3906/AB XXI.GP
Eingelangt am: 19.07.2002
BM für Landesverteidigung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag.
Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am 21. Mai 2002
unter
der Nr. 3898/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
"Traditionspfle-
ge des
österreichischen Bundesheeres im Zusammenhang mit Widerstand und
Verweigerung gegen
den
Nationalsozialismus" gerichtet. Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu 1:
Hiezu verweise ich auf die
grundlegenden Ausführungen im Erlass vom 8. Oktober 2001 (“Traditi-
onserlass"),
wo es heißt: “Das Dritte Reich als ein Unrechtsregime und die
Deutsche Wehrmacht als
dessen
missbrauchtes Instrument können Tradition im Bundesheer nicht
begründen, da sich der
Dienst
in den österreichischen Streitkräften der Zweiten Republik an den
Grundprinzipien der öster-
reichischen
Verfassung und des Völkerrechtes orientiert. Wohl können aber
vorbildhafte und im
Einzelfall
zu prüfende Verhaltensweisen von Österreichern in der Deutschen
Wehrmacht und von
Frauen
und Männern des proösterreichischen Widerstandes ein Element der
Traditionspflege sein."
Zu 2:
Namensgeberinnen bzw. Namensgeber von Kasernen
müssen belegbare, nachahmenswerte Hand-
lungen mit vorbildlichem
Charakter im Sinne der für den Dienst im Bundesheer maßgeblichen
Grundprinzipien der österreichischen
Verfassung und des Völkerrechts vollbracht haben. Die Beur-
teilung dieser Voraussetzung erfolgt
durch die militärhistorische Denkmalkommission.
Zu 3:
Bei der Beurteilung von Personen
hinsichtlich der Namensgebung für Kasernen sind Fälle aufge-
treten,
bei denen neben hervorragenden, nachahmenswerten Leistungen etwa die
Mitgliedschaft in
einer
nationalsozialistischen Organisation zu Tage kam oder wo kein eindeutiger
Nachweis von
Aktivitäten
im proösterreichischen Widerstand gefunden werden konnte. In derartigen
Fällen ist zu
befürchten,
dass eine Namensgebung Missverständnisse oder Risse in der Gesellschaft
verursachen
könnte.
Zu 4:
Nein.
Zu
5:
Die Benennung von Kasernen hat neben
vorbildhaftem Verhalten in der Deutschen Wehrmacht und
im
proösterreichischen Widerstand zahlreiche andere, militärhistorische
Anknüpfungspunkte einer
mehrhundertjährigen
Tradition zu berücksichtigen. Bisher wurden nach Widerstandskämpfern
die
Heckenast-Burian-Kaserne
und die Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne, beide in Wien, benannt.
Dagegen kann Befehlsverweigerung, wenn
sie nicht in direktem Zusammenhang mit nachweisbaren
Aktivitäten
im proösterreichischen Widerstand steht, mit Rücksicht auf die
geltende Rechtsordnung
keine
Grundlage für die Benennung von Kasernen bilden, da Ungehorsam ein mit
Freiheitsstrafe
bedrohter,
militärstrafrechtlicher Tatbestand ist.
Zu 6 und 7:
Sofern sich durch Errichtung von
neuen Standorten dafür ein Bedarf ergibt, wird die militärische
Denkmalkommission,
die sich zuletzt mit Anträgen betreffend Oberstleutnant im Generalstab Ro-
bert Bernardis, Feldmarschallleutnant Johann Friedländer, General Emil
Spanocchi und Frau Lise
Meitner befasst hat, selbstverständlich auch diesbezügliche
Erwägungen anstellen. Derzeit liegen
keine
konkreten Benennungsprojekte vor.
Zu 8:
Neben den zu Frage 5 genannten Kasernen besteht ein
Denkmal für Oberstleutnant Josef Ritter von
Gadolla (geboren 1897 in Graz, 1945 wegen kampfloser Übergabe der Stadt in
Gotha standrechtlich
hingerichtet)
im Fliegerhorst Nittner in Graz sowie ein Mahnmal für die durch das
NS-Regime exe-
kutierten
Personen am Übungsplatz Feliferhof bei Graz.
Zu 9, 10 und 12:
Nein. Desertion kann mit
Rücksicht auf die geltende Rechtsordnung keine Grundlage für die Be-
nennung
von Kasernen bilden.
Die gegenwärtige Beurteilung von
Desertion muss sich an den geltenden Gesetzen orientieren, die
diesen
Tatbestand als Straftat qualifizieren. Im Sinne der Rechtsstaatlichkeit sehe
ich für die Voll-
ziehung
keine Möglichkeit, von dieser gesetzlich determinierten Bewertung
abzugehen.
Zu 11 und 13:
Diese Fragen betreffen nicht die Vollziehung des Bundesministeriums für Landesverteidigung.
Zu 14:
Die Zusammenarbeit mit dem Österreichischen
Kameradschaftsbund erfolgt auf Grundlage der
Richtlinien für Zusammenarbeit mit
Vereinen. Diesbezügliche Kontakte werden vom Bundesmini-
sterium für Landesverteidigung
mit dem Bundesverband, seitens der Militärkommanden mit den
Landesverbänden und Ortsgruppen
wahrgenommen. Die in der Frage angesprochene Arbeitsge-
meinschaft ist aus den in diesem
Zusammenhang vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.
Zu 15:
Das Grab von Major Walter Nowotny ist
ein Ehrengrab, dessen Kosten von der Stadt Wien getragen
werden.
Aktivitäten im Sinne der Fragestellung sind in der noch
überschaubaren Vergangenheit
nicht
erfolgt.
Zu 16:
Seit dem Inkrafttreten des Erlasses wurde das zu Frage 8
erwähnte Denkmal für Oberstleutnant Jo-
sef Ritter von Gadolla
errichtet, darüber hinaus wird derzeit die Möglichkeit der
Würdigung von
Obstlt Julius Schlegl (Retter der
Kunstschätze des Monte Cassino) geprüft. An weiteren Aktivitäten
im Sinne der Fragestellung sind
(auszugsweise, da lokale Aktivitäten im Rahmen des alltäglichen
Ausbildungsbetriebes nicht zentral
erfasst werden) zu nennen:
*
regelmäßige Kranzniederlegung bei dem durch Soldaten des
Militärkommandos Wien gemein-
sam mit
dem Schwarzen Kreuz renovierten jüdischen Heldendenkmal am Wiener
Zentralfriedhof
zu
Allerseelen;
*
Benefizkonzerte der Gardemusik, deren Erlös der Erhaltung und
Weiterführung des durch Sol-
daten des Militärkommandos Wien in der Nähe von Tel Aviv gepflanzten
“Ehrenwaldes" für jü-
dische
k.u.k.-Soldaten, die Opfer des Holocaust wurden, zukommt;
* regelmäßige
Teilnahme von Soldaten der Garnison Wien an den Gedenkfeiern im Parlament und
von
Soldaten des Militärkommandos Oberösterreich an den Gedenkfeiern in
der Gedenkstätte
Mauthausen
anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen.
* regelmäßige
Kranzniederlegungen durch Soldaten des Militärkommandos Steiermark am
Denk-
mal
für Häftlinge des KZ-Nebenlagers Aflenz und bei der Gedenkstätte
Feliferhof am Tag der
Menschenrechte
(10. Dezember) sowie Allerseelenfeier beim Mahnmal am Grazer Zentralfried-
hof und bei den Gräbern der im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen
Soldaten am Friedhof der
israelitischen
Kultusgemeinde in Graz;
* regelmäßige
Ausholzungsarbeiten durch Soldaten des Militärkommandos
Oberösterreich im
Steinbruch Wiener Graben, Gedenkstätte
Konzentrationslager Mauthausen;
* Ermöglichung
des Besuches des Filmes “Schindlers Liste" für Soldaten sowie
inhaltliche Aufar-
beitung;
* Herausgabe
und Verteilung der Publikation “FML Johann Friedländer, 1882-1945 -
ein verges-
sener
Offizier des Bundesheeres" von Martin Senekowitsch;
* Herausg. u.
Verteilung der Publikation “Josef Ritter von Gadolla. Ein
österreichisches Offiziers-
leben in
der k.u.k. Armee, im Bundesheer und in der Wehrmacht" v. Obst i.R. Egon
Ehrlicher;
*
Unterstützung des Druckes / Nachdruckes sowie Verteilung der Publikation
“Robert Bernardis -
Österreichs
Stauffenberg" von Karl Glaubauf;
* Herausgabe
und Verteilung der Publikation “Gleichberechtigte in einer großen
Armee. Zur Ge-
schichte
des Bundes Jüdischer Frontsoldaten Österreichs 1932-38" von
Martin Senekowitsch;
* Publikation der Studie “Feliferhof" von Univ.Prof. Dr. Stefan Karner (auch im Internet).
* Unterstützung der Dreharbeiten zum Film “Die Hoffnung"