3650/AB XXI.GP
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
Eingelangt am: 17.05.2002
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 3629/J-NR/2002 betreffend eurofähige
ÖBB-
Fahrkartenautomaten und gemeinwirtschaftliche Leistungen der ÖBB, die die
Abgeordneten
Lichtenberger und Freundinnen
am 20. März 2002 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt
zu beantworten:
Grundsätzlich möchte ich
feststellen, dass das Unternehmen ÖBB mit dem Bundesbahngesetz
(BBG 92) ab 1.1.1993 hinsichtlich seines Absatzbereiches, also des Personen-
und
Güterverkehres, in die wirtschaftliche Unabhängigkeit entlassen
worden ist. Aufgrund der
zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des § 1 BBG 92 obliegt daher die
Tarifgestaltung im
Personen- und Güterverkehr sowie die Führung oder Nicht-Führung
von Zügen der
ausschließlichen Entscheidung des Managements der ÖBB (kaufmännischer
Bereich).
Einflussnahmen durch mich sind daher nach
dem Gesetz nicht möglich. Das ehemals weit
gefasste Weisungsrecht ist gemäß § 12 BBG 92 auf allgemeine
verkehrspolitische
Grundsatzweisungen und auf Anweisungen im Katastrophenfall eingeschränkt
worden.
Ebenso unterliegt die Wahl
von Geschäftsfeldern oder Marktstrategien der freien Entscheidung
des Managements der ÖBB (Vorstand) und wird nur durch die Grenzen der
Geschäftsordnung des
Vorstandes eingeschränkt, die bestimmte Tätigkeiten und
Maßnahmen von der Zustimmung des
Aufsichtsrates abhängig machen kann. Ausnahmen sind - wie oben
erwähnt - nur in den sehr
eingeschränkten
Fällen des § 12 BBG möglich. Solche Weisungen sind jedoch auch
durch den
Weisungsgeber (= Bund) in jedem Einzelfall anzuordnen und auch gesondert an die
ÖBB zu
bezahlen.
Ich habe daher die
österreichischen Bundesbahnen mit der gegenständlichen Anfrage
befasst, die diese wie folgt beantwortet haben:
Frage 1:
Ist die Möglichkeit von
Fahrgästen, unabhängig vom Besitz privater Güter wie
Mobiltelefon oder
Computer mit Internetanschluss Zugang zu bestimmend flächendeckend
beworbenen
Tarifvergünstigungen auch tatsächlich erhalten zu können,
für Sie “im Interesse der
Verkehrspolitik" und daher im Betriebszweck der ÖBB gemäß
§ 1 Abs. 3 letzter Satz
Bundesbahngesetz 1992 idgF enthalten, und wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Seitens der ÖBB
wurde die Fahrpreisgestaltung der Vorteilstickets (nur erhältlich für
Inhaber einer
Vorteilscard) aus
wirtschaftlichen Gründen mit 01.01. 2001 in der Form vorgenommen, dass die
Ermäßigung
für diese Fahrkartengattung einheitlich 45 % auf den Normalpreis
beträgt (mit
Übergangsregelung für Vorteilscard mit Ablaufdatum innerhalb des
Jahres 2001 - für diese galt
das bisherige Ermäßigungsausmaß von 50 % bis zum Ablauf der
Geltungsdauer der Vorteilscard).
Lediglich im Fall der Selbstabfertigung
durch den Fahrgast in Form der Buchung des
Fahrausweises per Internet, per Handy oder beim Fahrausweisautomaten
gewähren die ÖBB
einen zusätzlichen Selbstabfertigungsbonus von weiteren 5 % an
Fahrpreisermäßigung.
Da dieser automatisierte Verkauf weniger
Vertriebskosten verursacht, können diese Kostenvorteile
an die Kunden weitergegeben werden.
Die Selbstabfertigung wird nach
Maßgabe bestehender Einrichtungen angeboten. Weder in den
Geschäftsbedingungen zur Vorteilscard noch bei der Bewerbung dieses
Angebots wurde eine
flächendeckende Versorgung in dem Sinn, dass an jeder Haltestelle ein
entsprechender Automat
aufgestellt
ist, zugesagt.
Weiterhin werden jedoch im Rahmen des
zwischen dem bmvit und den ÖBB geschlossenen
gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrages 50 % Ermäßigung für
Blinde gewährt.
Fragen 2 und 3:
Zählt für Sie das
einigermaßen flächendeckende, funktionsfähige Angebot von
Fahrkartenautomaten, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme bestimmter
Tarifvergünstigungen sind, zur “Herstellung und die Unterhaltung
aller hiezu notwendigen
Einrichtungen", zu dem die ÖBB laut § 1 Abs. 3 erster Satz
Bundesbahngesetz 1992 idgF
verpflichtet sind, und wenn nein, warum nicht?
Sind a) Fahrkartenautomaten, b) diejenigen
Baulichkeiten, in bzw. an denen sie installiert sind, im
Sinne der Anlage 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2698/70 der Kommission, Abschnitt
A, letzter
Anstrich Teil der Infrastruktur oder Teil des Absatzbereiches?
Antwort:
Eine Flächendeckung wird von den
ÖBB nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten angestrebt
und - aus der Sicht der ÖBB - mit den speziell ausgewählten
Einsatzstandorten auch erreicht.
Im Bundesbahngesetz lässt sich keine
Verpflichtung der ÖBB zur Aufstellung von
Fahrausweisautomaten ableiten, da in jedem Fall (ausgenommen bei
Bahnsteigsperren) der
entsprechende Fahrausweis vom Fahrgast im Zug oder bei sonstigen
Verkaufsstellen der ÖBB
erworben werden kann.
Die Fahrausweisautomaten sind Teil des ÖBB-Absatzbereiches.
Frage 4:
Ist die Festlegung der
Aufstellungsorte und -Zeitpunkte für Fahrkartenautomaten von Ihnen
beeinflussbar, und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?
Antwort:
Für den Einsatz von
Fahrausweisautomaten sind insbesondere betriebswirtschaftliche
Überlegungen der ÖBB maßgeblich.
Der zeitliche Aspekt der Aufstellung der
Fahrausweisautomaten war und ist im wesentlichen von
der Lieferfähigkeit der
Auftragnehmerfirma bestimmt.
Frage 5:
Können Sie ausschließen, dass
die im Motiventeil geschilderten Umstände bei der funktionsfähige
Aufstellung eurofähiger Automaten zu Nachteilen für die Bahnbenutzerinnen
führen?
Antwort:
Für den Fahrgast entfällt bei
nichtvorhandenen Fahrausweisautomaten die Möglichkeit, über
diesen Vertriebsweg einen Selbstabfertigungsbonus, jedoch nur bei
Vorteilsticket, zu lukrieren.
Die ÖBB haben nach europaweiter
Ausschreibung im Herbst 1999 der Firma ASCOM den Auftrag
zur Beschaffung von 602 ortsfesten und 108 mobilen Automaten erteilt. Die
Aufstellung und
Inbetriebnahme von 350 Automaten war gemäß Liefervertrag für
spätestens Jahresmitte 2001
vereinbart, die restliche
Menge 2002. Aufgrund von Lieferverzögerungen der Fa. ASCOM wurden
die ersten Automaten erst im Herbst 2001 geliefert. Die Aufstellung erfolgte
prioritär dort, wo
bereits "alte" Automaten aufgestellt waren, damit bei der Euro-Umstellung
die nicht Euro-fähigen
alten Automaten ersetzt werden können. Es wurden daher in der Ostregion
die alten Geräte durch
280 neue Geräte ersetzt. Lediglich in Oberösterreich existieren
derzeit noch 20 "alte
Automatenstandorte", die spätestens mit Ende April d. J. durch neue
Geräte bedient werden. In
Oberösterreich besteht bis dahin die Möglichkeit, via Internet oder
Handy den
Selbstabfertigungsbonus zu erhalten.
Von den Nachteilen für die
Bevölkerung durch die verzögerte Aufstellung der Automaten kann
insoferne nicht gesprochen werden, als es - aus Sicht der ÖBB - ein
Vorteil für sehr viele Kunden
war, dass der Selbstabfertigungsbonus den Fahrgästen so früh wie
möglich angeboten wurde. Die
Alternative wäre nämlich gewesen, den Bonus erst zu dem Zeitpunkt
anzubieten, zu dem alle
Automaten, wie geplant einsatzbereit sind. Dies hätte zweifellos für
viele Kunden, die bereits den
Bonus in Anspruch nehmen könnten, eine Verschlechterung bedeutet.
Frage 6:
Wurden bzw. werden für die Anschaffung
und funktionsfähige Ausrüstung bzw. nötige
Nachverbesserungen von Fahrkartenautomaten direkt oder indirekt Mittel des
Bundes
herangezogen und wenn ja, welche?
Antwort:
Der Bund hat bei den ÖBB im Jahr 1999 die Entwicklung
eines detaillierten Konzeptes zum Ersatz
der alten Fahrausweisautomaten bestellt und mit den ÖBB vereinbart, dieses
Konzept in weiterer
Folge auch zu realisieren. Für die Konzepterstellung und Realisierung
wurden einmalig 5,81 Mio
Euro im Jahr 1999 an die ÖBB bezahlt.
Die Anschaffung der Fahrausweisautomaten mit
Investitionskosten in der Höhe von 18,75 Mio
Euro wird aus Mitteln des Absatzbereiches der
ÖBB finanziert. Nachbesserungen bzw.
Fehlerbehebungen gehen in jedem Fall zu Lasten des Lieferanten.
Fragen 7 und 9:
Was haben Sie als ressortzuständiges
Regierungsmitglied beziehungsweise Ihre Vorgängerinnen
im einzelnen unternommen, um eine beschleunigte Bereinigung der für die
zahlenden Fahrgäste
unzumutbare Situation rund um die Fahrkartenautomaten und ihre Verfügbarkeit
zu erreichen?
Welche Vorsorgen haben Sie als ressortzuständiges
Regierungsmitglied beziehungsweise Ihre
Vorgängerinnen gesetzt, um Mehrbelastungen der Allgemeinheit aufgrund der
enormen
Verzögerungen bei der Indienststellung von Fahrkartenautomaten hintantzuhatten
bzw. zu
minimieren?
Antwort:
Mit entsprechenden vertraglichen Pönaleregelungen im
Rahmenvertrag, Zahlungsstopp und
Schadenersatzforderungen wurde eine möglichst große Beschleunigung
der Auslieferung der
Fahrausweisautomaten seitens der ÖBB bei der Erzeugerfirma betrieben.
Frage 8:
Wieviele der in 2639/AB genannten 420 Bahnhöfe und
Haltestellen sind zum Stand 30.4.2002
tatsächlich mit welcher genauen Zahl von funktionsfähigen (!)
“Fahrausweisautomaten der neuen
Generation" samt Software ausgerüstet?
Antwort:
Mit 30. 04. 2002 sind in 220 Bahnhöfen und
Haltestellen 320 voll funktionsfähige
Fahrausweisautomaten aufgestellt.
Frage 10:
Welche konkreten Schritte wurden gegen
das/die liefernde/n Unternehmen (Fahrkartenautomaten,
zugehörige Software) ergriffen, und wird es über den kolportierten
Zahlungsstopp hinaus zu
Pönalzahlungen, Rückforderungen o.ä. kommen, wenn nein, warum
nicht?
Antwort:
Über den Zahlungsstopp hinaus wird es
zu Pönalezahlungen an die ÖBB durch die Erzeugerfirma
der Fahrausweisautomaten kommen. Darüberhinaus wird von den ÖBB
Schadenersatz geltend
gemacht.
Fragen 11 und 12:
Warum wurde und wird seitens der
ressortzuständigen Ministerinnen und Minister wiederholt gegen
§ 3 Abs. 2 Bundesbahngesetz verstoßen, indem keine alljährliche
Berichtslegung “über die
gemeinwirtschaftlichen Leistungen und die eingetretenen
Veränderungen" erfolgt?
Wann werden Sie dem Nationalrat den nächsten
Bericht über die von Ihnen (bzw. Ihren
Vorgängerinnen) bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen und die
eingetretenen
Veränderungen vorlegen?
Antwort:
Der angesprochene Bericht gemäß
§ 3 Abs. 2 Bundesbahngesetz wird derzeit aufgrund des
nunmehr vorliegenden
Geschäftsberichtes der ÖBB für das Jahr 2001 erstellt und in der
Folge wie in
vergangenen Jahren dem Parlament zugeleitet werden.