4016/AB XXI.GP
Eingelangt am: 09.08.2002
Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft
und Kultur
Die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 4064/J-NR/2002 betreffend das österreichische
Stimmverhalten bei dem 6.
EU-Rahmenprogramm "Forschung", die die Abgeordneten Manfred
Lackner, Kolleginnen und Kollegen am 13.
Juni 2002 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet.
Es gibt eine Reihe von ethischen Bedenken gegen die
Verwendung von humanen embryonalen
Stammzellen in der wissenschaftlichen
Forschung, die auch von den kontaktierten Experten der
verschiedensten Fachrichtungen nicht
ausgeräumt werden konnten. Diese Bedenken hat Österreich
in der Vorbereitung des
Rahmenprogramms auf europäischer Ebene immer wieder vorgebracht.
Deutschland, Italien und Irland hatten
ebenfalls ethische Bedenken, sie haben jedoch dem Rahmen-
programm
zugestimmt. Da das EU-Rahmenprogramm für Forschung, technologische
Entwicklung
und Demonstration als
“Ganzes" abgestimmt wurde, hat Österreich aus den oben
angeführten
Gründen gegen das Gesamtprogramm
gestimmt.
Ad 2.:
Der innerösterreichische
Meinungsbildungsprozess war ein Prozess, der mit der Vorlage des ersten
Entwurfs
des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms durch die Europäische Kommission
begonnen
und mit
der Entscheidung der Ablehnung des Rahmenprogramms geendet hat.
In weiterer Folge kam es zu einem breiten und
konstruktiven Diskussionsprozess auf europäischer
Ebene über die offenen
Fragen der Bioethik im 6. Rahmenprogramm. Unterstützt durch die
dänische Präsidentschaft, die
einen Kompromissvorschlag erarbeitet hat, konnte sich Österreich
gemeinsam mit den anderen
Mitgliedsstaaten in den letzten Wochen auf folgende Regelungen für
den Bereich der embryonalen
Stammzellenforschung einigen.
•
Gegenüber dem Beschluss des 6. Rahmenprogramms sieht das spezifische
Programm nun
das Aussetzen der Förderungen für Forschung mit menschlichen
Embryonen und
menschlichen
embryonalen Stammzellen bis Ende 2003 vor.
•
Die Europäische Kommission wird alle Entwicklungen zur Bioethik genau
verfolgen und
den
Mitgliedsstaaten berichten. Der Rat hat dann im September 2003 erneut zu
entscheiden,
wie man
im Bereich der embryonalen Stammzellen weiter verfährt.
•
Nach Ende dieser Frist wird jeder einzelne Antrag auf Forschungsfbrderung einer
Abstimmung
durch die Mitgliedsstaaten unterzogen, wobei die bioethisch besorgten
Länder
eine Sperrminorität besitzen ("regulatives Verfahren").
Im "Ausschuss der ständigen
Vertreter" am 24. Juli 2002 konnten sich die Mitgliedsstaaten auf
folgende
weitere Einschränkungen einigen:
•
Aufnahme einer Verbotsliste bestimmter Forschungstätigkeiten in den
Rechtstext (gültig für die
gesamte
Laufzeit des 6. Rahmenprogramms). Nicht gefördert werden:
•
Forschung zur Züchtung von menschlichen Embryos oder menschlichen
embryonalen
Stammzellen
ausschließlich für Forschungszwecke
• Forschung zum reproduktiven Klonen von Menschen
•
Forschung zur Veränderung des menschlichen, genetischen Erbguts und zur
Vererbung
dieser
Veränderungen
•
Die Europäische Kommission wird zu ethisch sensiblen Themen systematische
Ethikprüfberichte erstellen, insbesondere bei Projektanträgen, die
menschliche Embryos oder
menschliche
embryonale Stammzellen einbeziehen.
Ad 3., 4. und 5.;
Das EU-Forschungsrahmenprogramm kommt im so genannten
“Kodezisionsverfahren" (Mitent-
scheidungsverfahren - Stellungnahme des Europäischen Parlaments ist von
Bedeutung) mit
Mehrheitsbeschluss im Rat zu Stande. Es
wird also - trotz der österreichischen Ablehnung in der
vorgesehenen Form und zum geplanten
Zeitpunkt in Kraft treten.
Österreich beteiligt sich nach
wie vor finanziell am EU-Forschungsrahmenprogramm, kann (daher)
wie in
der Vergangenheit am Forschungsrahmenprogramm teilnehmen und somit
natürlich auch
Rückflüsse
aus den Projekten lukrieren.
Österreichische Wissenschafter, Forscher und die
Industrie können sich also weiterhin an den
ausgeschriebenen Projekten im 6.
Rahmenprogramm beteiligen. Hier wird es zu keinen Änderungen
kommen. Auf Grund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit
der Wissenschaft und
Forschung ist eine Beteiligung
österreichischer Antragsteller auch an EU-Projekten, die sich mit der
Forschung mit humanen embryonalen
Stammzellen befassen, weiterhin möglich.
Auf nationaler Ebene wird
Österreich die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen nicht
aus öffentlichen Mitteln
fördern, aus privaten Mitteln geförderte Forschung in diesem Bereich
bleibt aber weiterhin möglich.
Für ethisch sensible Projektanträge im Forschungsrahmenprogramm
könnte es zur Einbindung nationaler oder lokaler Ethikräte bei
der Projektauswahl kommen. Die
diesbezüglichen Überlegungen sind
noch nicht abgeschlossen.
Ad 6.:
Österreich ist laut allen einschlägigen Studien ein sehr guter Wirtschafts- und
Wissenschaftsstandort. Dazu hat neben der guten Ausbildung der österreichischen Arbeitskräfte, der
Steuer- und Wirtschaftspolitik vor allem auch die bestehende Rechtssicherheit einen großen Beitrag
geleistet.
Durch die österreichische Haltung zur Frage der
Stammzellenforschung auf EU-Ebene ist meines
Erachtens
nach keine dieser entscheidenden Voraussetzungen für
Standortentscheidungen negativ
beeinflusst
worden.
Ad 7.:
Die Erarbeitung des 6. EU-Rahmenprogramms hat eine lange
Genesis im Forschungsministerrat, wobei
die
einzelnen Positionen in den EU-Protokollanmerkungen zugänglich sind.
Österreich war bei allen
Sitzungen
vertreten und hat seine Haltung bezüglich der Stammzellenforschung immer
klar vertreten;
auch
diese Position ist in den einschlägigen EU-Protokollen festgehalten.