3936/AB XXI.GP

Eingelangt am: 25.07.2002

BUNDESMINISTERIUM für
WIRTSCHAFT und ARBEIT

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 4025/J betreffend
Verhandlungen der Welthandelsorganisation zu Gesundheitsdienstleistungen, wel-
che die Abgeordneten Mag. Maria Kubitschek, Kolleginnen und Kollegen am 12. Juni
2002 an mich richteten, stelle ich fest:

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

Das GATS ist in Bezug auf die erfassten Dienstleistungen bzw. Dienstleistungsakti-
vitäten umfassend angelegt. Wenn man von den öffentlichen Dienstleistungen und
bestimmten Luftverkehrsdienstleistungen (Verkehrsrechte und mit der Ausübung
dieser im Zusammenhang stehende Dienstleistungen) absieht, ist keine Dienstleis-
tung a priori vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen. Eine gute Orientie-
rung bietet die sektorielle WTO-Dienstleistungsklassifikationsliste (MTN.GNS/W/ 120
vom 10. Juli 1991).

In der WTO-Klassifikation wird in weiterer Folge auf die korrespondierenden Be-
schreibungen der “Provisional Central Product Classification" der Vereinten Natio-
nen/CPC (VN-CPC, Series M No.77, 1991) verwiesen, welche die Dienstleistungs-
aktivitäten näher definieren. Begriff und Umfang der Finanzdienstleistungen finden
sich wiederum im “Anhang über Finanzdienstleistungen".


Sämtliche im GATS verwendeten Definitionen und Klassifikationen sind rechtlich un-
verbindlich. Sie dienen nur als Orientierungshilfe und werden permanent weiter-
entwickelt. Jedem Mitglied steht es grundsätzlich frei, jene Aktivitäten auszuwählen
oder zu definieren, für die es ausländischen Dienstleistungserbringern freien oder
bedingten Marktzugang gewährt.

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

Die erwähnten Dienstleistungsaktivitäten sind vom GATS erfasst. Die spezielle Ar-
chitektur des GATS (“bottom-up approach") erlaubt es den WTO-Mitgliedern jedoch,
autonom (individuell) eine Auswahl jener Sektoren zu treffen, bei denen sie Ver-
pflichtungen (Bindungen) bezüglich Marktzugang und/oder Inländerbehandlung ein-
zugehen beabsichtigen.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat keine spezifische Studie erar-
beitet, welche die bisherigen Folgen des GATS-Abkommens bewertet. Derzeit läuft
auf EU-Ebene ein umfassendes “sustainability impact assessement (SIA)" Projekt,
durchgeführt von unabhängigen Experten, welches die Auswirkungen der Handelsli-
beralisierung auf die Nachhaltigkeit analysieren soll. Die Dienstleistungen sind in der
Studie mitumfasst.

Verwiesen wird auch auf diverse Publikationen der WTO und der OECD, jeweils ab-
rufbar auf deren Homepage. Hervorgehoben sei der “Review of statistics on trade
flows in services" (S/C/W/27 Add.1, 30. Oktober 2000) des WTO-Sekretariates und
die Publikation der OECD mit dem Titel “GATS: The Case for Open Services Ma-
kets". Letztere enthält neben einem Überblick über die empirische Evidenz der Vor-
teile offener Dienstleistungsmärkte auch eine Bibliografie von zahlreichen allgemei-
nen und sektorspezifischen Studien/Untersuchungen rund um die Dienstleistungen
und den Dienstleistungshandel.


Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

Die Gesundheitsdienstleistungen bilden eine eigene Kategorie im Rahmen der
GATS-Dienstleistungsklassifikation. Diese umfasst “Hospital Services", “Other Hu-
man Health Services", “Social Services" sowie die Restkategorie “Other", Die ange-
führten Aktivitäten werden in der VN-CPC unter den Nummern 9311, 9319 und 933
näher erläutert und beschrieben; für die Restkategorie “Other" besteht keine korres-
pondierende CPC-Definition.

Österreich hat sich bereits in der Uruguay-Runde in den Bereichen Krankenanstal-
ten, sonstige Gesundheitsdienstleistungen durch örtliche Gesundheitseinrichtungen
wie Kurhotels und Heilbäder sowie bei den sozialen Diensten verpflichtet. Mode 1
(grenzüberschreitender Dienstleistungshandel) ist aufgrund technischer Unverein-
barkeit generell von der Verpflichtung ausgenommen. Bei mode 3 (Niederlassung)
besteht hinsichtlich der Krankenanstalten eine Einschränkung in Form einer Be-
darfsprüfung, bei den beiden anderen Kategorien wird voller Marktzugang und Inlän-
derbehandlung gewährt. Bei mode 4 (Personenbewegung zum Zweck der Dienst-
leistungserbringung) erstreckt sich die österreichische GATS-Bindung auf den im
horizontalen Teil der Verpflichtungsliste definierten begünstigten Personenkreis.

Erwähnenswert ist, dass sich die österreichischen Verpflichtungen nur auf das kom-
merzielle Segment der Gesundheitsdienstleistungen beziehen. Jene öffentlichen
Dienstleistungen, die auf einer nicht kommerziellen Basis bereitgestellt werden, sind
von den Verpflichtungen und den laufenden GATS-Verhandlungen ausgenommen.
Dieser Grundsatz ist für alle WTO-Mitglieder von großer Bedeutung und es gibt auch
keinerlei Anzeichen, dass er künftig in Frage gestellt werden wird.

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

Grundsätzlich sind sowohl bestehende - in der österreichischen Länderliste bereits
eingetragene - Beschränkungen des Marktzuganges und der Inländerbehandlung
als auch solche in Sektoren, bei denen sich Österreich in der Uruguay-Runde nicht
verpflichtet hat, Gegenstand der laufenden GATS-Verhandlungen.


Jede der bestehenden und potentiellen Beschränkungen ist getrennt zu beurteilen.
Derzeit läuft im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gerade eine Erhebung
über das österreichische Liberalisierungspotential für die GATS-Verhandlungen.
Diese Erhebung ist noch unvollständig. Erste Ergebnisse zeigen jedoch, dass in ein-
zelnen sensiblen Bereichen GATS-Bindungen/Liberalisierungen kaum oder nur unter
bestimmten Auflagen möglich erscheinen. Beispielhaft erwähnt seien Dienstleistun-
gen, bei deren Bereitstellung in Österreich die öffentliche Hand eine zentrale Rolle
einnimmt, obwohl Wettbewerb grundsätzlich erlaubt ist (Gesundheit, Bildung),
Dienstleistungen von Ärzten, Dentisten und Apotheken, Überlassung von Arbeits-
kräften, Straßentransport oder der beim Dienstleistungshandel mitumfasste Bereich
der vorübergehenden Personenbewegung.

Die österreichische Verhandlungsposition hängt außerdem von der Formulierung
und vom konkreten Inhalt der von den WTO-Partnern an die EU und ihre Mitglied-
staaten gerichteten Forderungen ab.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Die Folgen eines Wegfalls dieser Eintragung werden als gering eingeschätzt und
zwar deshalb, da Maßnahmen, die eine Störung oder Beeinflussung von Arbeits-
kämpfen oder Tarifpartnerverhandlungen verhindern sollen, nach Auffassung des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit unter den generellen Ausnahmetatbe-
stand des GATS subsumiert werden können.

Nichtsdestotrotz besteht momentan nicht die Absicht, österreichischerseits auf diese
Eintragung zu verzichten. Es liegen derzeit auch keine konkreten Forderungen von
WTO-Mitgliedern in diese Richtung vor.

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

Diese Eintragung stellt keine Beschränkung des Marktzuganges dar, wie es der
zweite Teil der Fragestellung suggeriert. Die zitierte Anmerkung findet sich in der


österreichischen GATS-Liste in der Spalte “Beschränkungen der Inländerbehand-
lung".

Nach Auffassung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit handelt es sich
bei dieser Eintragung nicht um eine Beschränkung, sondern um eine Klarstellung
hinsichtlich des Geltungsbereiches der Verpflichtungen betreffend die Personenbe-
wegung. Da das GATS implizit davon ausgeht, dass die begünstigten Dienstleis-
tungserbringer Arbeitsvorschriften, Sozialversicherungsvorschriften sowie Mindest-
löhne in der selben Weise zu befolgen haben wie Inländer, ist der Mehrwert dieser
Eintragung begrenzt. Von einem Wegfall wären keinerlei negative Konsequenzen zu
erwarten.

Ungeachtet der obigen Ausführung besteht nicht die Absicht, auf diese Klarstellung in der
österreichischen Liste zu verzichten.

Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

Einleitend ist festzuhalten, dass - wie schon erwähnt - sowohl die GATS-
Klassifikation als auch die VN-CPC nur approximative Anhaltspunkte und Orientie-
rungshilfen für die Einordnung von Gesundheitsdienstleistungen darstellen. Jedes
WTO-Mitglied kann die Aktivitäten, die es in seine Verpflichtungsliste aufnimmt,
grundsätzlich auch selbst definieren. Von dieser Methode wird vorzugsweise dann
Gebrauch gemacht, wenn die vorgegebenen Klassifikationsschemata nicht geeignet
sind, die tatsächliche Situation in einem Land unmissverständlich abzubilden.

In der Beilage 1 wird für die drei Bereiche (Krankenanstalten, sonstige Gesundheits-
dienstleistungen und soziale Dienstleistungen) die Beschreibung der VN-CPC in
Form einer Arbeitsübersetzung wiedergegeben.

Hinsichtlich des aktuellen österreichischen Verpflichtungsniveaus bei den Gesund-
heitsdienstleistungen wird auf die Ausführungen zu Frage 4 verwiesen.


Die verpflichtende und freiwillige Krankenversicherung gehört zum Sektor der Fi-
nanzdienstleistungen (Versicherungen). Der Anhang über Finanzdienstleistungen,
integrierender Bestandteil des GATS, nimmt die verpflichtenden (gesetzlichen) Sozi-
alversicherungssysteme (einschließlich Krankenversicherung) jedoch generell vom
Anwendungsbereich des GATS aus. Für die freiwillige Krankenversicherung gelten
im Handel die Marktzugangs- und Inländerbehandlungsbedingungen für kommer-
zielle Versicherungsgeschäfte. Diese sehen bei der Niederlassung von ausländi-
schen Versicherern keine nennenswerten Beschränkungen vor; hingegen ist der
grenzüberschreitende Handel ohne Einschränkungen nur mit bestimmten Versiche-
rungsrisken (Rückversicherung, Rezession) erlaubt.

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

Die EU hat zwischenzeitig Forderungen im Dienstleistungsbereich an 109 WTO-
Mitglieder eingebracht. Die Anträge werden im Namen der Europäischen Gemein-
schaften und ihrer Mitgliedstaaten gestellt.

Die Forderungen sind quantitativ und qualitativ umfassend. Auf den Entwicklungs-
stand der Zielländer wird entsprechend Rücksicht genommen. Die Forderungen
erstrecken sich sektoriell auf die Freien Berufe (außer Gesundheitsberufe), Ge-
schäftsdienstleistungen, Telekommunikation, Post und Kurierdienste, Baudienst-
leistungen, Distributionsdienstleistungen, Umweltdienstleistungen, Finanzdienstleis-
tungen, Energiedienstleistungen, Tourismus- und reisebezogene Dienstleistungen
sowie auf Verkehr/Transport. Keine Forderungen gibt es in den Bereichen audiovi-
suelle und kulturelle Dienstleistungen, Gesundheit sowie Erziehung und Bildung,
wenn man von Forderungen an die USA im privat finanzierten Bildungssektor ab-
sieht. Inhaltlich zielen die Forderungen primär auf die Abschaffung bestehender Na-
tionalitätsvorbehalte und die Beseitigung von Niederlassungsbeschränkungen ab
(z. B. Beschränkungen der Rechtsform oder Deckelung für ausländisches Eigen-
tum). Gefordert werden auch kohärente GATS-Verpflichtungen dort, wo der elektro-
nische Handel als Erbringungsmodus tatsächlich oder potentiell eine wichtige Rolle
spielt.


Der Forderungskatalog greift auch offensichtliche Diskriminierungen in Form natio-
naler Präferenzen, beispielsweise im Steuer- und Subventionsbereich, auf. Im Sinne
von “good governance" werden außerdem undurchsichtige Genehmigungs- und Be-
willigungspraktiken unter die Lupe genommen. Die betreffenden Anträge beschrän-
ken sich mehrheitlich jedoch auf Klarstellungen und zielen nicht automatisch auf de-
ren Eliminierung ab.

Bei der Bewegung von Personen zum Zweck der Dienstleistungserbringung konzent-
rieren sich die Bemühungen darauf, die Verpflichtungen für Schlüsselpersonal, für
Personen, die Geschäfte anbahnen sowie für “contractual service suppliers" (Perso-
nen, die sich zur Erfüllung eines Auftrages vorübergehend im Gastland aufhalten)
auf ein WTO-einheitliches Niveau zu heben, das die wirtschaftlichen und arbeitsteili-
gen Realitäten angemessen reflektiert.

Die Forderungslisten wurden am 18.6.2002 an das österreichische Parlament über-
mittelt. Am 26. Juli 2002 fand im EU-Unterausschuss eine Aussprache zu den
Dienstleistungsverhandlungen im Rahmen des GATS statt, bei der die Forderungen
der EU einen Schwerpunkt bildeten. Im Rahmen des EU-Informationsverfahrens
gemäß Art. 23e B-VG werden dem Parlament laufend sämtliche Berichte der rele-
vanten EU-Gremien (Art. 133-Ausschüsse) zugeleitet.

Bis dato wurden von Japan, der Schweiz, Neuseeland, Singapur, Uruguay, Brasilien,
Kanada, Taiwan, Mauritius, Australien, China, Korea und den USA Forderungen an
die EU und ihre Mitgliedstaaten gerichtet. Die Forderungen werden im Bundesmi-
nisterium für Wirtschaft und Arbeit gesammelt und anschließend den zuständigen
Stellen (Bundesministerien, Interessenvertretungen, Bundesländer) zur Stellung-
nahme weitergeleitet. Eine Kopie der Forderungen wird auch dem österreichischen
Parlament zugänglich gemacht werden.

Eine vollständige Auflistung der Forderungen (in deutscher Sprache) ist momentan
nicht möglich. Erstens liegen noch nicht alle Forderungen vor, zweitens sind die an
die gesamte EU und an Österreich gerichteten Forderungen oft nicht klar trennbar.


Nachstehend werden exemplarisch einige Forderungen Japans und der Schweiz an
Österreich angeführt:

Japan:

¨      Dauer der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen

¨      Bewilligung des Grunderwerbs durch Ausländer

¨      volle Verpflichtung bei Rechtsberatung über Heimatstaatrecht (ähnliches wird
auch von der Schweiz gefordert)

¨      Verpflichtung bei der Erwachsenenbildung

¨      Öffnung des grenzüberschreitenden Handels für Versicherungen in den Berei-
chen See- und Luftverkehr sowie Transport

Schweiz:

¨      Abbau der bestehenden Beschränkungen bei Wirtschaftstreuhanddienstleistun-
gen

¨      Überprüfung   der   erhöhten   Versicherungssteuer   im   grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel

¨      Volle Verpflichtung beim Personentransport
 

Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:

Umfang, Inhalt und Zeitpunkt des Angebots der Europäischen Gemeinschaften und
ihrer Mitgliedstaaten (EU-Angebot) im Rahmen der GATS-Verhandlungen sind mo-
mentan nicht abschätzbar. Das Angebot hängt wesentlich von den bis dato nicht
vollständig eingetroffenen Forderungen der WTO-Partner und den darauf folgenden
bilateralen Verhandlungen ab.

Das österreichische Parlament wird im Rahmen des EU-Informationsverfahrens (Art.
23e B-VG) regelmäßig über den Fortgang bei der Erstellung des EU-Angebotes in-
formiert.


Wie der österreichische Verhandlungsplan nach Einbringung der Liberalisierungsan-
gebote aussieht, ist derzeit nicht vorhersehbar. Die Zeit bis zur Übermittlung des EU-
Angebotes wird für die Informationsbeschaffung genutzt, um im Wege der Europäi-
schen Kommission auf die Forderungen der WTO-Mitglieder sachgerecht reagieren
zu können.

Antwort zu Punkt 11 der Anfrage:

a)   Bisher wurden noch keine Streitfälle vor das “Dispute Settlement Body" (DSB)
gebracht, die als reine GATS-Materie zu betrachten sind. Allerdings gibt es drei
Fälle aus dem Güterbereich, bei welchen die Dienstleistungskomponente eine
bedeutende Rolle gespielt hat. Der bekannteste Fall betraf das EU-Regime für
den Import von Bananen, bei dem unter anderem der “Vertrieb" (Distribution) von
Bananen untersucht wurde. In Folge dieses jahrelangen Streites musste die EU
ihre Importregeln schließlich WTO-konform gestalten.

b) - e) Generell zielt das Streitbeilegungsverfahren der WTO auf die Wiederherstel-
lung eines WTO-konformen Zustandes ab. Dies würde bedeuten, dass die be-
troffene Rechtsvorschrift (österreichisches Gesetz, österreichisches Verfas-
sungsgesetz, primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht) so geändert wer-
den sollte, dass sie WTO-konform ist. Ein absoluter Zwang zu einer solchen
Rechtsänderung besteht jedoch nicht. Ist es nämlich der unterlegenen Streit-
partei aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen unmöglich, innerhalb einer
bestimmten Frist die Erkenntnisse des Panels in dieser Form umzusetzen, so
steht es ihr frei, Kompensationen anzubieten. Im Idealfall werden die Kompen-
sationen zwischen den Streitparteien konsensual ausverhandelt. Sollte keine Ei-
nigung gelingen, so kann es zur Aussetzung von Konzessionen auf Antrag einer
Streitpartei kommen. Auch diese Möglichkeit unterliegt aber der Überprüfung des
Streitschlichtungsorgans und kann bei Dissens zu einer schiedsrichterlichen
Festlegung der Aussetzung von Kompensationen führen (sogenannte “Arbitrati-
on").


f)  Die Auslegung der Vertragsbestimmungen erfolgt ausschließlich durch die Mi-
nisterkonferenz und den Allgemeinen Rat der WTO. Hinsichtlich der Klassifikati-
on von Dienstleistungen wird auf die Frage 1 verwiesen. Klassifikationsfragen
werden im “GATS-Komitee für spezifische Verpflichtungen" erörtert. Allfällige
Änderungen und Anpassungen an die wirtschaftliche Realität dienen rein der O-
rientierung und sind daher unverbindlich. Formelle Beschlüsse sind nicht erfor-
derlich.

g)  Die Frage, ob eine konkrete Bestimmung eines WTO-Mitgliedes den Bestim-
mungen des WTO-Übereinkommens entspricht, kann nur in einem WTO-
Panelverfahren entschieden werden. Panelanträge können grundsätzlich nur
durch WTO-Mitglieder bzw. deren Regierungen gestellt werden. Dies entspricht
dem zwischenstaatlichen Charakter der WTO.

Antwort zu Punkt 12 der Anfrage:

Ein genauer Zeitpunkt für die Beratung der Ergebnisse der WTO-Entwicklungsrunde
durch das österreichische Parlament und deren Ratifizierung ist momentan nicht
vorhersehbar. In der Uruguay-Runde wurde das Datum des Inkrafttretens der Ver-
handlungsergebnisse in der sog. “Schlussakte" (Marrakesch, 15. April 1994) festge-
legt: “Die Vertreter halten es übereinstimmend für wünschenswert, dass das WTO-
Abkommen von allen Teilnehmern an den Multilateralen Handelsverhandlungen der
Uruguay-Runde angenommen wird, damit es am 1. Jänner 1995 oder so früh wie
möglich danach in Kraft tritt".

Die Annahme war aber auch während eines Zeitraumes von zwei Jahren nach dem
1. Jänner 1995 möglich.

Antwort zu Punkt 13 der Anfrage:

Die endgültige Kompetenzordnung nach Abschluss des EU-Konvents ist derzeit nicht
abschätzbar. Sollte im Rahmen der Kompetenzreform für Dienstleistungsverträge
eine ähnliche Regelung Platz greifen wie für Außenhandelsverträge im Warenbe-


reich, werden auch erstere in Hinkunft nur mehr von der EU bzw. den Europäischen
Gemeinschaften abgeschlossen werden.

Es gibt aber auch Ideen ua. für die Personenfreizügigkeit - beim Dienstleistungs-
handel häufig mitberührt - und für den Dienstleistungshandel die gemeinsame (ge-
mischte) Zuständigkeit im Rahmen der im Vertrag von Nizza getroffenen Regelungen
aufrecht zu erhalten.

Zu berücksichtigen ist jedenfalls, dass die EU zwar einerseits in ihrer erweiterten und
vertieften Form handelspolitisch handlungsfähig bleiben muss. Andererseits muss
sichergestellt bleiben, dass auch in Zukunft wichtige nationale Interessen, zumindest
in den im Vertrag von Nizza explizit genannten Dienstleistungsbereichen, nachdrück-
lich und mit Erfolg vertreten werden können.

Antwort zu Punkt 14 der Anfrage:

Die Bemühungen werden kontinuierlich im bisherigen Sinn fortgesetzt und konzent-
rieren sich derzeit, nachdem es sich um ein sehr sensibles, kontroversiell diskutiertes
und daher bisher in der WTO von wenig Erfolg gekröntes Thema handelt, darauf, die
Diskussion am Laufen zu halten und damit eine Bewusstseinsbildung und in der Fol-
ge mehr Aufgeschlossenheit dem Thema gegenüber zu bewirken. In diesem Zu-
sammenhang wird die Arbeit der ILO-Weltkommission über die soziale Dimension
der Globalisierung sehr begrüßt und unterstützt. Große Erwartungen, auch hinsicht-
lich einer möglichen Neubelebung der Diskussion im Rahmen der WTO, stützen sich
auf den Ergebnisbericht der Weltkommission, der für November 2003 erwartet wird.

Solange der WTO keine Kompetenz in der Frage der ILO-Kernarbeitsnormen zu-
kommt, muss versucht werden, China sowie alle kritisch eingestellten Entwicklungs-
länder in der WTO durch fortgesetzte Überzeugungsarbeit in bilateralen Kontakten
auf nationaler und europäischer Ebene von den Vorteilen einer Diskussion über
Handel und soziale Dimension zu überzeugen. In den Kontakten muss aber immer
klar zum Ausdruck kommen, dass Protektionismus in jedweder Form im Zusammen-
hang mit diesem Thema abgelehnt wird.


Antwort zu Punkt 15 der Anfrage:

Die Bundesregierung vertritt in den Koordinierungssitzungen des Ausschusses
Art. 133 hinsichtlich des Gesundheitswesens eine vorsichtige und zurückhaltende
Position. Es wurden keinerlei Signale in Richtung weiterer bzw. über das bestehende
Bindungsniveau hinausgehende Öffnungen ausgesandt. Es liegen bis jetzt auch kei-
ne auf diesen Bereich bezogene Forderungen an Österreich von anderen Ländern
vor.

Antwort zu Punkt 16 der Anfrage:

Die Sozialpartner sind in den request/offer-Prozess voll eingebunden. Sämtliche re-
levanten Dokumente werden ihnen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
zur Verfügung gestellt bzw. besteht für sie die Möglichkeit in die Dokumente Einsicht
zu nehmen, soferne diese vertraulichen Charakter haben. Außerdem werden regel-
mäßig Koordinationssitzungen (ab Herbst 2002 vermehrt) unter Teilnahme der Sozi-
alpartner abgehalten.

In regelmäßigen Abständen werden sowohl für die Parlamentsklubs als auch für
Vertreter von NROs vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Informations-
veranstaltungen durchgeführt. Am 26. Juni 2002 fand im EU-Unterausschuss eine
Aussprache zu den Dienstleistungsverhandlungen statt. Das österreichische Parla-
ment erhält im Rahmen des EU-Informationsverfahrens sämtliche relevante - auch
vertrauliche - EU-Dokumente und Berichte der einschlägigen EU-Gremien.

Antwort zu Punkt 17 der Anfrage:

Der Entschließung des Europäischen Parlaments wurde bei der Erstellung der
GATS-Forderungen entsprochen, indem im Deckblatt zu diesen ausdrücklich fest-
gehalten ist, dass die Bedeutung der staatlichen Regulierung zur Erreichung öffentli-
cher Zielsetzungen bei der Liberalisierung des Handels anerkannt wird.


Weitere Klarstellungen sind nach Auffassung des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Arbeit momentan nicht notwendig, da das GATS aufgrund der Ausnahmetatbe-
stände und seiner flexiblen Struktur den Mitgliedern zahlreiche Möglichkeiten bietet,
ihre öffentlichen Dienstleistungen (Leistungen der Daseinsvorsorge) zu schützen.

Beilage


Beilage 1

9311 Krankenanstalten

Dienstleistungen erbracht unter der Aufsicht eines Arztes an stationären Patienten
mit dem Ziel der Heilung, Reaktivierung und/oder Beibehaltung des Gesundheitszu-
standes des Patienten. Dienstleistungen in Krankenanstalten umfassen medizini-
sche und paramedizinische Dienste, Krankenpflege, Dienstleistungen medizinischer
und medizinischtechnischer Labors einschließlich radiologischer und anästhetischer
Dienstleistungen etc.

Ausnahmen: Dienstleistungen erbracht von Spitälern an ambulanten Patienten sind
in der Untergruppe 93121 (Allgemeine medizinische Dienstleistungen) oder 93122
(Spezielle medizinische Dienstleistungen) klassifiziert.

Dienstleistungen von Zahnärzten sind in der Untergruppe 93123 klassifiziert.
Ambulanzdienste sind in der Untergruppe 93192 klassifiziert.

9319 Sonstige Gesundheitsdienstleistungen

93192 Ambulanzdienst

Allgemeine und spezielle medizinische Dienstleistungen erbracht in der Ambulanz.

93193 Niedergelassene Gesundheitseinrichtungen andere als Krankenanstal-
ten

Unterbringung kombiniert mit medizinischen Dienstleistungen, die nicht unter Auf-
sicht eines vor Ort anwesenden Arztes erbracht werden.


93199 Andere gesundheitsbezogene Dienstleistungen (sofern nicht anderswo
klassifiziert)

Dienstleistungen auf dem Gebiet der: morphologischen und chemischen Pathologie,
Bakteriologie, Virologie, Immunologie etc., und nicht anderswo klassifizierte Dienst-
leistungen wie zum Beispiel Blutspenden.

933 Soziale Dienstleistungen

9331 Stationäre soziale Dienstleistungen

93311 Gesundheitsbezogene Dienstleistungen erbracht von niedergelassenen
Institutionen an alten Menschen sowie an Behinderten

Soziale Fürsorgedienstleistungen einschließlich 24 Stunden Betreuung durch nie-
dergelassene Institutionen für Ältere und physisch oder mental Behinderte, auch
Blinde, Stumme und Taube.

Ausnahmen: Bildungsbezogene Dienstleistungen sind in Teil 92 klassifiziert. Unter-
bringungskombiniert mit medizinischen Dienstleistungen sind in der Untergruppe
93110 (Krankenanstalten) klassifiziert, wenn sie unter Aufsicht eines Arztes erbracht
werden, wenn nicht, in der Untergruppe 93193 (Niedergelassene Gesundheitsein-
richtungen andere als Krankenanstalten).

93312 Gesundheitsbezogene Dienstleistungen erbracht von niedergelassenen
Institutionen an Kindern und anderen Klienten

Soziale Fürsorgedienstleistungen einschließlich 24 Stunden Betreuung niedergelas-
sener Institutionen für Kinder und andere Klienten, z. B. Waisenhäuser, Einrichtun-
gen für schutzbedürftige Kinder, Einrichtungen für verhaltensauffällige Kinder, Ein-
richtungen für alleinerziehende Mütter und andere Rehabilitationszentren.

93319 Andere stationäre soziale Dienstleistungen

Soziale Fürsorgedienstleistungen einschließlich 24 Stunden Betreuung durch nie-
dergelassene Institutionen für Kinder und andere Klienten, z. B. Sozialarbeit von


Betreuungsanstalten für Jugendliche und Rehabilitationszentren (ohne medizinische
Behandlung) für Drogen und/oder alkoholabhängige Personen.

9332 Ambulante soziale Dienstleistungen

93321 Ganztagsbetreuung von Kindern einschließlich Betreuung von Behin-
derten

Soziale Dienstleistungen von nicht-niedergelassenen Institutionen, die Ganztags-
betreuung und Unterricht auf Vorschulniveau an kleinen Kindern in Kindergärten
erbringen, einschließlich Ganztagsbetreuung für Behinderte.

93322 Orientierungs- und Beratungsdienstleistungen für Kinder (sofern nicht
anderswo klassifiziert)

Orientierungs- und Beratungsdienstleistungen erbracht an Einzelpersonen und Fa-
milien, üblicherweise an den Eltern der Kinder, in deren Haushalt oder anderswo.
Solche Dienstleistungen befassen sich mit verhaltens- und/oder erziehungsbeding-
ten und anderen Problemen von Kindern, zum Beispiel Scheidungsprobleme,
Schulprobleme, Entwicklungsprobleme, Kindesmisshandiung, Mediation, Adopti-
onsdienstleistungen etc.

93323 Fürsorgedienstleistungen nicht von niedergelassenen Institutionen er-
bracht

Ambulante Fürsorgedienstleistungen, z. B. Prüfung des Anspruchs im Zusammen-
hang mit Sozialfürsorge, Mietzuschüssen und Essensmarken, mobile Altenpflege,
Beratung über Haushaltseinkommen und andere gemeinschaftliche und nachbar-
schaftliche Dienstleistungen.

93324 Job-coaching-Dienstleistungen

Job-coaching-Dienstleistungen an behinderten oder arbeitslosen Personen, wobei
der soziale Fürsorgeaspekt überwiegt.


Ausnahmen: Job-coaching-Dienstleistungen, bei welchen der Bildungsaspekt über-
wiegt, sind im Teil 92 (Bildungsdienstleistungen) klassifiziert.

93329 Andere ambulante soziale Dienstleistungen

Andere ambulante soziale Dienstleistungen, z. B. Eheberatung, Dienstleistungen
von Bewährungsberatern, soziale Betreuung von Katastrophenopfern, Flüchtlingen
und von Immigranten einschließlich Beherbergungsdienstleistungen.