385/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
haben an den Bundesminister für Justiz eine schriftliche Anfrage betreffend „die
anti - homosexuelle Sonderstrafbestimmung § 209 StGB“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 und 2:
Auf Grund der aus Anlass dieser Anfrage eingeholten Berichte ergibt sich Nachste -
hendes:
Das Landesgericht Linz hat in einem Fall die Untersuchungshaft wegen des Ver -
dachtes des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18
Jahren verhängt. Hiebei handelte es sich um einen unbescholtenen Ersttäter. Das
Landesgericht für Strafsachen Wien hat in vier Fällen die Untersuchungshaft in der -
artigen Verfahren verhängt, wovon in zwei Fällen unbescholtene Personen betroffen
waren. Letztlich verhängte das Landesgericht Leoben in einer derartigen Strafsache
die Untersuchungshaft. Auch dieser Fall betraf einen unbescholtenen Beschuldig -
ten. In allen übrigen Gerichtssprengeln wurden keine Untersuchungshaften in Straf -
verfahren wegen § 209 StGB verhängt.
Das Landesgericht Linz verhängte in einem Fall über einen unbescholtenen Täter
eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten, wovon 6 Monate bedingt nachgesehen wurden.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte ebenso in einem einzigen Fall
eine teilbedingte Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten, wovon 12 Monate be -
dingt nachgesehen wurden. Das Landesgericht Feldkirch schließlich verhängte in
einem Fall eine unbedingte Geldstrafe im
Ausmaß von 300 Tagessätzen, verbunden
mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die bedingt nachgesehen wurde. Bei allen
übrigen Gerichtshöfen wurden in Verfahren wegen § 209 StGB weder teilbedingte
noch unbedingte Freiheitsstrafen über unbescholtene Personen verhängt.
Hiezu ist allerdings ergänzend festzuhalten, dass Strafverfahren wegen § 209 StGB
nicht gesondert in den elektronischen Registern erfasst werden und es den Staats -
anwaltschaften teilweise mangels statistischer Unterlagen lediglich möglich war, auf
Grund der persönlichen Erinnerungen der damit befassten Staatsanwälte sowie des
Kanzleipersonals zu berichten.
Für das Jahr 1999 liegen dem Bundesministerium für Justiz noch keine statistischen
Daten auf Grund der - vom Österreichischen Statistischen Zentralamt (nunmehr:
Bundesanstalt Statistik Österreich) herausgegebenen - Gerichtlichen Kriminalstati -
stik vor.
Zu 3:
Nach den mir vorliegenden Berichten befindet sich zur Zeit in den österreichischen
Justizanstalten lediglich eine ausschließlich wegen des Deliktes nach § 209 StGB
verurteilte Person in Strafhaft.
Acht weitere Personen befinden sich in Strafhaft, die neben anderen Delikten auch
wegen des Deliktes nach § 209 StGB verurteilt worden sind.
Zwei Personen, die neben anderen Delikten auch wegen § 209 StGB verurteilt wor -
den sind, befinden sich gemäß § 21 Abs. 2 StGB im Maßnahmenvollzug.
Zu 4:
Zunächst möchte ich anmerken, dass der (mit der österreichischen Rechtslage nicht
unmittelbar vergleichbare) Fall Sutherland vom Europäischen Gerichtshof für Men -
schenrechte noch nicht entschieden ist.
Den Fragestellern ist bekannt, dass der Nationalrat mehrmals mit der Frage einer
Streichung oder Änderung des § 209 StGB befasst war. So fand sich in der Abstim -
mung des Nationalrats über das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 und verbundene
Initiativanträge am 27.11.1996 keine Mehrheit für eine Streichung des Tatbestan -
des, ebensowenig wurden anlässlich der Abstimmung über das Strafrechtsände -
rungsgesetz 1998 Abänderungsanträge zur Streichung des § 209 StGB angenom -
men.
Im Übrigen gehört § 209 StGB bis zu einer anderen Entscheidung des Gesetzge -
bers dem geltenden Rechtsbestand an und ist somit von den Justizbehörden anzu -
wenden. Davon ausgehend kann nicht gesagt werden, dass die Verhängung der
Untersuchungshaft oder die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe - auch angesichts
der Höhe der Strafdrohung - generell und in jedem Fall unverhältnismäßig wäre; die -
se Frage wird vielmehr anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurtei -
len sein.
Zu 5 und 6:
In der Vorgehensweise ein Gnadenverfahren bei Strafverfahren wegen § 209 StGB
sind keine von sonstigen Strafverfahren abweichende Kriterien anzuwenden. Im Üb -
rigen verweise ich auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage zur
Zahl 5551/J - NR/1999 vom 16. März 1999, Punkt 28, durch Bundesminister a.D.
Dr. Michalek.