3764/AB XXI.GP
Eingelangt am: 18.06.2002
Bundesminsterium für Verkehr,
Innovation und Technologie
Die schriftliche parlamentarische Anfrage
Nr. 3774/J-NR/2002 betreffend der Umsetzung der EU-
Biopatent-Richtlinie “zum Schutz
biotechnologischer Erfindungen" in Österreich, die die Abgeordneten
Mag. Sima und Genossinnen am 18.4.2002 an mich gerichtet haben, beehre
ich mich wie folgt zu
beantworten:
Vorweg ist festzuhalten, dass
entgegen den Ausführungen in der parlamentarischen Anfrage bisher
nicht zehn sondern fünf Staaten die
Biotechnologie-Richtlinie umgesetzt haben.
Frage 1:
Sind Sie für die Umsetzung der genannten Bio-Patentrichtlinie in Österreich?
Antwort:
Der Entwurf einer Patentrechts- und
Gebührennovelle 2000, der die Umsetzung der
Biotechnologie-Richtlinie enthält, wurde mit Beschluss der Bundesregierung
vom 16.5.2000 dem
Nationalrat zur verfassungsmäßigen Behandlung vorgelegt. Die
Umsetzung obliegt deshalb
nunmehr den gesetzgebenden Körperschaften.
Frage 2:
Falls ja, können Sie verantworten,
damit der Erteilung von Patenten auf Leben Tür und Tor zu öff-
nen?
Antwort:
Mit der Richtlinie wird kein neues
Patentrecht für biotechnologische Erfindungen geschaffen. Seit
Jahrzehnten werden Patente auf dem Gebiet der Biotechnologie erteilt. Die in
der Richtlinie festge-
legten Grundsätze der Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen
entsprechen der Ausle-
gung und Judikatur zum geltenden Recht. Durch die Richtlinie wird
gegenüber den gegenwärtig im
Patentgesetz zumindest theoretisch vorhandenen Möglichkeiten eine
Einschränkung bzw. Abgren-
zung betreffend dessen, was patentierbar und was nicht patentierbar ist,
erreicht. So verbietet z.B.
die Richtlinie ausdrücklich die Patentierbarkeit des Klonens menschlicher
Lebewesen. Darüberhi-
naus befürworte ich aber durchaus den Vorschlag einer parlamentarischen
Enquete um bestehen-
de ethische Bedenken noch einmal eingehend diskutieren und möglichst
ausräumen zu können.
Fragen 3 und 4:
Sehen Sie Widersprüche in der jetzigen Regierungsvorlage?
Warum wurden Teile des menschlichen Körpers in allen
Formen explizit als patentierbar festge-
legt, um wenige Absätze weiter, den menschlichen Körper als nicht
patentierbar einzustufen?
Antwort:
Nein, da sich die Bestimmungen der
Regierungsvorlage, mit der die Umsetzung erfolgen soll, am
Wortlaut der Biotechnologie-Richtlinie orientieren.
In der Biotechnologie--Richtlinie und in der
Regierungsvorlage ist ausdrücklich festgelegt, dass der
menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und
Entwicklung sowie die bloße
Entdeckung eines seiner Bestandteile einschließlich der Sequenz oder
Teilsequenz eines Gens
keine patentierbaren Erfindungen darstellen. Diese Prinzipien stehen im
Einklang mit den im Pa-
tentrecht vorgesehenen Patentierbarkeitskriterien, wonach eine bloße
Entdeckung nicht Gegen-
stand eines Patents sein kann.
Mit Arzneimitteln, die aus isolierten Bestandteilen des
menschlichen Körpers gewonnen und/oder
auf andere Weise hergestellt werden, konnten bereits entscheidende Fortschritte
bei der Behand-
lung von Krankheiten erzielt werden. Die Richtlinie und die Regierungsvorlage
stellen klar, dass
eine Erfindung, die einen isolierten Bestandteil des menschlichen Körpers
oder einen auf eine an-
dere Weise durch ein technisches Verfahren erzeugten Bestandteil betrifft und
gewerblich an-
wendbar ist, ,nicht von
der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, selbst wenn der Aufbau dieses Be-
standteils mit dem eines natürlichen
Bestandteils identisch ist. Die sonstigen Voraussetzungen -
insbesondere Neuheit und Erfindungshöhe - müssen aber jedenfalls
vorliegen.
Die Rechte aus einem Patent können sich
aber nicht auf den menschlichen Körper und dessen
Bestandteile in seiner natürlichen Umgebung erstrecken.
Frage 5:
Warum wird in der Regierungsvorlage die Patentierung von
Embryonen im Bereich der wissen-
schaftlichen Forschung nicht explizit untersagt?
Antwort:
Die Biotechnologie-Richtlinie und die Regierungsvorlage
schließen ausdrücklich die Verwendung
von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken von der
Patentierbar-
keit aus.
Aber auch sonstige embryonenbezogene
Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche
Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind nicht
patentierbar. Dies ist in jedem
einzelnen Fall zu
prüfen.
Von der Aufnahme zusätzlicher expliziter
Ausschlusstatbestände in die Regierungsvorlage wurde
abgesehen, da nicht sichergestellt werden kann, dass solche Ausnahmen mit der
künftigen
Judikatur des EuGH zur Biotechnologie-Richtlinie im Einklang stehen.
Frage 6:
Halten Sie es für verantwortbar, dass somit Verfahren
zur Diagnose oder Therapie an
menschlichen Embryonen patentiert werden können?
Antwort:
Schon nach der derzeit geltenden Rechtslage sind Verfahren
zur chirurgischen oder therapeuti-
schen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und
Diagnostizierverfahren, die am
menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, von der
Patentierbarkeit ausgenom-
men. Dieser Grundsatz wird durch die Biotechnologie-Richtlinie und die
Regierungsvorlage keiner
Änderung unterzogen.
Fragen 7 und 8:
Können Sie verantworten, dass mit einer Umsetzung der
Richtlinie weitgefasste Pauschal-Patente
bei Pflanzen und Tieren erteilt werden?
Halten Sie es für verantwortbar, dass
Tiere und Pflanzen patentierbar sind, wenn der Patentan-
spruch auf mehrere Tierrassen oder Pflanzensorten angemeldet ist?
Antwort:
Pflanzensorten - auch gentechnisch
veränderte - sind schon nach der bisherigen Rechtslage nach
dem Sortenschutzgesetz schützbar.
Gemäß der Biotechnologie-Richtlinie
und der Regierungsvorlage können Erfindungen, deren Ge-
genstand Pflanzen sind, patentiert werden, wenn die Ausführung der
Erfindung technisch nicht auf
eine bestimmte Pflanzensorte beschränkt ist. Diese Regelung bedeutet
insbesondere, dass eine
Pflanzengesamtheit, die nur durch ein bestimmtes Gen (z.B. eine bestimmte
Resistenz) - nicht
aber durch ihr gesamtes Genom (durch Sortenschutz schützbar)
-gekennzeichnet ist, patentierbar
ist.
Dies gilt auch dann, wenn eine solche Pflanzengesamtheit
mehrere Pflanzensorten mitumfasst.
Die sonstigen Voraussetzungen der Patentierbarkeit, Neuheit, erfinderische
Tätigkeit etc. müssen
aber jedenfalls
erfüllt sein.
Diese Regelung entspricht der Auslegung des bereits geltenden Patentrechts.
In der Richtlinie wird klargestellt,
dass Erfindungen, deren Gegenstand Tiere sind, patentiert wer-
den können, wenn
die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Tierrasse
be-
schränkt ist. Auch diese Regelung entspricht der Auslegung des bereits
geltenden Patentrechts.
Tiergenetische Errungenschaften sind
patentierbar, damit diese nicht einfach durch Dritte ausge-
nutzt werden können (z.B. gentechnisch verändertes Tier, dessen Milch
vermehrt pharmazeutisch
wirksame Stoffe ausscheidet). Wenn die Anwendbarkeit nicht auf eine konkrete
Tierrasse be-
schränkt ist, kann eine patentierbare Erfindung vorliegen. Die sonstigen
Voraussetzungen der Pa-
tentierbarkeit, Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche
Anwendbarkeit müssen aber jeden-
falls erfüllt sein.
Darüberhinaus schließen die
Biotechnologie-Richtlinie und die Regierungsvorlage ausdrücklich
Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren von
der Patentierbarkeit aus, die
geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen
für den Menschen
oder das Tier (reine Qualzüchtungen) zu verursachen. Ausgeschlossen sind
auch die mit Hilfe
solcher Verfahren erzeugten Tiere.
Die Frage, ob bestimmte gentechnische
Veränderungen von Tieren überhaupt durchgeführt wer-
den dürfen, ist keine Frage des Patentrechts sondern anderer gesetzlicher
Bestimmungen, wie
z.B. des Gentechnikgesetzes.
Frage 9:
Sehen Sie nicht die Gefahr der
Abhängigkeit der Bauern, die mit dem Kauf von patentgeschütztem
Saatgut lediglich das Recht erwerben, das Saatgut anzubauen, während das
Saatgut selbst stets
im Eigentum des Patent-Inhabers bleibt?
Antwort:
Festzuhalten ist, dass das Patentrecht
kein Eigentumsrecht an einer patentgeschützten Sache
begründet, sondern Dritten lediglich die betriebsmäßige
Verwendung der Erfindung verbietet.
Aufgrund der die
Biotechnologie-Richtlinie umsetzenden Regierungsvorlage hat ein Landwirt, der
patentrechtlich geschütztes pflanzliches Vermehrungsmaterial zum
landwirtschaftlichen Anbau
kauft, die Befugnis, sein Erntegut für die Vermehrung im eigenen Betrieb
zu verwenden. Durch
dieses Landwirteprivileg wird dem Landwirt gestattet, das Erntegut auch ohne
Zustimmung des
Patentinhabers für spätere generative oder vegetative Vermehrung in
seinem eigenen Betrieb zu
verwenden.
Sofern es sich um Kleinlandwirte handelt,
ist dies kostenlos, ansonsten ist eine angemessene Ent-
schädigung zu zahlen, die deutlich niedriger ist, als eine
Lizenzgebühr.
Frage 10:
Wie reagieren Sie auf Kritik von
kirchlicher Seite und auf jene von Seiten der österreichischen als
auch deutschen Ärztekammer, die sich gegen eine Umsetzung aussprechen?
Antwort:
Die vorgebrachten Argumente werden im
Rahmen meiner Zuständigkeit gewürdigt und fließen in
den Meinungsbildungsprozess ein.
Frage 11:
Sehen Sie die Gefahr von
Behinderung der Forschung und Verteuerung von Medikamenten durch
Patente?
Antwort:
Der Patentinhaber hat ein zeitlich
begrenztes Ausschließungsrecht, mit dem ihm die Möglichkeit
gegeben wird, seine - oft hohen - Investitionskosten in die Erfindung zu
amortisieren (z.B. durch
Lizenzverträge). Das Ausschließungsrecht des Patentinhabers
unterliegt selbst bestimmten Be-
schränkungen. Eine nicht betriebsmäßige Verwendung einer
patentierten Erfindung, z.B. im Rah-
men einer Forschungstätigkeit, stellt keine Patentverletzung dar.
Ein Patent ist die Belohnung
des Erfinders, die als Anreiz zur weiteren Innovationstätigkeit und
somit der Förderung der Wirtschaft dient. Die hohen
Investitionsaufwendungen bei der Entwicklung
neuer Medikamente werden im Regelfall nur in Kauf genommen, wenn über die
Möglichkeit der
patentrechtlichen Absicherung die Chance besteht, für die Forschungs- und
Entwicklungskosten
einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu erhalten.
Frage 12:
Werden Sie sich für eine Neuverhandlung der Richtlinie auf EU-Ebene einsetzen?
Antwort:
Gegenwärtig
ist im Bereich der EU-Institutionen eine Neuverhandlung der Biotechnologie-Richtlinie
kein Thema. Ich werde aber bei allen Schritten die österreichischen
Interessen weiterhin mit Nach-
druck vertreten.
Fragen 13, 14, 15, 16 und 17:
Haben Sie schon
Gespräche mit Regierungsvertretern anderer EU-Länder in dieser
Angelegenheit
geführt?
Wenn ja, mit wem und mit welchen Inhalt?
Haben Sie Österreichs Bedenken gegen diese Richtlinie auf EU-Ebene schon deponiert?
Falls ja, wann und in welchem Rahmen?
Falls nein, warum nicht?
Antwort:
Die österreichische Haltung ist bei den zahlreichen
Gesprächen mit Entscheidungsträgem auf EU-
Ebene, bei bilateralen Treffen im In- und Ausland sowie im Rahmen von
EU-Ministerräten, in aller
Deutlichkeit vorgebracht worden. Insbesondere wurden dabei mögliche unterschiedliche
Stand-
punkte und Bedenken erörtert.