3993/AB XXI.GP

Eingelangt am: 08.08.2002

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4070/J-NR/2002 betreffend Vergabe des LKW-
Mautsystems, die die Abgeordneten Dr. Kräuter und GenossInnen am 14. Juni 2002 an mich
gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Frage 1:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich auf gesicherte Mehreinnahmen in Höhe von 150
Mio. EUR verzichten, die bei einer früheren Inbetriebnahme des Mautsystems gewährleistet sind?

Antwort:

Die Ausschreibung bzw. auch der von der ASFINAG nun unterzeichnete Betreibervertrag sehen
einen Zeitrahmen von längstens 18 Monaten für die Realisierungsphase des Mautsystems vor. Zu
dem gemäß Vergabegesetz maßgebenden Zeitpunkt der Angebotseröffnung hatte keiner der
Bieter definitiv eine kürzere Realisierungszeit im Angebot garantiert. Jede früher mögliche
Inbetriebnahme des Mautsystems wird aber gemäß Ausschreibung durch einen zu lukrierenden
finanziellen Bonus für den Betreiber gefördert.

Frage 2:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass das österreichische
Mautsystem kompatibel (wechselseitig einsetzbar) mit Österreichs wichtigsten Transportpartnern
Deutschland und Holland * die sich bereits für das GPS-GSM System entschieden haben - ist?

Antwort:

Es haben sich weder Deutschland noch Holland explizit für ein GPS-GSM System entschieden.
Die neue Holländische Regierung hat vielmehr festgelegt, innerhalb ihrer Regierungszeit über-
haupt keine Aktivitäten zur Einführung eines Mautsystems zu setzen. Deutschland hatte genau so
wie Österreich für seine Mautausschreibung keine bevorzugte Technologie festgelegt, sondern
'Technologie-offen" ausgeschrieben. Im Zuge des Verfahrens mussten aber ebenso wie in
Österreich Angebote ausgeschieden werden, weil sie bestimmte vertragliche Forderungen nicht
erfüllten. Während in Österreich bis zuletzt Bieter mit beiden Basistechnologien - also GPS-GSM
und Nahbereichsfunk/ Mikrowelle im Verfahren verblieben sind, musste in Deutschland jener
Bieter, der mit einem Mikrowellensystem bemautet hätte, aus rechtlichen Gründen ausgeschieden
werden. Auf Grund der in Europa einheitlichen vergaberechtlichen Vorgabe, in einem Aus-
schreibungsverfahren den Bestbieter zu beauftragen, ergab sich die jetzige Situation. Dennoch
wird es möglich sein, über technische Komponenten (Schnittstellen), die in beiden Systemen vor-
handen sind, ein brauchbares Maß an Kompatibilität zu erreichen.


Frage 3:

Ist es österreichischen Frachtern zumutbar, dass Sie für Fahrten bei ihren größten Handelspart-
nern, die das GPS-GSM System benützen, jeweils eine weitere, kompatible On Board Unit
mitführen müssen?

Antwort:

Dies wird nach derzeitigem Stand der Gespräche nicht nötig sein, da Möglichkeiten für kompatible
Verwendung einer der beiden On-Board-Units bestehen.

Frage 4:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass das GPS-GSM System
vielfältige Möglichkeiten im Bereich Telematikdienste bietet?

Antwort:

Anforderung in der Ausschreibung war es in erster Linie, einen Mautbetreiber zu finden, der ein
technisch einwandfreies, zuverlässig und wirtschaftlich arbeitendes Mautsystem verwenden würde,
mit dessen Hilfe die Finanzierbarkeit des hochrangigen Straßennetzes für die weitere Zukunft
sichergestellt werden kann. Möglichkeiten für eventuelle zukünftige Telematik-Dienste standen
daher nicht im Vordergrund. Dennoch wurde das Vorhandensein einer grundsätzlichen Möglichkeit
für spätere Telematikdienste positiv bewertet. Telematikdienste, die über GPS-GSM Technologie
möglich wären, können aber im wesentlichen auch ohne Mautsystem genutzt werden.

Frage 5:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass die "Verkehrstele-
matikoffensive 2002 plus" des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie rasch
und effizient realisiert wird?

Antwort:

Die rasche und effiziente Realisierung der "Verkehrstelematikoffensive 2002 plus" ist nicht
zwingend von der Einführung eines mit GPS-GSM Technologie arbeitenden Mautsystems ab-
hängig. Auch jenes technische System, für das sich der von der ASFINAG nun beauftragte Maut-
betreiber entschieden hat, eröffnet eine Vielzahl moderner technischer Möglichkeiten im Bereich
der Verkehrstelematik, die übrigens in jenen Ländern, wo solche Systeme im Einsatz stehen, zum
Vorteil aller Verkehrsteilnehmer (insbesondere auch der Pkw-Fahrer) intensiv genutzt werden.

Frage 6:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, am Zukunftsmarkt der Satelli-
tennavigation (Projekt GALILEO) teilzunehmen?

Antwort:

Österreich hat sich zuletzt bei der Abstimmung im EU-Ministerrat über die Realisierung des
Projektes GALILEO für dieses ausgesprochen, weil es eine wesentliche Technologie der
kommenden Jahrzehnte zu sein verspricht. Der Zeithorizont, der eine gesicherte Verfügbarkeit
etwa ab 2010 in Aussicht stellt, erlaubt es allerdings nicht, ein kurzfristig dringend notwendiges
Mautprojekt zur Sicherung der Straßenfinanzierung darauf zu gründen.


Frage 7:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass Österreich in der Ent-
wicklung der Zukunftstechnologie GPS-GSM Mauterfassung und Telematik eine führende Rolle
einnimmt?

Antwort:

Hauptaufgabe der Ausschreibung für das Mautsystem war es, die Infrastrukturfinanzierung für die
Zukunft durch ein effizient und zuverlässig arbeitendes elektronisches Mautsystem möglichst kurz-
fristig zu sichern. Die Entwicklung von Zukunftstechnologien zählt nicht zum gesetzlich determi-
nierten Geschäftsfeld der ASFINAG.

Frage 8:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass das GPS-GSM System
konform mit den im 6. EU-Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung auf-
gelisteten Normen im Bereich Informationstechnologie ist?

Antwort:

Gegenstand der "technologieoffenen" Ausschreibung war ein Mautsystem. Für die Mauteinhebung
auf Basis von GPS - GSM gibt es derzeit noch keine Normen. Ein Vorschlag, Mautapplikationen zu
normen, wird erst im ISO TC 204 /SC 5 / WG 5 erarbeitet.

Frage 9:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass das GPS-GSM System
jederzeit ohne Zusatzinvestitionen auf andere Bemautungsstraßen ausweitbar ist?

Antwort:

Das soeben vom Parlament mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und ÖVP beschlossene
Bundesstraßen-Mautgesetz enthält keine Ermächtigungen oder Hinweise für eine allfällige, auch
spätere, Ausweitung des Mautsystems auf andere Straßen als Autobahnen und Schnellstraßen.
Selbst dann würden aber auch bei einem Mautsystem auf Basis GPS-GSM zusätzliche
Investitionen, etwa für das erweitete Enforcement oder für die Verteilung der dann
notwendigerweise erweiterten Software in die bereits im Umlauf befindlichen Fahrzeuggeräte
anfallen.

Frage 10:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass das GPS-GSM System
jederzeitig ohne bedeutende Zusatzinvestitionen auf andere mautpflichtige Fahrzeugkategorien
(z.B. PKW) ausweitbar ist?

Antwort:

Grundsätzlich ist jede der angeboten gewesenen Mauttechnologien technisch in der Lage, auch
auf andere Fahrzeugkategorien ausgeweitet zu werden. Das vom jetzigen Betreiber verwendete
Mikrowellensystem wäre dabei auf Grund des relativ geringen Preises der On-Board-Unit gegen-
über den wesentlich teureren Fahrzeuggeräten bei GPS-GSM theoretisch sogar im Vorteil. Diese
Frage hat sich aber nicht gestellt, da keine Absicht für eine Ausweitung des Mautsystems auch auf
PKW besteht.


Frage 11:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich die erhebliche Beeinträchtigung des österreichi-
schen Landschaftsbildes durch primitive Überbauung der Autobahnen an rund 800 Stellen mit
komplexen Metallstrukturen vertreten?

Antwort:

Das vom beauftragten Mautsystem-Betreiber gewählte Nahbereichs-Kommunikations-System er-
fordert die Einrichtung von insgesamt ca. 400 schlanken Stahlkonstruktionen pro Richtungsfahr-
bahn über der Autobahn zur Montage der Mautantennen und der Enforcement-Kameras. Ähnliche
Einrichtungen existieren bereits für die Kontrollstellen zur Ökopunkteüberprüfung oder die zahl-
reichen Anlagen zur Verkehrsbeeinflussung (z.B. Geschwindigkeitssignalisierung oder Fahrspur-
steuerung). Im Durchschnitt bedeutet das, einen Überkopfträger je 5 km Autobahn. Eine Beein-
trächtigung des Landschaftsbildes ist daraus nicht zu erkennen.                                     

Frage 12:

Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten, dass die für das
österreichische Mautsystem eingesetzten On Board Units konform mit den Normen des
Europäischen Komitees für Normung (CEN) und dem Europäischen Institut für Telekommuni-
kationsstandards (ETSI) sind?

Antwort:

Die Ausschreibungsunterlage für das Mautsystem besagt sehr wohl, dass die eingesetzten
Fahrzeuggeräte (On Board Units) eine Schnittstelle gemäß den Vorgaben der CEN TC 278 bzw.
ETSI besitzen müssen.

Frage 13:

Was sind die tatsächlichen Gründe für die versuchte bemerkenswerte Bevorzugung eines
veralteten Mikrowellensystems?

Antwort:

Wie bereits zu den vorherigen Fragen ausgeführt, wurde kein technisches System bevorzugt, weil
gar keine bestimmte Technologie ausgeschrieben war. Es wurde der zuverlässigste und wirtschaft-
lichste Betreiber gesucht und diesem die Wahl der Bemautungstechnologie freigestellt.
Darüberhinaus darf ich festhalten, dass die als "veraltet" bezeichnete Technologie derzeit an vielen
Stellen der Welt, etwa vor kurzem auch in den Weltstädten Melbourne oder Toronto, als
Mautsystem installiert worden ist.