3782/AB XXI.GP

Eingelangt am: 28.06.2002

REPUBLIK OSTERREICH
BUNDESMINISTER FÜR INNERES

BETREFF:   Beantwortung der schriftlichen Anfrage der
Abgeordneten Dr. Einem und GenossInnen
betreffend “Erweiterung der Europäischen Union"
(Nr. 3817/J)

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Caspar Einem und Genossinnen haben am 30. April
2002 unter der Nummer 3817/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend “Erweiterung der Europäischen Union" gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt.

Zu Frage 1:

Die Europäische Kommission hat einen Fortschrittsanzeiger (SCOREBOARD) ausgearbeitet,
der den Fortschritt im Bereich Justiz und Inneres nach Tampere anzeigt und von der
Kommission halbjährlich aktualisiert. Auf diesen darf ich aufgrund seiner Aktualität zur
Beantwortung verweisen (letztmalig für das 1. Halbjahr 2002; öffentliches Dokument 9704/02
JAI 126).

Zu Frage 2;

Österreich hat mit einer Initiative im Artikel 36-Ausschuss auf die Erforderlichkeit einer
umfassenden Herangehensweise an die Entwicklung eines SIS
II unter Berücksichtigung
aller Aspekte und auf die Wichtigkeit einer grundsätzlichen Erklärung zur Priorität des
Projekts SIS
II im Hinblick auf die Erweiterung der EU hingewiesen. Auf Grundlage dieser
Initiative hat der Rat am 28./29. Mai 2001 Schlussfolgerungen angenommen, mit denen er
die Notwendigkeit der Entwicklung des SIS
II unterstreicht und die Arbeiten zur Priorität
erklärt.


Zu Frage 4:

Um die mit den Nachbarstaaten Ungarn, Tschechien, Slowenien und der Slowakei
bestehende Zusammenarbeit, die im Bereich der täglichen operativen Arbeit als
ausgezeichnet und mit den EU-Mitgliedstaaten als gleichwertig eingestuft werden kann
weiter zu verstärken, habe ich mit diesen Staaten sowie Polen eine gemeinsame Erklärung
unterzeichnet. Die Unterzeichnung der “Salzburg Deklaration" im Juli 2001 war der formelle
Beginn der Sicherheitspartnerschaften. Diese wie auch die vereinbarten Kooperations-
mechanismen mit diesen Ländern werden unter Frage 5 behandelt.

Zu Frage 5:

Mit den Sicherheitspartnerschaften habe ich eine neue Art der bilateralen Zusammenarbeit
mit den Beitrittskandidaten Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Polen geschaffen.
Damit wird eine bessere Qualität der regionalen Zusammenarbeit erreicht und der hohe
Sicherheitsstandard für die Region und ihre Bürger in einem gemeinsamen Europa weiter
angehoben. Neben dem Ziel, mit den Beitrittskandidaten tragfähige Partnerschaften für die
Zeit nach dem Beitritt zu bilden, wird vor allem die regionale Zusammenarbeit den Prozess
der Einführung, Umsetzung und Anwendung des EU-Acquis beschleunigen.

Die Unterzeichnung der “Salzburg Deklaration" während des Treffens mit den Amtskollegen
aus der Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Polen im Rahmen des “Forum
Salzburg 2001" (26. bis 28. Juli 2001) war der formelle Startschuss für das Projekt
Sicherheitspartnerschaften.

Verstärkte Zusammenarbeit in den folgenden Gebieten wurde vereinbart:

•  Polizeiliche Zusammenarbeit: Enge Zusammenarbeit auf operativer Ebene sowie enge
Zusammenarbeit in den Grenzregionen, um alle Formen der organisierten Kriminalität zu
bekämpfen. Intensivierte polizeiliche und schengenähnliche Zusammenarbeit sowie
Unterstützung bei der Beseitigung von Defiziten im Polizeibereich der Beitrittskandidaten.

Grenzkontrolle: Entwicklung einer gemeinsamen und abgestimmten Strategie zum
wirksamen und operativen Schutz der künftigen Außengrenzen der EU und konkrete
Maßnahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere gemeinsame
Konzepte für die wirksame Grenzüberwachung, Personalausbildung und technische
Ausrüstung.

•  Illegale Migration und Schlepperei: Verbesserung des Informationsaustausches und der
Zusammenarbeit zwischen den Behörden, Entwicklung gemeinsamer Konzepte zur
Vorbeugung der Schlepperei und des Menschenhandels, der Ausbeutung von Frauen
und Kindern, sowie Angleichung der Visum- und Einreisepolitik auf derzeit anwendbare
EU-Visum- und Einreisebestimmungen, einschließlich der Schengen-Bestimmungen und
-Verfahren.

•  Asyl: Unterstützung bei der Harmonisierung der Aufnahmestandards und Verfahrens-
absicherungen gemäß den vorbildlichsten Vorgehensweisen in Europa.

•     EU: Regelmäßige Gespräche und Informationsaustausch zu Entwicklungen in der EU.

Zwischen dem Bundesministerium für Inneres und dem jeweiligen Beitrittskandidaten wurden
konkrete Projekte und Maßnahmen in den oben genannten Gebieten definiert. Die konkrete
Umsetzung hat bereits mit Sommer 2001 begonnen.


Am Rat Justiz und Inneres am 16. November 2001 habe ich ein Österreichisches
Diskussionspapier zur Nutzung des Schengener Informationssystems und des Schengener
Durchführungsübereinkommens zur Terrorismusbekämpfung vorgelegt. Inhalt dieses
Papiers ist die Prüfung einer effizienteren Nutzung der Möglichkeiten des SIS sowie eine
Verbesserung der praktischen Anwendung.

Als weitere Initiative zur Terrorismusbekämpfung habe ich zur Erhöhung der Flugsicherheit
am JI-Rat vom 28. Februar 2002 ein Diskussionspapier zur Schaffung eines Systems
polizeilicher Flugbegleiter in der Europäischen Union vorgestellt. Diese werden in Österreich
bereits seit langem erfolgreich eingesetzt.

Weiters wurde ein Vorschlag über Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit des
Flugverkehrs in die EU-Gremien eingebracht. Ziel dieser Initiative war eine optimierte
Koordination der Arbeiten auf EU- wie auch auf nationaler Ebene.

Die Arbeiten zur Umsetzung der Dossiers laufen derzeit in den zuständigen Ratsgremien.

Im Juli 2001 startete Österreich mit Unterstützung von Belgien und Finnland das Projekt
“Police and Border Security". Das Projekt wird von der Europäischen Kommission aus Mitteln
des OISIN-Programmes ko-finanziert und hatte das Ziel, Maßnahmen zur Verbesserung der
Zusammenarbeit zwischen den Grenzdiensten der Mitgliedstaaten sowie Mitgliedstaaten mit
Kandidatenstaaten und Drittstaaten zu definieren. Die Projektresultate fanden Eingang in die
Arbeiten der Union im Bereich Illegale Migration und Europäische Grenzpolizei und
insbesondere in die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Sevilla. Zur Erreichung
dieses Zieles wurde im Jänner 2002 in Österreich ein Workshop abgehalten und ein
umfassender Projektbericht entworfen.

Zu Frage 3:

Im Juli 2001 habe ich mit den benachbarten Beitrittskandidaten Ungarn, Slowenien, Slowakei
und Tschechien sowie Polen die Initiative der Sicherheitspartnerschaften gestartet und mich
damit zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit diesen Staaten im Rahmen des EU-Beitritts-
prozesses verpflichtet. Die Sicherheitspartnerschaften werden unter der Frage 5 aus-
führlicher behandelt.

Das Bundesministerium für Inneres beteiligt sich außerdem verstärkt an den Finanzierungs-
programmen der EU, die die Übernahme des Acquis in die jeweilige Rechtsordnung der
Beitrittskandidaten, dessen Umsetzung und Anwendung und die nötigen Strukturreformen
betreuen. So sind derzeit Experten des Innenministerium in PHARE-Twinning Projekten mit
Ungarn, der Slowakei, Tschechien, Polen und Litauen eingesetzt. Einige Projekte mit
Slowenien und Ungarn sowie zwei PHARE-Horizontal-Projekte mit allen Beitrittskandidaten
(außer Malta, Zypern und Türkei) konnten schon erfolgreich zum Abschluss gebracht
werden, österreichische Experten nehmen darüber hinaus an Expertenmissionen der
Europäischen Kommission teil, um die Beitrittskandidaten bei der Umsetzung des EU-
Besitzstandes zu unterstützen.

Um die Beitrittskandidaten bei der Übernahme des Schengen-Acquis aktiv zu unterstützen
hat mein Ministerium u.a. ein “Spezialseminar Schengen" in Wien veranstaltet. Zum
Seminarinhalt gehörte die Weitergabe der letztgültigen europäischen Standards, das
Schengener Informationssystem, das VISION-System, SIRENE sowie die Kontrolle an den
Außengrenzen (Acquis, Personal, Technik, bauliche Maßnahmen).


Projekt Police and Border Security. Hauptziel des Projektes ist die Untersuchung von
Instrumenten der Zusammenarbeit.

Gemeinsam mit einer Mitteilung der Kommission zu den Außengrenzen und einer
italienischen Machbarkeitsstudie zur Schaffung einer Europäischen Grenzpolizei wurde das
Ergebnis des Workshops auf einer Ministerkonferenz in Rom am 30.5.2002 gemeinsam mit
den Beitrittskandidaten diskutiert und in der Folge in ein Synthesepapier der Präsidentschaft
übernommen. Dieses wurde beim JI-Rat am 13.6.2002 besprochen und floss in der Folge in
die Schlussfolgerungen des ER von Sevilla ein. Diese Strategie zu einem europäischen
Grenzmanagement und die darin beschlossenen Maßnahmen sollen jedenfalls unter
Einbindung der Beitrittskandidaten erfolgen. Diesen wurde Beobachterstatus zugesichert, ab
Beitritt werden sie dann aktiv an der Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts mitgestalten.


Auf politischer Ebene finden bilaterale Ministertreffen zur laufenden Evaluierung statt.
Auf strategischer, operativer Ebene reicht die Zusammenarbeit von hochrangigen
Expertentreffen auf bilateraler Ebene, der Bereitstellung von Experten, Hospitationen,
Durchführung von Seminaren und gemeinsamen Projekten, bis hin zu gemeinsamen
Einsätzen, Streifen, Gerätepools und auch gemeinsamer Präventions- und
Öffentlichkeitsarbeit.

Zu Frage 6:

Betreffend Sicherheitspartnerschaften wird auf Frage 5 verwiesen.

Neben dieser bilateralen Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und Polen bestehen auch
verstärkte Kooperationsmaßnahmen mit Rumänien und Bulgarien sowie den baltischen
Staaten und der Türkei. Erst im Mai 2002 habe ich mit dem bulgarischen Innenminister ein
Regierungsabkommen betreffend polizeiliche Zusammenarbeit und mit dem türkischen
Innenminister einen gemeinsamen Aktionsplan zur Verstärkung der Zusammenarbeit
unterzeichnet.

Auch auf operativer Ebene wurde die Zusammenarbeit verstärkt. Im Laufe des Jahres 2002
bzw. 2003 werden für die bulgarischen und rumänischen Kollegen Workshops (Organisierte
Kriminalität und Drogenhandel; Bekämpfung des Terrorismus) und Spezialseminare (Luft-
abschiebungen; Schengen) von meinem Ressort durchgeführt werden.

Da das Thema Sicherheit des internationalen Flugverkehrs durch die Anschläge vom 11.
September 2001 an Bedeutung gewonnen hat, wurde auch die Zusammenarbeit in diesem
Bereich ausgebaut. So wird ein Spezialseminar Flugsicherheit für Experten aus Litauen,
Lettland und Estland und ein Air Marshai-Seminar für Mitgliedstaaten, Beitrittskandidaten
sowie weitere interessierte Staaten im Herbst 2002 stattfinden.

Um mehr Sicherheit im Alpenraum zu schaffen, haben sich Österreich, Italien, Frankreich,
Deutschland, Liechtenstein, die Schweiz zur Alpenländersicherheitspartnerschaft
zusammengeschlossen. Damit wurde ein wichtiges Forum geschaffen, um die Themen
Bekämpfung der illegalen Einwanderung, Schlepperei und des Menschenhandel,
Geldwäsche, Rassismus und Hooliganismus in Arbeitsgruppen, im Projektausschuss und auf
Ministerebene zu diskutieren.

Auf österreichische Initiative wurde zur Pflege eines regelmäßigen Informationsaustausches
und zur Unterstützung der Beitrittswerber halb- bis jährliche Innenministertreffen im Rahmen
von quintolateralen Treffen mit den Amtskollegen der Visegrad-Staaten (Polen, Slowakei,
Tschechien und Ungarn) eingerichtet. Themenschwerpunkte sind die Bekämpfung der
organisierten Kriminalität, Korruption und Schlepperei.

Im Bereich Vermittlung, Erweiterung und Vertiefung der für die Bewältigung grenz-
überschreitender, internationaler polizeilicher Aufgaben notwendigen Erkenntnisse, arbeitet
Österreich gemeinsam mit Deutschland, Polen, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien,
Tschechien und Ungarn im Rahmen der Mitteleuropäischen Polizeiakademie (MEPA)
zusammen.

Um die Zusammenarbeit im Bereich Grenzen zu verstärken und um den Schutz der
zukünftigen EU-Außengrenze zu gewährleisten, hat die EU eine gemeinsame Strategie
entwickelt. Durch den Europäischen Rat von Laeken wurde im Dezember 2001 die Frage der
effizienteren Kontrolle der Außengrenzen der Union zu einer gesamteuropäischen Priorität.
Im Juli 2001 startete Österreich, mit Unterstützung von Belgien und Finnland, deshalb das