3812/AB XXI.GP

Eingelangt am: 03.07.2002

BUNDESMINISTERIUM für
WIRTSCHAFT und ARBEIT

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 3831/J betreffend
“Verhandlungen zum Dienstleistungsabkommen GATS", welche die Abgeordneten
DDr. Erwin Niederwieser und Genossen am 3. Mai 2002 an mich richteten, stelle ich
fest:

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

Die Verhandlungen zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels im Rahmen der
WTO befinden sich im Anfangsstadium. Anlässlich der 4. WTO-Ministerkonferenz in
Doha/Katar wurde für die Abgabe von Länderforderungen der 30. Juni 2002 und für
die Übermittlung der ersten Angebote der 31. März 2003 als Termin festgelegt.

Der weitere Fortgang der Verhandlungen hängt wesentlich von der Einhaltung dieser
Termine ab. Durch den wechselseitigen Austausch der Forderungslisten sollen die
Verhandlungen neuen Schwung erhalten.

EU-intern werden derzeit Länderforderungslisten vorbereitet. Obwohl die Abstim-
mung der Listen noch nicht abgeschlossen ist, ist schon jetzt absehbar, dass sie
sehr umfassend ausfallen werden, der Bereich der öffentlichen Dienstleistungen wird
von den Forderungen jedoch weitestgehend ausgeklammert bleiben.


Neben der EU arbeiten auch die anderen WTO-Mitglieder derzeit an der Erstellung
von Forderungslisten. Über den Inhalt der Forderungen ist momentan nichts be-
kannt. Die WTO-Partner halten sich in diesem Punkt noch bedeckt.

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

Die GATS-Verhandlungen werden EU-intern im Netzwerk der verschiedenen Rats-
ausschüsse gemäß Art. 133 EG beraten und vorbereitet.

Über die Ergebnisse der Ausschusstagungen wird das Österreichische Parlament im
Rahmen des EU-Informationsverfahrens (Art. 23e B-VG) regelmäßig informiert.

Festzuhalten ist, dass es kein eigenständiges österreichisches Angebot im GATS
geben wird. Das Angebot Österreichs wird Bestandteil des Angebots der Euro-
päischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten sein. Im Rahmen dieses ge-
meinsamen Angebots besteht für Österreich grundsätzlich in dem Maße ein
gewisser Spielraum, als die Beziehungen zu Drittstaaten vom gemeinsamen EU-
Rechtsbesitzstand nicht einheitlich geregelt sind.

Die Arbeiten an einem gemeinsamen EU-Dienstleistungsangebot wurden noch nicht
in Angriff genommen. Derzeit sind die Mitglied Staaten und die Europäische Kommis-
sion damit befasst, die autonomen Handelsliberalisierungen und das Liberalisie-
rungs- bzw. Bindungspotential für die GATS 2000-Verhandlungen zu erheben. Wann
ein erstes, konsolidiertes Angebot der EU vorliegen wird, lässt sich derzeit nicht
konkret abschätzen.

Beim gemeinsamen EU-Angebot wird es sich um einen Verhandlungsvorschlag
handeln, der permanenten Änderungen unterworfen sein wird. Eine formelle Be-
schlussfassung des Angebotes durch das Österreichische Parlament oder durch den
EU-Rat ist vorerst nicht vorgesehen. Dies war auch in der Vergangenheit nicht der
Fall, da Vorschläge noch keine Rechtswirkung entfalten.


Die momentanen Teilnahmemodalitäten der EU in der WTO sehen vor, dass der EU-
Rat vorab die erforderlichen Beschlüsse fassen muss, auf deren Basis die Euro-
päische Kommission das Einverständnis der Gemeinschaft zu Beschlüssen mit
Rechtswirkung durch die WTO-Gremien zum Ausdruck bringen kann. In der Praxis
wird dies so gehandhabt, dass der EU-Rat, wenn innerhalb der WTO-Verhandlungen
zum Abschluss anstehen, vor Ort tagt und die notwendigen Entscheidungen trifft.

Das gemeinsame EU-Angebot wird nach Vorliegen im Rahmen des EU-Infor-
mationsverfahrens dem Österreichischen Parlament zugeleitet werden. Das
Österreichische Parlament kann dazu jederzeit Stellung nehmen.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Der Anteil der EU am globalen Dienstleistungshandel beträgt ohne intra EU-Handel
ca. 25%. Damit liegt die EU signifikant vor den USA (19%) und Japan (5%). Die
Zahlen verdeutlichen, wie wichtig für die EU ein stabiles und vorhersehbares recht-
liches Umfeld für den Dienstleistungshandel ist.

Neben offensiven Interessen, beispielsweise bei den sogenannten industrienahen
Dienstleistungen und Infrastrukturdienstleistungen (Dienstleistungen, die zum
großen Teil für die Produktion von Waren und von anderen Dienstleistungen benötigt
werden und in diese als Input eingehen), bestehen auf Seiten der EU und/oder ihrer
Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen auch defensive Interessen.

Der Vertrag von Nizza trägt diesem Umstand Rechnung. Für den Abschluss von Ab-
kommen über den Handel mit Dienstleistungen gelten grundsätzlich die selben
Regelungen und Verfahren (Mehrheitsentscheidung) wie für Abkommen im Bereich
des Warenhandels. Von diesem allgemeinen Grundsatz sind lediglich Abkommen im
Bereich des Handels mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, Dienst-
leistungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheitswesen sowie inter-
nationale Abkommen im Verkehrsbereich ausgenommen. Des weiteren besteht eine
Ausnahme für Abkommen, welche Bestimmungen enthalten, bei denen die An-


nahme interner Vorschriften Einstimmigkeit erfordert oder wenn ein Handelsab-
kommen Bereiche betrifft, in denen die Gemeinschaft ihre Zuständigkeit noch nicht
ausgeübt hat. Die genannten Bereiche verbleiben gemäß dem Vertrag von Nizza in
der gemischten Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten bzw. ist für
EU-Beschlüsse in diesen Bereichen weiterhin Einstimmigkeit erforderlich.

Das GATS zeichnet sich durch große Flexibilität aus. Anders als im Warenbereich
gelten die wesentlichen GATS-Prinzipien (Marktzugang, Inländerbehandlung und mit
Einschränkungen die Meistbegünstigung) nur bedingt. Verpflichtungen (Bindungen)
in einzelnen Dienstleistungssektoren können vollkommen vermieden oder mit Ein-
schränkungen gekoppelt werden. Das GATS und seine Systematik erlauben die
Berücksichtigung der unterschiedlichen sozialen, politischen und wirtschaftlichen
Gegebenheiten der einzelnen WTO-Mitglieder. Dies gilt auch für jene Dienst-
leistungsbereiche, wo öffentliche und private Angebote koexistieren und möglicher-
weise Unvereinbarkeiten mit gesamtgesellschaftlichen Zielsetzungen auftreten
können.

Bezüglich der Vorgaben des Nationalrates für die GATS-Verhandlungen und die EU-
interne Abstimmung im EU-Rat sowie deren Bindungswirkung wird auf Art. 23e B-VG
verwiesen.

Der Ordnung halber sei angemerkt, dass WTO-Angelegenheiten und sonstige
handelspolitische Fragen im Rahmen der EU im Rat Allgemeine Angelegenheiten
(RAA) behandelt werden.

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

Derzeit existieren im Rahmen des EU-Konvents noch keine Vorschläge zur Reform
der gemeinsamen Handelspolitik in Richtung Ausdehnung des Mehrheitsprinzips.
Allfällige Vorstöße in diese Richtung werden genauestens zu prüfen sein.
Zu berücksichtigen ist jedenfalls, dass die EU auch in ihrer erweiterten und vertieften
Form handelspolitisch handlungsfähig bleiben muss.


Andererseits muss sichergestellt bleiben, dass auch in Zukunft wichtige nationale
Interessen zumindest in den im Vertrag von Nizza explizit genannten Dienstleis-
tungsbereichen nachdrücklich und mit Erfolg vertreten werden können.

Eine Zustimmung Österreichs zu Vorschlägen betreffend die Reform der gemein-
samen Handelspolitik im Rahmen des EU-Konvents wird selbstverständlich unter
Berücksichtigung der Standpunkte aller Beteiligten erfolgen, die in Österreich ein
Mitspracherecht und ein Interesse an der Gestaltung der Handelspolitik haben.

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

Österreich hat sich in Vorbereitung auf die 3. WTO-Ministerkonferenz in Seattle 1999
im Rahmen der EU für eine Berücksichtigung der Sozialstandards im Rahmen der
WTO eingesetzt. Die Ministerkonferenz von Seattle ist bekanntlich ua. aufgrund des
Widerstandes der Entwicklungsländer in dieser Frage gescheitert. Den Industrie-
ländern ist es nicht gelungen, die Entwicklungsländer davon zu überzeugen, dass es
sich bei dem angestrebten Ansatz um keine protektionistische Maßnahme handelt
bzw. dass die komparativen Vorteile der Entwicklungsländer nicht geschmälert
werden sollen.

Das österreichische Engagement blieb auch nach Seattle ungebrochen, ebenso wie
der Widerstand der Entwicklungsländer. In einem Versuch, das Thema dennoch bei
der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha ergebnisorientiert behandeln zu können,
musste daher die Forderung von Seattle (Einrichtung eines WTO/ILO Forums zur
Diskussion von Handel und Arbeitsstandards) unter Berücksichtigung der Befürch-
tungen der Entwicklungsländer etwas abgeändert werden. Da für Österreich immer
wichtig war, dass Fortschritte in dieser Frage erzielt werden, wurde der verfeinerte
Ansatz der EU (regelmäßiger Dialog über die soziale Dimension des Handels unter
Einbeziehung der relevanten internationalen Organisationen) unterstützt. Leider blie-
ben auch diese Anstrengungen ohne Erfolg. Bei der vierten Ministerkonferenz in
Doha konnte lediglich Konsens über einen Verweis auf die Schlussfolgerungen von


Singapur (Kompetenz der ILO bei Arbeitsstandards, Zusammenarbeit der Sekretari-
ate von ILO und WTO) gefunden werden.

Nach dem Ergebnis von Doha besitzt die WTO weiterhin keinerlei Kompetenz zur
Regelung von Kernarbeitsnormen. Eine Thematisierung im Rahmen der in Doha
vereinbarten WTO-Liberalisierungsrunde ist somit grundsätzlich nicht möglich.

Die Minister bekannten sich in Doha aber auch nachdrücklich zum Ziel einer nach-
haltigen Entwicklung. Es ist zunehmend anerkannt, dass der Sozialaspekt wesent-
licher Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung ist. Die EU hat daher bereits 1999
das Sustainability Impact Assessment-Programm (SIA) implementiert, womit Maß-
nahmen zur weiteren Handelsliberalisierung hinsichtlich ihrer Auswirkung auf das
Wirtschaftswachstum, die Umwelt und die soziale Entwicklung untersucht werden.
Österreich unterstützt das SIA-Programm und fordert diesbezügliche Untersuchun-
gen auch in den zuständigen EU-Gremien ein.

Unabhängig von den Ergebnissen von Doha unterstützt Österreich Maßnahmen auf
internationaler Ebene, wie etwa die Arbeit der ILO hinsichtlich der Einrichtung einer
Weltkommission über die soziale Dimension der Globalisierung. Die Diskussionen
der Weltkommission bzw. deren Ergebnisse, die für März 2003 erwartet werden,
werden sicherlich zur Bewusstseinsbildung der Entwicklungsländer in Fragen des
Handels und seiner sozialen Dimension beitragen.

Daneben unterstützt Österreich auf EU-Ebene im Bereich des Handels Maßnahmen,
die zur Förderung der Implementierung von ILO-Kernarbeitsnormen und Umwelt-
standards in den Entwicklungsländern beitragen, wie etwa die Erhöhung der Zusatz-
präferenzen im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit finden unter Beteiligung der Sozial-
partner und der betroffenen Ressorts regelmäßig Vorbesprechungen zur Vorberei-


tung der Tagungen des Ausschusses gemäß Art. 133 EG in Brüssel statt. Die Posi-
tionierung der EU für Dienstleistungsverhandlungen im allgemeinen sowie die Ab-
stimmung der Forderungslisten und des Angebots erfolgen im ad hoc-Ausschuss Art.
133 (Dienstleistungen). Im Rahmen der innerstaatlichen Koordination werden den
Beteiligten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit alle Dokumente und
Vorschläge zur Verfügung gestellt.

Im Zuge des EU-Informationsverfahrens werden dem Österreichischen Parlament
sämtliche Berichte (einschließlich der relevanten Dokumente) über die Tagungen der
genannten EU-Gremien zugeleitet. Außerdem werden vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit regelmäßig Informationsveranstaltungen für die Parlaments-
klubs der vier im Nationalrat vertretenen Parteien über den Fortgang der WTO-Ver-
handlungen einschließlich des Dienstleistungsdossiers organisiert.

Den NGOs wird im Wege gesonderter, vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit organisierter Veranstaltungen Gelegenheit geboten, zu den WTO/GATS-Ver-
handlungen Stellung zu beziehen.

Die Informationstätigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit in Bezug
auf WTO/GATS wurde in den letzten Jahren auf Grund des gestiegenen Interesses
der Öffentlichkeit an WTO-Angelegenheiten wesentlich intensiviert. Darüber hinaus
werden regelmäßig Überlegungen angestellt, wie dieser Informationsfluss noch
weiter verbessert werden kann.

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

Die Europäische Kommission hat Entwürfe für Forderungslisten an 109 WTO-
Mitglieder präsentiert. Die Entwürfe sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, da es
sich um Verhandlungsdokumente handelt, die nicht die endgültige Position der EU
wiederspiegeln.


Inhalt und Umfang der Forderungslisten sind momentan nicht zur Gänze abschätz-
bar, es erscheint aber absehbar, dass insbesondere die Forderungen an die Haupt-
zielländer umfassend ausfallen werden. Die Forderungen an diese Länder werden
sich sektoriell auf folgende Bereiche beziehen: Freie Berufe außer Gesundheits-
berufe, Geschäftsdienstleistungen, Telekommunikation, Post und Kurierdienste,
Baudienstleistungen, Distributionsdienstleistungen, Finanzdienstleistungen, Energie-
dienstleistungen, Umweltdienstleistungen sowie Tourismus und reisebezogene
Dienstleistungen.

Inhaltlich richten sich die Forderungen primär auf die Abschaffung bestehender
Nationalitätsvorbehalte und die Beseitigung von Niederlassungsbeschränkungen wie
zum Beispiel Beschränkungen der Rechtsform oder Deckelung für ausländisches
Eigentum. Gefordert werden auch kohärente GATS-Verpflichtungen dort, wo der
elektronische Handel als Erbringungsmodus tatsächlich oder potentiell eine wichtige
Rolle spielt.

Der Forderungskatalog wird auch offensichtliche Diskriminierungen in Form natio-
naler Präferenzen, beispielsweise im Steuer- und Subventionsbereich, aufgreifen. Im
Sinne von “good governance" werden außerdem undurchsichtige Genehmigungs-
und Bewilligungspraktiken unter die Lupe genommen. Die betreffenden Anträge
beschränken sich mehrheitlich jedoch auf Klarstellungen und zielen nicht auf deren
Eliminierung ab.

Bei der Bewegung von Personen zum Zweck der Dienstleistungserbringung konzen-
trieren sich die Bemühungen darauf, die Verpflichtungen für Schlüsselpersonal, für
Personen, die Geschäfte anbahnen sowie für “contractual service suppliers"
(Personen, die sich zur Erfüllung eines Auftrages vorübergehend im Gastland auf-
halten) auf ein WTO-einheitliches Niveau zu heben.


Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

Die Abgabefrist für konkrete Länderforderungen endet mit 30, Juni 2002. Von den
erwähnten Ländern sind derzeit keine spezifischen Länderforderungen bekannt. Von
Russland sind solange keine Anträge zu erwarten, als sein Beitrittsprozess zur WTO
noch nicht abgeschlossen ist.

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

Das österreichische Marktöffnungsangebot im Rahmen des GATS ist derzeit nicht
abschätzbar. Es ist abhängig von den konkreten an Österreich gerichteten Forde-
rungen und der Konzessionsbereitschaft der je nach Dienstleistungssektor sachlich
zuständigen Stellen (Ministerien, Länder, Interessensvertretungen). Erste Sondie-
rungen haben ergeben, dass der Spielraum für Konzessionen im Dienstleistungs-
bereich generell beschränkt ist. Es wird jedoch notwendig sein, insbesondere dort,
wo die internationale Arbeitsteilung schon heute weit fortgeschritten ist, eine
pragmatische Haltung an den Tag zu legen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
Marktöffnungen im GATS mit speziellen Bedingungen verknüpfbar sind.

Antwort zu den Punkten 10 und 11 der Anfrage:

Derzeit sind im Bildungs- und Erziehungsbereich seitens der EU abgesehen von
Forderungen an die USA im privat finanzierten Bildungssektor keine Forderungen
und Angebote geplant. Eine weitere Auflistung nach Sektoren und Dienstleistungser-
bringungsart erübrigt sich daher.

Auch Österreich fasst im genannten Bereich keine Forderungen oder zusätzliche
Angebote zu den bereits bestehenden GATS-Verpflichtungen im primären und
tertiären Bildungsbereich ins Auge.


Antwort zu den Punkten 12 und 13 der Anfrage:

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das GATS als Instrument zur Liberalisierung des
Handels von seiner Konzeption her weder in die national gewachsene Struktur des
Bildungssektors noch in die Struktur anderer Sektoren eingreift. Die Liberalisierung
des Handels beinhaltet nicht den öffentlichen Bildungssektor, der Leistungen
gemeinwirtschaftlich einem breiten Bevölkerungskreis zur Verfügung stellt. In den
meisten Staaten - auch in Österreich - existiert parallel zu den öffentlichen
Bildungseinrichtungen ein privates Angebot, das in der Regel das öffentliche
Bildungsangebot in sinnvoller Weise ergänzt. Handelsliberalisierung im Bildungs-
sektor bezieht sich stets auf letzteres Segment. Für einen wettbewerbsfähigen
Bildungsstandort sind beide Bereiche von Bedeutung. Des weiteren ist zu beachten,
dass Marktöffnungsverpflichtungen im Sinne des GATS auch mit Auflagen für private
Anbieter verbunden werden können.

Die von Gewerkschaften, NGOs und studentischen Organisationen geäußerte Kritik
wird nicht geteilt. Das GATS garantiert das souveräne Recht jedes Staates,
wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Aktivitäten innerhalb seines Staatsgebietes
auf Grundlage seiner eigenen politischen Zielsetzungen zu regulieren und zu ge-
stalten. Es enthält auch keinen Automatismus zur Deregulierung oder Privatisierung
von öffentlichen Dienstleistungen. Wie der Staat oder die jeweilige Regierung ihre
Verantwortung im Hinblick auf den Bildungsbereich wahrnimmt, wird durch das
GATS nicht determiniert. Das GATS enthält dazu weder direkte noch indirekte
Vorgaben. Der große Gestaltungsspielraum des GATS ermöglicht es den Regie-
rungen bei Verpflichtungen, welche die Liberalisierung des Handels betreffen, auf
die sozialen und gesellschaftlichen Bedürfnisse individuell Bedacht zu nehmen.


Antwort zu Punkt 14 der Anfrage:

Das Gesundheitswesen zeichnet sich durch seine Systemvielfalt und durch Unter-
schiede in der Organisation bei den einzelnen WTO-Mitgliedern aus. Grundsätzlich
ist festzuhalten, dass das GATS diese Vielfalt und die Unterschiede voll anerkennt.

Die EU-Forderungslisten werden keine Anträge zur Liberalisierung des Handels mit
Gesundheitsdienstleistungen im weiteren Sinn enthalten. Forderungen von anderen
Staaten sind derzeit nicht bekannt.

Ein zufriedenstellendes und qualitativ hoch stehendes Angebot von universellen
Gesundheitsdienstleistungen ist für jeden Staat von großer Bedeutung. Obwohl bei
der Handelsliberalisierung auch die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten sowie der
technische Fortschritt eine wichtige Rolle in den Überlegungen spielen, ist bei den
Gesundheitsdienstleistungen auf die gewachsenen staatlichen und/oder halbstaat-
lichen Strukturen besonders Bedacht zu nehmen. Soweit heute abschätzbar, ist in
diesem Bereich nicht mit Forderungen oder Angeboten zu rechnen, welche geeignet
sein könnten, die (öffentliche) Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Frage zu
stellen.

Antwort zu Punkt 15 der Anfrage:

Ein wettbewerbsfähiger Telekommunikationsmarkt ist sowohl für die Wirtschaft als
auch für die Konsumenten von großer Bedeutung und fördert das Wachstum in
anderen Sektoren. Die EU spielte bei der Liberalisierung des Telekommunikations-
sektors eine Vorreiterrolle. Der gesamte EU-Markt ist bereits heute voll geöffnet und
es bestehen keinerlei GATS-relevante Beschränkungen für ausländische Anbieter.
Das liberale EU-Regime im Telekommunikationssektor ist zwischenzeitig in den
Listen zum vierten Protokoll zum GATS verbrieft, das 1998 in Kraft trat.

Bisher haben im GATS im Telekommunikationsbereich 79 Mitglieder ihren Markt voll
oder teilweise geöffnet. Die EU besitzt in diesem Bereich eine Reihe sehr wettbe-


werbsstarker Unternehmen. Die Forderungen der EU werden auf den Abbau von
Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der Anbieter sowie Beschränkungen für
Auslandsinvestitionen abzielen. Ferner wird die EU auf die Annahme des Referenz-
papiers für Basistelekommunikationsdienste drängen, das Grundregeln über die
Unabhängigkeit der Regulatoren, die Zusammenschaltung, Universaldienstleis-
tungen, Lizenzerteilung, Wettbewerb, Universaldienste und den Zugang zu Frequen-
zen enthält.

Bei den Forderungen im Telekommunikationsbereich wird kein Grund für Zurück-
haltung gesehen. Die bestehenden EU-Verpflichtungen haben Vorbildfunktion und
es kann mit gutem Grund erwartet werden, dass andere WTO-Mitglieder dem
positiven EU-Beispiel folgen.

Forderungen von anderen Ländern liegen in diesem Bereich derzeit nicht vor.

Antwort zu Punkt 16 der Anfrage:

Für den Bereich der Finanzdienstleistungen gilt ähnliches wie für die Telekommuni-
kation. Die EU hat ihren Markt im GATS bereits heute weitgehend geöffnet. Es
überwiegen daher die offensiven Interessen gegenüber den defensiven.

Auf Seiten Österreichs existieren im Bankenbereich keine nennenswerten GATS-
relevanten Beschränkungen. Bei den Versicherungsdienstleistungen springt hin-
gegen die erhöhte Versicherungssteuer beim Abschluss von Versicherungen mit in
Drittstaaten ansässigen Versicherern sowie das Werbe- und Vermittlungsverbot für
nicht in der EU niedergelassene Versicherer ins Auge. Mangels konkreter Forde-
rungen ist das Schicksal dieser Beschränkungen momentan nicht absehbar.


Antwort zu Punkt 17 der Anfrage:

Die Bedenken hinsichtlich des Ausverkaufes der heimischen Wasservorräte bzw.
einer allfälligen Verschlechterung der Qualität und Kontrollmöglichkeit kommunaler
Wasserdienstleistungen im Rahmen des GATS werden nicht geteilt. Die Wasserver-
sorgung ist ein gutes Beispiel, um existierende Missverständnisse in Bezug auf das
GATS aufzuzeigen.

Zunächst ist zu bemerken, dass das GATS nur den Dienstleistungsaspekt (Ver-
teilung von Wasser bzw. Wasserleitungen und damit zusammenhängende Dienst-
leistungen) abdeckt. Die Verfügungsgewalt bzw. der Zugriff auf die Ressource
Wasser fällt nicht unter den Anwendungsbereich des GATS, da es sich dabei nicht
um eine Dienstleistung, sondern um eine Ware handelt.

Folgende Gestaltungsmöglichkeiten, alle mit den Grundprinzipien des GATS verein-
bar, stehen den Mitgliedern bei der Wasserversorgung zur Verfügung:

-   die Versorgung kann als privates oder öffentliches (Gebiets) Versorgungsmonopol
aufrecht erhalten werden;

-   Öffnung der Versorgung für den Wettbewerb, der Zugang bleibt jedoch nationalen
Firmen vorbehalten;

-   die Versorgung kann für inländische und ausländische Anbieter geöffnet werden,
ohne dass im GATS eine Bindung eingegangen wird (autonome Liberalisierung);

-   volle oder eingeschränkte Öffnung der Versorgungsdienstleistungen für Ausländer
mit expliziter Verpflichtung für Marktzugang und Inländerbehandlung wie im GATS
definiert.

Selbst bei einer vollständigen Marktöffnung im Sinne des GATS hätten ausländische
wie inländische Anbieter die innerstaatlichen Vorschriften (beispielsweise betr.
Sicherheit, Qualität, Preise, Zugang zur Ressource, Universaldienstleistungspflicht,
etc.) zu befolgen. Im Hinblick auf diese Vorschriften normiert das GATS eine
transparente Anwendung; außerdem sollen versteckte Diskriminierungen, welche die


Verpflichtung zum Marktzugang unterlaufen können, vermieden werden. Was für die
Wasserversorgung zutrifft, gilt für alle vom GATS erfassten Dienstleistungsbereiche.

Österreichischerseits ist jedoch im Rahmen des GATS keine Liberalisierung dieses
Bereiches geplant.

Antwort zu Punkt 18 der Anfrage:

Diese Befürchtungen werden nicht geteilt. Wie schon mehrfach zum Ausdruck ge-
bracht, ist es unrichtig zu behaupten, dass das GATS seine Mitglieder zur Liberali-
sierung zwingt. Jedem Mitglied steht es frei, Dienstleistungen der öffentlichen Da-
seinsvorsorge vom internationalen Wettbewerb auszunehmen.

Der angeführte Bereich der öffentlichen Pensionen stellt überhaupt ein schlechtes
Beispiel dar, da die verpflichtenden Sozialversicherungssysteme, zu denen auch die
öffentliche Pensionsversicherung zählt, explizit vom GATS ausgenommen sind. Es
ist daher auszuschließen, dass anfällige Verschlechterungen in diesem Bereich ihre
Ursache im GATS haben.

Antwort zu Punkt 19 der Anfrage:

Die hier aufgezeigten Probleme stehen in keiner Verbindung zum GATS. Generell ist
zu bemerken, dass solche fehlerhaften Entwicklungen ihre Ursache meistens in der
einseitigen Ausrichtung haben, öffentliches Eigentum oder Monopole durch privates
Eigentum (Monopole) zu ersetzen, ohne flankierende Regeln für den funktionieren-
den Wettbewerb oder beispielsweise zum Schutz von Armen vorzusehen.


Antwort zu Punkt 20 der Anfrage:

Bereits 1996 gab es eine Kommissionsmitteilung zum Thema Dienste von allge-
meinem Interesse (“Daseinsvorsorge"). Bei den Leistungen der Daseinsvorsorge
handelt es sich um gemeinwirtschaftliche Dienstleistungen, welche der Staat vor-
schreibt, fördert oder selbst zu Verfügung stellt. Sie reichen vom Universaldienst der
Post über öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehgesellschaften bis zu deutschen
Landesbanken und Sparkassen. Eine am Rat für Binnenmarkt, Konsumentenschutz
und Tourismus am 28. September 2000 vorgelegte Mitteilung aktualisierte die bereits
bestehende. Das Thema “Dienstleistungen des allgemeinen Interesses" wurde
ebenso während des finnischen EU-Vorsitzes zu einem Schwerpunktthema erklärt
(Konferenz in Helsinki am 9. und 10. September 1999).

Die Kommission hat im vergangenen Jahr einen Bericht über die Leistungen der Da-
seinsvorsorge - adressiert an den Europäischen Rat von Laeken - vorgelegt. Hierbei
wurde besonders auf die Erfordernisse “Transparenz" und “Rechtssicherheit" hinge-
wiesen. Nach einer ersten Phase, nämlich der Festlegung eines gemeinschafts-
rechtlichen Rahmens für staatliche Beihilfen im Bereich der Daseinsvorsorge (2002),
seien in einer zweiten Phase Gruppenfreistellungen festzulegen. Die Erstellung einer
Rahmenrichtlinie sei ebenfalls zu überdenken.

Auch der Europäische Rat von Barcelona forderte von der Kommission eine Mittei-
lung ein, die insbesondere die Methodik betrifft, wie die weitere Vorgehensweise der
Kommission abgestimmt werden solle. Die Kommission hat am 18. Juni 2002 einer
Mitteilung zugestimmt, in der das Verfahren zur Ermittlung der “Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse" definiert ist. Hierbei handelt es sich um die wesentlichen
Dienstleistungen wie Transport, Energie, Post und Telekommunikation, die von den
Bürgern und Geschäftsleuten benötigt werden. Das Ziel besteht darin, die Qualität
dieser Dienstleistungen in der EU zu verbessern, wozu herausgefunden werden
muss, in welcher Weise allen Bürgern der Zugang zu den qualitäts- und wertvollsten
Diensten gewährleistet werden kann.


Der Europäische Rat von Sevilla am 21. und 22. Juni 2002 hat in den Schlussfolge-
rungen Kenntnis von der Mitteilung der Kommission zu der Evaluierungsmethode im
Rahmen der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ge-
nommen und die Kommission aufgefordert, dem Europäischen Rat von Kopenhagen
über den Stand der Arbeiten im Bereich der Leitlinien für die staatlichen Beihilfen
Bericht zu erstatten.

Antwort zu Punkt 21 der Anfrage:

Beim GATS handelt es sich um ein ausgewogenes Abkommen, das den unter-
schiedlichen sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in den ein-
zelnen Staaten Rechnung trägt.

Für das Rahmenabkommen wird momentan kein akuter Reformbedarf gesehen.
Vorerst erscheinen die im GATS bereitgehaltenen Mittel und Wege ausreichend, um
einen adäquaten Schutz des staatlichen Rechtes zur Regulierung zu gewährleisten.

Antwort zu Punkt 22 der Anfrage:

Der Fokus des österreichischen Außenhandels mit Dienstleistungen liegt mehr im
europäischen Ausland. Das GATS spielt in dieser Relation eine untergeordnete
Rolle, da es durch Integrations- bzw. präferenzielle Abkommen überlagert wird.

Die Anliegen der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung in Bezug auf
das GATS sind daher eher genereller Natur, da es schwer ist, konkrete Firmeninte-
ressen ausfindig zu machen. Eine dieser Forderungen bezieht sich beispielsweise
auf die möglichst weitgehende Beseitigung von Beschränkungen beim “establish-
ment trade" (der ausländische Dienstleister ist im Empfangsstaat der Dienstleistung
niedergelassen) in jenen Dienstleistungsbereichen, wo dies auch in Österreich ohne
Einschränkungen zulässig ist.


Bei der Bewegung von Personen zum Zwecke der Dienstleistungserbringung stehen
zwar meistens defensive und arbeitsmarktpolitische Überlegungen im Vordergrund,
es gibt jedoch auch Stimmen, die für österreichische Auslandsinvestitionen Vorteile
darin erblicken, zumindest die Bewegung von Schlüsselpersonal im Rahmen des
GATS einheitlich und verbindlich zu gestalten.

Antwort zu Punkt 23 der Anfrage:

Weder von der Arbeiterkammer noch vom ÖGB sind konkrete Liberalisierungs-
wünsche bzw. -forderungen bekannt.

Bei der Bewegung von Personen zum Zweck der Dienstleistungserbringung werden
weitere Öffnungen kategorisch abgelehnt, da negative Auswirkungen auf den
Arbeitsmarkt befürchtet werden.

In einem Positionspapier der Arbeiterkammer zu den GATS-Verhandlungen vom
Juni 1999 wird die vage Bereitschaft zur Öffnung in bestimmten Bereichen (Nieder-
lassung, Finanzdienstleistungen, Post, Straßenverkehr, Luftverkehr, Umwelt, Ener-
giedienstleistungen) häufig mit Forderungen in flankierenden Politikbereichen, die
mit dem GATS unmittelbar nichts zu tun haben, verknüpft.

Zu nennen wären hier insbesondere die Forderung nach Festschreibung der sozi-
alen Grundrechte in der WTO sowie die Betonung der in Österreich geltenden
Sozialnormen, Umweltnormen sowie Konsumentenschutzvorschriften. Es gehört zu
den wesentlichen Merkmalen der WTO und des GATS, dass die einschlägigen
nationalen Regelungen auf diesen Gebieten durch die Handelsliberalisierung nicht
unterlaufen werden; auch bei voller Marktöffnung im Sinne des GATS gelten für
Ausländer die selben Regelungen wie für Inländer.