4036/AB XXI.GP
Eingelangt am: 14.08.2002
Bundeskanzler
Die Abgeordneten zum Nationalrat Lackner und GenossInnen
haben am
13. Juni 2002 unter der Nr. 4065/J an mich eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend das österreichische Stimmverhalten bei dem 6. EU-
Rahmenprogramm
“Forschung" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Österreich begrüßt das 6. EU-Rahmenprogramm
für Forschung, technologische Ent-
wicklung und Demonstration für die Jahre 2002 - 2006 als eine wichtige
Weichen-
stellung für die Erweiterung der wissenschaftlichen und technologischen
Grundlagen
der Gemeinschaft und die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in
wichtigen Berei-
chen. Gleichzeitig hat Österreich jedoch in den Beratungen des Rates auf
die ethi-
schen Fragen in diesem Zusammenhang hingewiesen und betont, daß ohne
Klärung
dieser Fragen dem Rahmenprogramm nicht zugestimmt werden könne.
Tatsächlich wird im verfügenden Teil des 6.
Rahmenprogramms einzig in Art. 3 auf
ethische Fragen Bezug genommen, und zwar in sehr allgemeiner Form: “Bei
allen
Forschungsmaßnahmen innerhalb des Sechsten Rahmenprogramms müssen
ethi-
sche Grundprinzipien beachtet werden".
Im Rahmen der allgemeinen politischen Einigung über
den Entwurf eines gemeinsa-
men Standpunktes des Rates am 10. Dezember 2001 hat daher der Rat - d.h. alle
Mitgliedstaaten - folgende Erklärung abgegeben:
“Der Rat ist sich darin einig, die
Anforderung in Art. 3 ... näher auszugestalten, um
Insbesondere
im Hinblick auf den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen
Lebens
bei der Forschung auf den Gebieten Genomik und Biotechnologie ausführ-
lichere
Leitlinien vorzugeben".
Diese Erklärung hat nach wie vor die volle
Unterstützung Österreichs. Die Frage je-
doch, ob und In welcher Form die nähere Ausgestaltung der Anforderung,
wonach
bei allen Forschungsmaßnahmen die ethischen Grundprinzipien beachtet
werden
müssen, erfolgt, bleibt im Rahmenprogramm unbeantwortet.
Die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt hat sich mit
diesem Fragenkomplex
eingehend auseinadergesetzt und kommt in ihrer Stellungnahme vom 8. Mal 2002 zu
Fragen der Stammzellenforschung im Kontext des 6. Rahmenprogramms unter an-
derem zum Ergebnis, daß bestimmte Forschungsgebiete nicht finanziert
werden soll-
ten:
- Klonen von Menschen zu Reproduktionszwecken;
- Veränderung des
menschlichen Erbguts, durch die solche Änderungen ver-
erbbar
werden könnten;
- Züchtung
menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken
oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Kerntransfer somalischer
Zellen.
Diese Einschränkungen werden auch von der Kommission
in ihrer Erklärung vom
10. Dezember 2001 geltend gemacht. Darüber hinaus nennt die
österreichische
Bioethikkommission jedoch noch weitere Einschränkungen, wie etwa die
ethisch
nicht vertretbare Förderung der Forschung an
“überzähligen" menschlichen Embry-
onen im Frühstadium. Die Bioethikkommission spricht sich dagegen für
die verstärkte
Förderung der Forschung an - adulten Stammzellen aus. Neueste
wissenschaftliche
Erkenntnisse bestätigen das Potential dieser - ethisch unbedenklichen -
Forschungs-
aktivitäten.
In einer gemeinsamen Erklärung anläßlich
der Beschlußfassung des
Rahmenprogrammes ist Österreich mit Deutschland, Irland, Italien und
Portugal
übereingekommen, “zusammenzuarbeiten, um ausführlichere
Leitlinien betreffend
bio-ethische Prinzipien zu erarbeiten und als Teil der Entscheidung über
die
spezifischen Programme aufzunehmen".
Die
zwischenzeitliche Entwicklung belegt, daß Österreich mit seinen
Bedenken
gegen die unbeschränkte Förderung der Forschung an embryonalen
Stammzellen
ohne die Beachtung spezifischer ethischer Rahmenbedingungen einen
Diskussionsprozeß auf europäischer Ebene ausgelöst und sich die
österreichische
Position
letztendlich durchsetzt.
Die
derzeitige dänische Ratspräsidentschaft hat einen
Kompromißvorschlag
vorgelegt, der auf ethischen Fragen im Spezifischen Programm “Integration
und
Stärkung des Europäischen Forschungsraums" ausführlich
eingeht.
Es
ist u.a. ein Moratorium vorgesehen, das die Förderung der EU für
Forschungstätigkeiten, bei denen humane Embryos und humane embryonale
Stammzellen verwendet werden, bis zum 31. Dezember 2003 aussetzt. Bis dahin
sollen detaillierte Durchführungsvorschriften betreffend die Verwendung
humaner
Embryos und humaner embryonaler Stammzellen, die unter dem
6. Rahmenprogramm finanziert werden können, festgelegt werden.
Zu Frage 2:
Die österreichische Position wurde von den betroffenen
Mitgliedern der Bundesregie-
rung nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Aspekte formuliert.
Maßgeblich war
auch die Stellungnahme der Bioethikkommission zu Fragen der
Stammzellenforschung
im Kontext des 6. Rahmenprogramms vom 8. Mai 2002.
Zu den Fragen 3 und 4:
Das 6. Rahmenprogramm wurde nach Artikel 251 des
EU-Vertrages (Mitentschei-
dungsverfahren) vom Europäischen Parlament und vom Rat beschlossen. In
Anbe-
tracht des In der Europäischen Union praktizierten und vom
Europäischen Gerichts-
hof ständig judizierten Diskriminierungsverbotes sind keine besonderen
Auswirkun-
gen des österreichischen Stimmverhaltens im Rat für Wissenschaft und
Forschung
und die forschende Industrie in Österreich oder die Kooperation
österreichischer Wis-
senschafter mit möglichen europäischen Partnern zu erwarten.
Zu Frage 5:
Österreich kann unter den gleichen Bedingungen wie alle anderen Mitgliedstaaten an
den zukünftigen Forschungsprogrammen in Durchführung des 6. Rahmenprogramms
teilnehmen.
Zu Frage 6:
Österreich
ist laut allen einschlägigen Studien ein sehr guter Wirtschafts- und Wis-
senschaftsstandort. Dazu hat neben der guten Ausbildung der
österreichischen Ar-
beitskräfte, der Steuer- und Wirtschaftspolitik vor allem auch die
bestehende Rechts-
sicherheit einen großen Beitrag geleistet. Durch die österreichische
Haltung zur Fra-
ge der Stammzellenforschung auf EU-Ebene wird meines Erachtens nach keine die-
ser entscheidenden Voraussetzungen für Standortentscheidungen negativ
beein-
flußt.
Zu Frage 7:
Die Erarbeitung des 6. EU-Rahmenprogramms hat eine lange
Genesis im
Forschungsministerrat, wobei die einzelnen Positionen in den
EU-Protokollanmerkungen zugänglich sind. Österreich war bei allen
Sitzungen
vertreten und hat seine Haltung bezüglich der Stammzellenforschung immer
klar
vertreten; auch diese Position ist in den einschlägigen EU-Protokollen
festgehalten.