394/AB XXI.GP
der Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen
betreffend Treffsicherheit sozial - und
familienpolitischer Leistungen
(Nr. 355/J)
Zur vorliegenden Anfrage führe ich Folgendes aus:
Zu den Fragen 1, 2, 5 und 6:
Der allgemeine horizontale Lastenausgleich stellt einen Grundpfeiler der österreichi -
schen Familienpolitik dar. Diese Grundkonzeption einer Umverteilung staatlicher Lei -
stungen von Kinderlosen zu Familien mit Kindern hat sich seit Jahrzehnten bewährt.
Sie erfährt insoferne ihre Berechtigung, als dadurch jene Unterhaltsleistungen aus -
geglichen werden, die die Familien infolge der Erziehung ihrer Kinder zu tragen ha -
ben, wozu sie ja auch gesetzlich verpflichtet sind.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass eine Staffelung der Familienbeihilfe
nach dem Einkommen mit Verfassungswidrigkeit belastet wäre. Eine Staffelung der
Höhe der Familienbeihilfe in Abhängigkeit vom Einkommen der Familie würde be -
stehende Ungleichheiten zwischen unterhaltsverpflichteten Eltern einerseits und
Personen ohne Unterhaltspflicht mit gleichem Einkommen in einem bestimmten Ein -
kommensbereich in nicht zu vernachlässigendem Ausmaß verstärken, wenn sie eine
Kürzung der Familienbeihilfe im oberen Einkommensbereich zu Folge hätte. Man -
gels sachlicher Rechtfertigung wäre sie vor dem Hintergrund des derzeit geltenden
Familiensteuerrechts mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.
In diesem Lastenausgleich integriert sind aber auch vertikale Elemente, die insbe -
sondere durch die Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds (Einzahlung
nach Lohnsumme) gegeben sind. Dazu kommt noch der Ausgleich besonderer Bela -
stungen bestimmter Familien wie z.B. mit mehreren Kindern, behinderten Kindern, in
Form von Unterhaltsvorschüssen, Zuschuss und Zuschlag zum Kinderbetreuungs -
geld etc.
In diesem Zusammenhang muss aber immer wieder betont werden, dass Familien -
politik keinesfalls als ein Teil der
Sozialpolitik angesehen werden darf, und die Fami -
lienleistungen im Rahmen des FLAG 1967 jedenfalls nicht den Sozialleistungen zu -
geordnet werden dürfen.
Die Aussage des Herrn Bundesministers für Finanzen ist dahingehend zu verstehen,
dass er auf Grund seiner Position als für das Gesamtbudget Verantwortlicher be -
müht sein muss, Ausgabenminderungen herbeizuführen.
Mit der Umwandlung des Karenzgeldes in ein Kinderbetreuungsgeld wird vom bishe -
rigen Versicherungsprinzip abgegangen und eine reine Familienleistung geschaffen.
Damit werden Eltern bei der Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe und den daraus re -
sultierenden spezifischen Belastungen unterstützt. Als reine Familienleistung unter -
liegt das Kinderbetreuungsgeld den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie die Familien -
beihilfe und stellt ebenfalls eine Leistung im Rahmen des horizontalen Lastenaus -
gleichs zwischen unterhaltspflichtigen Familien und nichtunterhaltspflichtigen Perso -
nen dar.
Der Vollständigkeit halber ist auch auf die enormen administrativen und verwal -
tungstechnischen Probleme hinzuweisen, die vom Familieneinkommen abhängige
Leistungen mit sich bringen würden. Nicht zuletzt im Hinblick auf das bestehende
System der Individualbesteuerung wäre mit einer unverhältnismäßig hohen Mehrbe -
lastung der Verwaltung zu rechnen.
Zu Frage 3:
Ja, es ist geplant, die Einkommensgrenze beim Mehrkindzuschlag zu streichen.
Zu Frage 4:
Die Arbeitsgruppe wird im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und in mei -
nem Ressort angesiedelt sein. Es werden neben Vertretern der genannten Ressorts
auch Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen teilnehmen. Die Entscheidung
über die Zusammensetzung der themenspezifischen Expertengruppe(n) wird im
Laufe der ersten Arbeitsgruppensitzung(en) getroffen werden, sodass ich zum gege -
benen Zeitpunkt darüber keine Angaben machen kann.
Für die erste Sitzung am 10. April 2000 wurden zunächst Experten geladen, die für
die politischen und gesellschaftlichen Strömungen repräsentativ sind und deren Auf -
gabe es sein sollte, jene Aspekte (aus ihrer subjektiven Sicht) zu nennen, in denen
die Treffsicherheit des Sozialsystems mangelhaft ist und die ihre Auffassung jeweils
kurz begründen sollten. Aus den vorgetragenen Meinungen wird eine Auswahl jener
Themen getroffen, die in weiterer Folge von (themenspezifischen) Experten detail -
liert aufbereitet werden.
In diese politisch - repräsentative Expertengruppe wurden geladen: die Volkshilfe
Österreich, das Österreichische Hilfswerk, Sozial Global, Caritas Österreich, der
Österreichische Gewerkschaftsbund, die Bundesarbeitskammer, Univ. Prof.
Dr. Christoph Badelt (Wirtschaftsuniversität Wien), das Wirtschaftsforschungsinstitut,
Prof. Dr. Bernd Mann (Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialfor -
schung), a.o. Univ. Prof. Dr. Walter Pfeil (Universität Salzburg), der Hauptverband
der österreichischen Sozialversicherungsträger, das Arbeitsmarktservice Osterreich,
Univ. Prof. Dr. Emmerich Talos
(Universität Wien), Dr. Herbert Knapp (Landeshaupt -
leutekonterenz), das Diakonisches Werk Österreich, der Österreichischer Städte -
bund, der Österreichischer Gemeindebund, die Wirtschaftskammer Österreich, die
Vereinigung österreichischer Industrieller, der katholische Familienverband, das
Netzwerk österreichischer Frauen - und Mädchenberatungsstellen, der Verein auto -
nome österreichische Frauenhäuser, die ARGE Schuldnerberatung, die Österreichi -
sche Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, der Kriegsopfer - und Behindertenver -
band Österreich, die Lebenshilfe Österreich, der Österreichische Seniorenrat und
Dr. Peter Wandaller.