarischen Enquete-Kommission (“Die Reaktionen auf strafbares Verhalten
in Österreich, ihre Angemessenheit, ihre Effizienz, ihre Ausgewogenheit") zu Fragen
der Lebensmittelsicherheit vorgetragen wurden, haben dazu beigetragen, die
Strafbestimmungen des mittlerweile in Kraft getretenen Tierarzneimittelkontroll-
gesetzes (TAKG), BGBl. I Nr. 28/2001, so zu gestalten, dass sie den
Diskussionsergebnissen der Enquete-Kommission weitgehend entsprechen und in


das österreichische Strafrechtssystem passen. Mit diesem Gesetz wurde ein sehr
bedeutender Bereich, der bisher im Lebensmittelgesetz 1975 nicht ausreichend
definiert war, einer eingehenden Regelung unterzogen. Das Justizressort hat dazu
bereits einen umfangreichen Einführungserlass hinausgegeben; darüber hinaus
werden Richter und Staatsanwälte demnächst in speziellen Veranstaltungen von
Experten zur neuen Rechtslage informiert werden.

Zu 11:

Im Begutachtungsverfahren zur Novelle des Lebensmittelgesetzes 2000 hat sich das

Bundesministerium für Justiz dafür ausgesprochen, die verwaltungsstrafrechtliche
Verantwortlichkeit im LMG effizienter zu regeln. Neben einer Einschränkung der
Bestellbarkeit verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG hat das
Bundesministerium für Justiz vorschlagen, im Verwaltungsstrafrecht das
Unternehmen als juristische Person zu etablieren. Wenn verschiedene
Verantwortliche, die nacheinander von demselben Unternehmen bestellt werden,
Gesetzesverstöße begehen, sollte dies dem Unternehmen zurechenbar sein. An
eine qualifizierte Wiederholung sollten entsprechende Rechtsfolgen geknüpft
werden.

Zu 14:

Gemäß   §   25a    LMG    hat   der   Gesundheitsminister   die   Bevölkerung    bei

entsprechender Gefährdung durch eine gesundheitsschädliche Ware in bestimmter
Art und Weise zu informieren. Der Vorschlag, dass diese Warnpflicht
Konsumentenorganisationen zugewiesen werden soll, wird nicht als zweckmäßig
erachtet. Sofern Konsumentenorganisationen aus eigener Anschauung
Informationen über gesundheitsschädliche Produkte haben, kann davon
ausgegangen werden, dass sie neben der Information der Behörden auch ohne
ausdrückliche Verankerung einer Warnpflicht die Bevölkerung informieren. Nicht
zuletzt wegen der im Zusammenhang mit den angesprochenen Informationen
auftretenden Haftungsfragen sollte diese Warnpflicht eine behördliche Aufgabe
bleiben.

Zu 15 und 16:

Mit     der     in     EvBI.     1988/28     veröffentlichten     Entscheidung     hat     der

Verfassungsgerichtshof den ersten Satz des § 48 LMG aufgehoben, in dem
angeordnet wurde, dass das Gericht jenen Bediensteten der


Lebensmitteluntersuchungsanstalt, dessen Befund oder Gutachten Grundlage des
Strafverfahrens war, als Sachverständigen zu bestellen hat. Die Beiziehung des
Anzeigegutachters im Strafverfahren ist jedoch nach wie vor zulässig und findet im
Regelfall auch statt. Werden Gegenproben in privaten Anstalten untersucht, wird
zumeist auch ein Vertreter dieser Anstalt zur Hauptverhandlung vorgeladen.

In Anbetracht der enormen Anzahl der seit dieser Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes in Vollziehung des Lebensmittelgesetzes geführten
gerichtlichen Strafverfahren können die für die Beantwortung der Fragen 15. und 16.

erforderlichen Daten nicht mit vertretbaren Aufwand ermittelt werden. Da keine
statistischen Unterlagen vorliegen, müssten sämtliche bezughabenden
Gerichtsakten durchgesehen werden, um festzustellen, wieweit private Gutachten
auf das Ergebnis von Strafverfahren nach dem Lebensmittelgesetz Einfluss hatten.