3741/AB XXI.GP

Eingelangt am: 17.06.2002

BUNDESMINISTERIUM
FÜR  SOZIALE SICHERHEIT  UND GENERATIONEN

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage
Nr. 3787/J der Abgeordneten Lapp und Genossen wie folgt:

Frage 1:

Wie ich bereits in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage, Nr. 2872/J, aus-
geführt habe, wurden mit der am 19. April 2001 in Kraft getretenen Neuregelung des
Behandlungsbeitrages-Ambulanz die medizinischen Ausnahmetatbestände im
Interesse einer geordneten Vollziehung präziser formuliert und eingegrenzt. Ande-
rerseits wurde verstärktes Augenmerk darauf gelegt, dass sozial schutzbedürftige
Personen nicht über Gebühr mit der Bezahlung des Behandlungsbeitrages belastet
werden. In diesem Sinn ist nunmehr auch der Katalog der Ausnahmen im § 135a
Abs. 2 ASVG formuliert.

So darf der Behandlungsbeitrag nicht eingehoben werden:

•    für mitversicherte Kinder sowie Bezieher einer Waisenpension ohne anderes Ein-
kommen

•   wenn in medizinischen Notfällen, wegen Lebensgefahr oder aus anderen Grün-
den unmittelbar eine stationäre Aufnahme erfolgt

•    bei Behandlung für Dialyse oder bei Strahlen - oder Chemotherapie in Ambulan-
zen

•    in Fällen, in denen ein Auftrag eines Sozialversicherungsträgers oder eines Ge-
richtes im Zusammenhang mit einem Verfahren über Leistungssachen zur Ein-
weisung in eine Ambulanz zwecks Befundung und Begutachtung vorliegt

•   für Personen, die von der Rezeptgebühr befreit sind

•   für Personen, die Leistungen infolge einer Schwangerschaft im Rahmen des Mut-
ter-Kind-Passes oder Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft in
Anspruch nehmen

•   für Personen, die Teile des Körpers oder Blut(plasma) spenden


-   wenn der/die Versicherte (Angehörige) im Zusammenhang mit ein und demsel-
ben Behandlungsfall an Ambulanzen anderer Fachrichtungen weiterüberwiesen
wird.

Dies gilt nicht, wenn der Ambulanzbesuch durch schuldhafte Beteiligung an einem
Raufhandel bedingt ist oder sich als unmittelbare Folge von Trunkenheit oder Miss-
brauch von Suchtgiften erweist.

Vor allem mit der Ausnahme der von der Rezeptgebühr befreiten Personen wird in
besonderem Maße auf eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit Rücksicht ge-
nommen. Von der Rezeptgebühr sind jene Personen zu befreien, deren monatliche
Einkünfte einen bestimmten Betrag nicht übersteigen. Diese Grenzen betragen für
allein stehende Personen € 630,92 sowie für Ehepaare und Lebensgefährten
€ 900,13. Diese Beträge erhöhen sich für jedes unversorgte Kind um € 67,15. Bei
überdurchschnittlichen Ausgaben infolge chronischer Leiden erhöhen sich die ge-
nannten Grenzbeträge auf € 725,56 bzw. € 1.035,15.

Darüber hinaus ist eine Befreiung von der Entrichtung der Rezeptgebühr zu bewilli-
gen, wenn sich nach Prüfung der Umstände im Einzelfall herausstellt, dass eine be-
sondere soziale Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Dies ist insbesondere dann anzu-
nehmen, wenn eine länger dauernde medikamentöse Behandlung notwendig ist, die
im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten eine nicht zumut-
bare Belastung mit Rezeptgebühren zur Folge hätte.

Nach den Richtlinien für die Nachsicht vom Behandlungsbeitrag-Ambulanz sind wei-
ters folgende Personen sowie deren mitversicherte Ehegattinnen bzw. Lebensge-
fährtinnen befreit:

-    Lehrlinge im 1. und 2. Lehrjahr

-    Schüler (Schülerinnen) in einer Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesund-
heits- und Krankenpflege, Krankenpflegefachdienst oder medizinisch-technischen
Akademie oder an einer Hebammenakademie.

Darüber hinaus besteht für jede/n Anspruchsberechtigte/n eine Obergrenze von
72,67 € pro Jahr.

So bedauerlich jede Krankheit und jedes Gebrechen ist, welche(s) einen Menschen
trifft, so muss ich an dieser Stelle doch festhalten, dass allein der Umstand, dass
ein/e in der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruchsberechtigte/r hörbehindert
oder gehörlos ist, ihn/sie noch nicht sozial schutzbedürftig macht, da auch in diesen
Fällen immer seine/ihre finanzielle Situation ins Kalkül zu ziehen ist.

Darüber hinaus habe ich bereits in der Beantwortung der oben zitierten parlamenta-
rischen Anfrage versucht, deutlich zu machen, dass zwischen der Erbringung medi-
zinischer Leistungen durch die Ambulanz, für die ein Krankenversicherungsträger
grundsätzlich die Kosten zu tragen hat, und jenen Leistungen mit anderem Hinter-
grund, wie z.B. das Erlernen der Gebärdensprache - für welche die Krankenversiche-
rungsträger keinesfalls leistungszuständig sind, sodass hier auch kein Behandlungs-
beitrag anfallen kann - unterschieden werden muss.


In diesem Zusammenhang sind die von den Vorgängerregierungen eingeführten
Selbstbehalte in Erinnerung zu rufen:

Art/Name des

 

Seit wann ?

 

Gesetzlich oder

 

Betroffene SV-

 

“Selbstbehaltes"

 

(Datum der Einfüh-
rung)

 

satzungsmäßig vorge-
sehen ?

 

Gesetze

 

Krankenscheingebühr

 

BGBI. Nr. 411/96;
Inkrafttreten ab

 

Gesetzlich

 

ASVG- § 135

 

 

 

1.1.1997

 

 

 

 

 

Rezeptgebühr

 

Seit der Stammfas-
sung 1955

 

Gesetzlich
(fester Betrag)

 

ASVG - §136
G
SVG - § 92;
B-KUVG - § 64;
BSVG - § 86;

 

Heilbehelfe

 

Seit der Stammfas-
sung

 

1955

 

Gesetzlich vorgesehen
(§137 Abs. 2 ASVG -
10% der Kosten bzw.
mind. 20 % des
Messbetrages);
Übernahme weiters nur

 

ASVG- § 137
GSVG - § 93;
B-KUVG - § 65;
BSVG - § 87;

 

 

 

 

 

bis zu einem in der Sat-

 

 

 

 

 

 

 

zung festzu-legenden
Höchstbetrag

 

 

 

 

 

 

 

diese Systematik seit der
37. ASVG Novelle ab

 

 

 

 

 

 

 

1.1.1982;

 

 

 

 

 

 

 

davor: bis zu BGBI. Nr.

 

 

 

 

 

 

 

775/1974: für Brillen, or-

 

 

 

 

 

 

 

thopädische Schuheinla-
gen, Bruchbänder gesetz-
liche Mindestleistung;
alles andere bis zu einem

 

 

 

 

 

 

 

satzungsmäßigen
Höchstbetrag

 

 

 

Hilfsmittel

(ausgenommen: sol-
che im Rahmen der
medizinischen Maß-
nahmen der Rehabili-
tation! - diese sind
vollständig von der
KV zu übernehmen);

 

Seit der Stammfas-
sung

1955

 

Satzungsmäßige Leis-
tung (“können" gewährt
werden) - bis zu einer
gesetzlich (bzw. nunmehr
auch durch die Muster-
satzung) vorgegebenen
Höchstgrenze

 

ASVG - §154
GSVG - § 93 (hier
gilt eine ähnliche
Regelung wie im
Bereich Heilbehel-
fe!);
B-KUVG - § 65
(hier gilt eine ähnli-
che Regelung wie
im Bereich Heilbe-

 

 

 

 

 

 

 

helfe!);
BSVG - § 96

 

Reise- Fahrtkosten

 

Jedenfalls seit
1.1.1974, BGBI. Nr.
31/1973;

 

Freiwillige Leistung - in
der Satzung zu regeln;
1.8.1996, BGBI. Nr.

 

ASVG- § 135
GSVG- § 103
BSVG - § 85

 



 



 


Frage 2:

Die Behindertenpolitik der Bundesregierung berücksichtigt die Bedürfnisse hörbeein-
trächtigter Personen in vielfältiger Weise: So wurden z.B. Arbeitsassistenzprojekte
für hörbeeinträchtigte Menschen im gesamten Bundesgebiet eingerichtet. Der Kon-
vent der Barmherzigen Brüder in Linz bildet behinderte Menschen zu Taubblinden-
Betreuern aus. Für hörbehinderte und gehörlose Jugendliche werden Lehrausbil-
dungen gefördert. Im Rahmen der beruflichen und sozialen Rehabilitation werden
Gebärdensprachdolmetschkosten übernommen. Weiters erleichtern Qualifizie-
rungsmaßnahmen, Beratungen und Begleitungen am Arbeitsplatz die berufliche In-
tegration von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen.

Schließlich muss ich hinsichtlich der Unterstützung hörbeeinträchtigter Personen vor
dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung darauf hinweisen,
dass auch die Länder nicht aus ihrer diesbezüglichen Verantwortung entlassen wer-
den dürfen.

Frage 3:

Wenngleich ich selbstverständlich der Auffassung bin, dass Gehörlose eine beson-
dere Berücksichtigung in unserer Gesellschaft brauchen, ist bei Inanspruchnahme
einer Ambulanz auf die bei einer Ausnahmeregelung entstehende Ungleichbehand-
lung im Vergleich zu anderen Versichertengruppen, welche mit demselben Recht
eine Ausnahme von dieser Zahlung fordern könnten, Bedacht zu nehmen. Aus die-
sem Grund ist eine Ausnahmeregelung für Gehörlose nicht vorgesehen und eine
Änderung der Rechtslage derzeit nicht beabsichtigt. Im Übrigen verweise ich auf die
Beantwortung der Frage 11 der oben bereits zitierten Anfrage.

Fragen 4 und 5:

Hinsichtlich dieser Fragen verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 3 und 4
der bereits erwähnten parlamentarischen Anfrage Nr. 2872/J. Ergänzend dazu ist
noch das St. Johanns Spital - Landeskrankenhaus Salzburg anzuführen.

In Bezug auf Planungen der Länder ist ergänzend ein im Bundesland Steiermark
kürzlich beschlossenes Projekt zur Verbesserung der Situation schwerhöriger und
gehörloser Patientinnen in den Krankenhäusern der Steiermärkischen Krankenan-
stalten Ges.m.b.H. zu erwähnen. Im Rahmen dieses Projektes sollen der Bedarf für
und die Bedürfnisse von schwerhörigen und gehörlosen Patientinnen erhoben und
ein Konzept für personelle Maßnahmen erarbeitet werden. Die Maßnahmen können
von der einschlägigen Schulung von Mitarbeiterinnen bis hin zur Koordination exter-
ner Betreuerinnen, die die Gebärdensprache beherrschen, gehen.


Fragen 6 und 7:

Nach der vom Hauptverband weitergegebenen Information der Salzburger Gebiets-
krankenkasse wurden im Jahre 2000 181 und im Jahre 2001 230 Anspruchsberech-
tigte dieser Kasse in der Gehörlosenambulanz des St. Johanns Spital - Landeskran-
kenhaus Salzburg behandelt. Weitere Informationen liegen mir nicht vor.

Fragen 8 und 9:

Der Hauptverband hat hiezu mitgeteilt, dass ihm diese Daten nicht vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen
Der Bundesminister: