360/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ulrike Sima und Genossen haben am 24.
Feber 2000 unter der Nr. 371/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend die Umsetzung des Anti - Atom - Aktionsplans sowie die EU - Osterweiterung
und die damit verbundenen Fragen der nuklearen Sicherheit gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Die Bundesregierung widmet Fragen der nuklearen Sicherheit, insbesondere im
Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Union, besondere
Aufmerksamkeit. Das Regierungsprogramm hält dazu folgendes fest:
„Besonderes Augenmerk wird die Bundesregierung auf die Umsetzung des in der
letzten Legislaturperiode verhandelten Anti - Atom - Paketes bei den Verhandlungen
über die Erweiterung der Union auch auf die Frage der nuklearen Sicherheit legen.
Die Bundesregierung unterstützt die beim Gipfel von Helsinki zugesagten
Bemühungen der Beitrittskandidaten zur Stilllegung nicht mehr nachrüstbarer
Atomreaktoren (Bohunice, Ignalina und Kozloduj) innerhalb fixierter Stilllegungspläne
und strebt die Einleitung der Stilllegung der Reaktoren spätestens zum Zeitpunkt des
Beitritts an“.
„Darüber hinaus wird die Bundesregierung Maßnahmen unterstützen, die zur
Verbesserung der nuklearen Sicherheit in den beitrittswilligen Ländern führen, um
ein Sicherheitsniveau zu erreichen, das dem Stand in der Union hinsichtlich der
Technologie und den Vorschriften sowie in
operativer Hinsicht entspricht.
Darüberhinaus unterstützt die Bundesregierung auch die Ausarbeitung von
Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie“.
Weiters legt das Regierungsprogramm fest, daß „unbeschadet der Zielsetzung
Österreichs, den Verzicht auf AKWs zu erreichen, hinsichtlich in Grenznähe
befindlicher oder geplanter AKWs die höchstmöglichen Sicherheitsstandards
anzuwenden“ sind.
Der Europäischen Rat von Helsinki hat erneut „auf die Bedeutung hoher
Sicherheitsstandards im Nuklearbereich in Mittel - und Osteuropa“ hingewiesen. Vor
allem aber hat er den Rat aufgefordert zu prüfen, „wie die Frage der nuklearen
Sicherheit im Rahmen des Erweiterungsprozesses im Einklang mit den
einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates behandelt werden kann“.
Es wird also in den Beitrittsverhandlungen in weiterer Folge darum gehen, daß die
beitrittswilligen Länder die Vorgaben der Europäischen Union einhalten. In der
Verhandlungsposition der EU heißt es dazu, daß die Union entschlossen ist,
während des ganzen Beitrittsprozesses diese Fragen mit größter Aufmerksamkeit zu
verfolgen
zu den Fragen 1 & 2:
Auf Europäischer Ebene wird die Bundesregierung weiterhin für eine rasche
Schließung der genannten Reaktoren eintreten und alle Maßnahmen unterstützen,
die dazu geeignet sind, dies zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Auf bilateraler
Ebene soll die energiewirtschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der
,‚Energiepartnerschaften“ fortgesetzt werden. In diesem Sinne wird auch die
Verhandlungsbereitschaft der Slowakischen
Republik aufgegriffen werden.
zu Frage 3:
Die Verhandlungsbereitschaft der Regierung der Slowakischen Republik über
frühere Schließungsdaten der beiden fraglichen Reaktoren des KKW Bohunice in
Abhängigkeit von zusätzlicher finanzieller Unterstützung, wie sie in einem Schreiben
von Außenminister Kukan vom 3.12.1999 an meinen Amtsvorgänger zum Ausdruck
gebracht wird, ist zu begrüßen. Die Aufnahme konkreter Verhandlungen scheint
jedoch erst dann sinnvoll, wenn Klarheit über die einsetzbaren Ressourcen besteht.
zu Frage 4:
Die bezüglich der Verhandlungen mit Slowenien, Ungarn und der Tschechischen
Republik vom Rat der EU bereits verabschiedeten Verhandlungspositionen sind, da
umfassend formuliert, nach Ansicht des BMaA grundsätzlich auch auf jene
Beitrittskandidaten anwendbar, mit denen die formellen Verhandlungen erst kürzlich
aufgenommen wurden. Nicht zuletzt im Lichte der Schlussfolgerungen des
Europäischen Rates von Helsinki wird das BMaA bemüht sein, zu einer
Konkretisierung der Anforderungen an die Beitrittskandidaten beizutragen.
zu Frage 5:
Die oben erwähnten Verhandlungspositionen der EU und die darin enthaltenen
Verweise auf die einschlägigen Schlußfolgerungen des Rates enthalten bereits diese
Auflage.
Zu Frage 6:
Zu den Schließungsdaten für Bohunice steht in dem von der Europäischen
Kommission vorgelegten Dokument "Agenda 2000 - Eine starke und erweiterte
Union“ folgender Wortlaut: „Die Slowakei ist in bezug auf die Stillegung der beiden
betreffenden Reaktoren in Bohunice keine
internationalen Verpflichtungen
eingegangen, doch verabschiedete die slowakische Regierung 1994 eine
Entschließung, aufgrund der beide Reaktoren spätestens im Jahre 2000 stillzulegen
sind, wenn die beiden neuen in Mochovce in Bau befindlichen Anlagen bis dahin
ihren kommerziellen Betrieb aufnehmen können“. Am 21. April 1999 hat die
Regierung der Slowakischen Republik jedoch beschlossen, die genannte
Entschließung aus dem Jahre 1994 aufzuheben und die laufenden
Sicherheitsverbesserungen bis zum Jahr 2000 abzuschließen.
Das bedeutet, daß sich das im Aktionsplan „gemäß Agenda 2000“ genannte
Schließungsdatum für Bohunice eigentlich auf die durch einen Regierungsbeschluß
vom 21. April 1999 obsolet gewordene Entschließung der slowakischen Regierung
aus dem Jahre 1994 bezieht.
zu Frage 7:
Das „Energiekapitel“ wurde in den Verhandlungen mit der Tschechischen Republik,
Slowenien und Ungarn bereits unter finnischer Präsidentschaft eröffnet. Unter der
gegenwärtigen portugiesischen Präsidentschaft ist nicht mit einer erneuten
Relevierung des Themas zu rechnen. Die österreichischen Positionen werden
weiterhin grundsätzlich jene sein, auf die sich die 15 Mitgliedstaaten der EU im
Hinblick auf die Erweiterungskonferenzen am 10. November 1999 verständigt
haben.
zu Frage 8:
Mit einer Eröffnung des „Energiekapitels“ in den Verhandlungen mit Bulgarien,
Litauen, Rumänien und der Slowakischen Republik ist nicht unter portugiesischer
Präsidentschaft zu rechnen. Auch in diesen Verhandlungen werden die
österreichischen Positionen grundsätzlich jene sein, auf die sich die 15
Mitgliedstaaten der EU im Hinblick auf die Erweiterungskonferenzen am
10. November 1999 verständigt haben.
zu Frage 9:
Die diesbezüglichen Veranlassungen wurden bereits im Herbst 1999 getroffen. Die
deutsche Regierung hat allerdings noch im Dezember 1999 mitgeteilt, dass sie
fiktive Genehmigungsverfahren „nicht als geeignetes Mittel“ einstuft, die
Anstrengungen in den Beitrittskandidaten zur Anhebung der nuklearen Sicherheit auf
das Niveau der Europäischen Union zu fördern. Sie bergen nach Einschätzung des
deutschen Außenministers Fischer „vielmehr die Gefahr in sich, daß sie sich durch
die hierdurch hervorgerufene innenpolitische Diskussion in den jeweiligen
Beitrittsländern kontraproduzent auswirken“.
Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die Bemühungen der Bundesregierung
seit Ende vergangenen Jahres erneut darauf, die Tschechische Republik auf
bilateralem Wege zur Übermittlung konkreter technischer Informationen zu bewegen.
Auch die deutsche Bundesregierung drängt zusammen mit der bayerischen
Staatsregierung auf eine „vertiefte Sicherheitsbewertung ausgewählter
sicherheitsrelevanter Systeme des AKW Temelin, um sich so selbst ein Bild über die
sicherheitstechnische Nachrüstung zu machen“.
zu Frage 10:
In einer Gemeinsamen Erklärung zur Anwendung des Euratomvertrages in der
Schlußakte zum Vertrag über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik
Finnland und des Königreiches Schweden zur Europäischen Union ist festgehalten
daß „die Mitgliedstaaten ... die Entscheidung über die Erzeugung von Kernenergie
entsprechend ihren eigenen politischen Ausrichtungen treffen“. Dieser Grundsatz ist
Teil des Besitzstandes der Europäischen Union und gilt deshalb sinngemäß auch für
die laufenden Beitrittsverhandlungen mit den Ländern Mittel - und Osteuropas.
Vor diesem Hintergrund kann ein „Verzicht auf die Inbetriebnahme von Temelin“ an
sich keine Auflage in den „EU -
Osterweiterungsverhandlungen“ sein. Unbeschadet
dessen wird zur gegebenen Zeit sowohl von der Bundesregierung als auch vom
Nationalrat zu beurteilen sein, ob alle Beitrittsvoraussetzungen im erforderlichen
Ausmaß erfüllt sind.
zu Frage 11:
Die Republik Österreich als Völkerrechtssubjekt kann und wird sich nicht dem
Verwaltungsverfahren eines anderen souveränen Staates unterwerfen. Die
Bundesregierung hat jedoch bereits alle notwendigen Maßnahmen getroffen, um die
bestmöglichen Voraussetzungen für eine Mitwirkung österreichischer Bürgerinnen
und Bürger an diesem UVP - Verfahren zu schaffen. So wurden alle verfahrensgegen -
ständlichen Unterlagen der Öffentlichkeit bereits wenige Tage nach der formellen
Verfahrenseröffnung in einer deutschsprachigen Arbeitsübersetzung auf der
Internet - Seite des Umweltbundesamtes zugänglich gemacht. Darüber hinaus wurde
das Umweltbundesamt beauftragt, eine Fachstellungnahme zu koordinieren. Diese
Fachstellungnahme wird sowohl der Öffentlichkeit zugänglich gemacht als auch
fristgerecht an das Tschechische Umweltministerium übermittelt werden.
zu Frage 12:
Auch bezüglich anderer grenznaher Kernkraftwerke wird die Nuklearpolitik der
Bundesregierung konsequent, aber umsichtig, fortgesetzt. Dies impliziert zum einen
die Fortsetzung von Maßnahmen zur Reduktion des Gefährdungspotentials
kerntechnischer Anlagen und zum anderen die Fortsetzung der energiewirtschaft -
lichen Kooperation im Rahmen von ,,Energiepartnerschaften“. An dieser Stelle sei
auch daran erinnert, dass das Regierungsprogramm vorsieht, „zum Schutz der
österreichischen Bevölkerung die zwischenstaatlichen Informationssysteme laufend
zu verbessern und dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
anzupassen“.