3664/AB XXI.GP
Eingelangt am: 22.05.2002
BUNDESMINISTERIUM für
WIRTSCHAFT und ARBEIT
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage
Nr. 3661/J betreffend
den Anspruch auf Pflegefreistellung für geschiedene Eltern, welche die
Abgeordne-
ten Dr. Ilse Mertel und
Genossen am 21. März 2002 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 3 der Anfrage:
Inwieweit durch die Schaffung der gemeinsamen Obsorge im
Familienrecht Anpas-
sungsbedarf bei der Regelung über die Pflegefreistellung nach § 16
Urlaubsgesetz
(UrIG) besteht, wird derzeit geprüft.
Richtig ist, dass gemäß § 16 Abs. 1 Z 1
UrIG nur jener Elternteil Anspruch auf Pfle-
gefreistellung hat, der mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Dass
sich
das Kind vorübergehend beim anderen Elternteil aufhält, ändert
am Vorliegen des
gemeinsamen Haushaltes nichts.
Festzuhalten ist aber, dass es im Arbeitsrecht neben der
Bestimmung des
§ 16 Abs. 1 Z 1 UrIG weitere Regelungen gibt, die Arbeitnehmer/innen die
Möglich-
keit bieten, ihre elterlichen
Pflichten im Falle der Erkrankung ihres Kindes wahrzu-
nehmen.
Der Anspruch auf Pflegfreistellung ist eine Ausformung der
allgemeinen Regelungen
der §§ 8 Abs. 3 Angestelltengesetz (AngG) bzw. 1154b Abs. 5
Allgemeines bürgerli-
ches Gesetzbuch (ABGB), die dem/der Arbeitnehmer/in aus wichtigen, in der
Person
gelegenen Gründen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung trotz
unterbliebener Ar-
beitsleistung gewähren. Mit der ausdrücklichen
Normierung des Anspruchs auf Pfle-
gefreistellung wollte der Gesetzgeber in erster Linie Klarheit und
Rechtssicherheit
schaffen.
Durch
die gesetzliche Regelung der Pflegefreistellung werden die in den anderen
arbeitsrechtlichen Gesetzen enthaltenen Regelungen über die
Dienstverhinderung
aus wichtigen Gründen keineswegs eingeschränkt oder gar aufgehoben.
Nach
§ 18 UrIG bleiben
gesetzliche Vorschriften, Kollektivverträge, Arbeitsordnungen, Be-
triebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge, die den Anspruch auf
Pflegefreistellung
iSd § 16 UrIG günstiger regeln, unberührt. Demzufolge ist in
jedem Einzelfall zu
prüfen, ob eine andere auf den betreffenden Einzelfall anzuwendende
Arbeitsvertra-
ges Regelungen über die Pflegefreistellung enthalten. Diese Bestimmungen
sind
grundsätzlich dann anzuwenden, wenn sie im Vergleich zu § 16 UrIG
günstiger sind.
Dieser Günstigkeitsvergleich ist für jedes einzelne
Tatbestandsmerkmal gesondert
durchzuführen.
Die gesetzliche Bestimmung des § 8 Abs. 3 AngG kommt
als Grundlage einer güns-
tigeren und daher im
konkreten Fall anzuwendenden Regelung in Betracht. Sie ist
wie § 16 UrIG zwingend (siehe § 40 AngG), stellt auf den Anlassfall
ab, beschränkt
den Anspruch nicht auf die Pflegebedürftigkeit naher, mit dem/der
Arbeitnehmer/in
im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger und die
Entgeltfortzahlungspflicht
ist nicht auf die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit beschränkt. Der
Anspruch auf Pflegefreistellung wird daher in vielen Fällen auf § 8
Abs. 3 AngG ge-
stützt werden können. Ebenso kann die Bestimmung des § 1154b
Abs. ABGB in ein-
zelnen Belangen günstiger sein als § 16 UrIG. Auch sie stellt z. B.
auf den Anlassfall
ab.
Damit kann sich jener Elternteil, der keinen gemeinsamen
Haushalt mit dem Kind
hat, im Fall der notwendigen Pflege eines erkrankten Kindes auf den
gesetzlichen
Dienstverhinderungsgrund des § 8 Abs. 3 AngG oder des § 1154b Abs. 5
ABGB be-
rufen, da diese Bestimmungen insoweit gegenüber § 16 UrIG
günstiger sind, als sie
keinen gemeinsamen Haushalt mit der zu pflegenden Person voraussetzen.
Antwort zu den Punkten 4 und 5 der Anfrage:
Bei der Pflegefreistellung handelt es sich um einen
arbeitsrechtlichen Anspruch, der
ausschließlich gegenüber dem/der Arbeitgeber/in geltend zu machen
ist und nicht
gegenüber einer Behörde. Daher liegen dem BMWA auch keine Zahlen vor.