404/AB XXI.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 362/J - NR/2000, betreffend die
Fortführung des Baues des Semmering - Basistunnels, die die Abgeordneten Dr.
Kostelka und Genossen am 24. Februar 2000 an mich gerichtet haben, beehre ich mich
wie folgt zu beantworten:
Zum Motiventeil:
Bezugnehmend auf die Umsetzung des Projektes “Semmering - Basistunnel” darf ich
wie schon mehrfach ausgeführt nochmals darauf hinweisen, dass ich dem Bau des
Semmering Basistunnel uneingeschränkt positiv gegenüberstehe. Allerdings wurde
am 17. März 2000 nach einem in St. Michael ob Bleiburg stattgefundenen Treffen mit
Frau Landeshauptmann Klasnic und Herrn Landeshauptmann Haider unter anderem
ein genereller Baustopp für die Arbeiten am Semmering - Basistunnel verfügt.
Grundlage für meine Entscheidung war ein von mir in Auftrag gegebenes
Rechtsgutachten, in dem eine rasche Realisierung dieses Projektes durch die
Haltung des Landes Niederösterreich (naturschutzrechtliche Einsprüche)
grundsätzlich in Frage gestellt wird. In diesem Zusammenhang wurde jedoch auch
klargestellt, dass die Planungs - und Genehmigungsverfahren weitergeführt werden
und nach Vorliegen aller rechtskräftigen Bescheide eine Fortsetzung des Projektes
erfolgen soll.
Der für die Errichtung des Semmering - Basistunnels verordnete Kostenrahmen in der
Höhe von 8,6 Mrd. ATS ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Gänze im SchlG -
Rahmen enthalten.
Zu Frage 1:
Es ist mir bewusst, dass sich in den bisherigen Expertenuntersuchungen der
Semmering - Basistunnel von den drei untersuchten Hauptvarianten mit
Untervarianten als beste Variante herausgestellt hat.
Von meinem Amtsvorgänger wurde in weiterer Folge in Zusammenarbeit mit den
Landeshauptmännern von Wien, Kärnten, Niederösterreich, Burgenland und der
Steiermark die Expertengruppe “Ausbau - Varianten Südbahn” eingesetzt und
beauftragt, kurz -, mittel - und langfristigen Ausbauvarianten des Gesamtsystems
Südbahn zu untersuchen. Das Endergebnis der Untersuchungen dieser
Expertengruppe liegt derzeit noch nicht vor.
Zu Frage 2:
Der Semmering - Basistunnel ist ein Bestandteil des Masterplanes zum
Österreichischen Bundesverkehrswegeplan, dieser enthält jedoch keine
Priorisierungen von Eisenbahninfrastrukturvorhaben in Österreich.
Zu Frage 3:
In den Verkehrsprognosen der Österreichischen Bundesbahnen für den Zeitraum
2010 sind im Personenfernverkehr 42, im Personennahverkehr 27 und im
Güterverkehr als Spitzenwert 114 täglich verkehrende Züge ausgewiesen. Derzeit
verkehren auf der Bergstrecke durchschnittlich 165 Züge täglich.
Zu Frage 4:
Es ist das vorgegebene Ziel für die Expertengruppe “Ausbau - Varianten Südbahn”,
Varianten zur Schaffung eines, den internationalen Normen entsprechenden und
nach internationalem Standard leistungsfähigen Eisenbahnsystems im Bereich des
Nord - Süd - Korridors aufzuzeigen. Basis für die Untersuchung bilden folgende,
einvernehmlich festgelegte Rahmenbedingungen:
- Ziel ist die rasche Verfügbarkeit einer schnellen, leistungsfähigen und effizienten
Nord - Süd - Verbindung.
Jede der möglichen Varianten ist in erster Linie unter dem Aspekt des nationalen
Nutzens zu betrachten, wobei als Grundvoraussetzung anzusehen ist, dass diese
Nord - Süd - Verbindung in das gesamteuropäische Eisenbahnnetz eingebettet und
somit kompatibel mit dem zukünftigen europäischen Entwicklungen sein muss.
- Jede Lösung muss sich in das Gesamtverkehrskonzept für Österreich einfügen,
das die Verkehrsverlagerung auf die Schiene fordert.
- Es werden nur Varianten in Betracht gezogen, die ein flexibles Reagieren auf
mögliche Entwicklungen in der Zukunft zulassen.
- Eine Variante ist nur sinnvoll, wenn sie schrittweise realisiert werden kann, jeder
Schritt für sich verkehrswirksam ist und Handlungsspielräume für
Betriebskonzepte im Personen - und Güterverkehr eröffnet werden.
Die bei der Beurteilung der Varianten angewandten Kriterien sind deren technische
Machbarkeit, die Kosten, die Planungs- und Bauzeit, die Kapazität für den
Güterverkehr und die Wettbewerbsfähigkeit des Personen- und Güterverkehrs im
Vergleich zur Straße.
Es ist bei der Expertengruppe “Ausbau - Varianten Südbahn” unbestritten, dass es
rasch eine gut ausgebaute, wettbewerbsfähige Nord - Süd - Verbindung geben muss.
Zu Frage 5:
Im Protokoll 9 des Beitrittsvertrages Österreichs zur Europäischen Union wurde unter
anderem auch der kapazitative Ausbau der Pontebbana - Achse vereinbart. Es ist
daher unbestritten, dass die Europäische Union diese Achse allein durch die
Aufnahme in das genannte Dokument neben den vier weiteren Achsen (Brenner,
Tauern, Pyhrn - Schober, Donau) als europäische Verkehrsnotwendigkeit erachtet.
Darüberhinaus ist die Pontebbana - Achse auch in den gemeinschaftlichen Leitlinien
für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN) enthalten, was ihre
europäische Bedeutung unterstreicht und Gemeinschaftszuschüsse nach der TEN -
Finanzierungsverordnung ermöglicht. Von
der Europäischen Union wurden bisher
Zuschüsse in der Höhe von 1 Mio € für das Jahr 1996 und 1,3 Mio € für die Jahre
1997 bis 1999 für die Durchführung der Sondierungsarbeiten gewährt.
Desweiteren kommt die Bedeutung der Südbahnachse aus österreichischer Sicht im
Beitritt Österreichs zum AGC ("Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien
des internationalen Eisenbahnverkehrs) zum Ausdruck. Ziel dieses Übereinkommens
ist die Schaffung eines leistungsfähigen, homogenen europäischen Schienennetzes
mit bestimmten Ausbauparametern, die auf der Bergstrecke derzeit nicht erreicht
werden.
Zu Frage 6:
Die Kapazität einer Verkehrsverbindung ist ein umfassender Begriff, der sich aus der
Summe einzelner Verkehrswiderstände zusammensetzt. Die
Streckenleistungsfähigkeit ist ein Teilaspekt davon. Kapazitätseinschränkungen
bestehen jedoch im besonderen Maße durch die sich aus dem Erhaltungsaufwand
ergebenden betrieblichen Einschränkungen durch notwendige Gleissperren, durch
die Grenzbelastung der Traktion sowie durch Einschränkungen in der
Beförderungsmöglichkeit bestimmter Güter, wie z.B. Container oder die Rollende
Landstraße. Derzeit steht die volle Kapazität der Bergstrecke infolge dauernder
Erhaltungsarbeiten nur an 23 Tagen im Jahr zur Verfügung (vgl. RH - Sonderbericht,
Zl. 3300- Pr/8/98).
Zu Frage 7:
Für die Gesamtsanierung der Bergstrecke der Semmeringbahn (Oberbau,
Kunstbauten, fahrleitungs - und elektrotechnische Anlagen) werden derzeit von einer
Projektgruppe der Österreichischen Bundesbahnen alle erforderlichen Maßnahmen
hinsichtlich Machbarkeit, Kosten und Realisierungszeitraum untersucht. In diesem
Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass jede Modernisierungsmaßnahme unter
Umständen auch einen zum Teil massiven Eingriff in die Natur bedingen kann und
darüber hinaus nur mit umfangreichen Betriebserschwernissen realisierbar sein wird.
Zu Frage 8:
Die Aufgrund des aktuellen Betriebsprogrammes für den Semmering - Basistunnel
errechnete Leistungsfähigkeit
beträgt 226 Züge. Dieser Wert wurde mit einem vom
Institut für Verkehrswesen und Eisenbahnbetrieb in Aachen entwickelten Programm
errechnet, wobei für Güterzüge eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h und für
EC - bzw. IC - Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h angenommen wurde.
Zu Frage 9:
Bei Zügen des hochwertigen Reisezugverkehrs können ca. 320 KWh je Zug und
Fahrt und für Güterzüge ca. 1000 KWh je Zug und Fahrt eingespart werden.
Zu Frage 10:
Durch den Semmering - Basistunnel ist eine Reduzierung der Fahrzeiten im Ausmaß
von ca. 28 Minuten möglich.
Zu Frage 11:
Der betriebswirtschaftliche Nutzen der Streckenführung über Mürzzuschlag wird in
den Gutachten der Firma Prognos ausführlich dargestellt. Dabei wird insbesondere
auf das Potenzial im Personen - und Güterverkehr im Raum Mürzzuschlag sowie auf
Synergien im Bereich der Betriebsabwicklung (Traktionsbereitstellung) hingewiesen.
Zu Fragen 12 und 13:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sämtliche eisenbahnrechtlichen
Genehmigungsverfahren für den Semmering - Basistunnel bereits seit mehreren
Jahren abgeschlossen sind, wie auch die eingebrachten Beschwerden bei den
Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts. Damit ist der Terminus “langwierig” auf die
erforderliche naturschutzrechtliche Genehmigung gemäß dem
Niederösterreichischen Naturschutzgesetz zu beziehen. Da es sich diesfalls um eine
landesgesetzliche Regelung handelt, kommt dem Bundesminister für Verkehr,
Innovation und Technologie als Oberste Eisenbahnbehörde keine Zuständigkeit für
eine derartige Genehmigung und auch keine Eingriffsmöglichkeit zur Beschleunigung
dieses Verfahrens im Wege des Aufsichtsrechtes zu.
Grundsätzlich kann eine mögliche Verkürzung bzw. Optimierung der Bauzeit erst
nach Kenntnis der Auflagen des naturschutzrechtlichen Verfahrens beurteilt werden.
Derzeit ist mit einer Bauzeit von rund 10
Jahren zu rechnen. Nach Vorliegen des
noch ausständigen naturschutzrechtlichen Bescheides könnte eine Verkürzung der
Bauzeiten durch so genannte “Zwischenangriffe” bei den Baumaßnahmen erfolgen.
Zu Frage 14:
Die bisherigen Investitionskosten betragen ca. 1,1 Mrd. ATS, wovon ungefähr 50 %
für die Errichtung des Sondierstollens aufgewendet wurden.
Zu Frage 15:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist keine konkrete Angabe der für eine mögliche
Aufgabe des Baues des Semmering - Basistunnels aufzuwendenden Kosten möglich,
da bisher weder die hiefür erforderlichen speziellen Maßnahmen noch behördliche
Auflagen festgelegt bzw. definiert sind.
Zu Frage 16:
Die für den Semmering - Basistunnel auf Basis der geologischen Untersuchungen
präliminierten und in der bezughabenden Übertragungsverordnung festgelegten
Kosten betragen 8,6 Mrd ATS.
Zu Frage 17:
Die laufenden Erhaltungskosten der Bergstrecke der Semmeringbahn (ohne die
Bahnhöfe Gloggnitz und Mürzzuschlag) betragen derzeit für die Infrastruktur ca. 82
Mio ATS jährlich. Weiters sind durchschnittlich 60 bis 100 Mio ATS jährlich für
Reinvestitionsmaßnahmen (Bestandserneuerung Fahrweg und Fahrleitung)
erforderlich.
Für die Gesamtsanierung der Bergstrecke der Semmeringbahn (Oberbau,
Kunstbauten, fahrleitungs - und elektrotechnische Anlagen) werden derzeit von einer
Projektgruppe der Österreichischen Bundesbahnen alle erforderlichen Maßnahmen
hinsichtlich Machbarkeit, Kosten und Realisierungszeitraum untersucht.
Es kann davon ausgegangen werden dass grundsätzlich jede
Modernisierungsmaßnahme im Bereich der Bergstrecke realisierbar ist. Am Beispiel
der für einen uneingeschränkten Gütertransport notwendigen Vergrößerung des
Gleisabstandes von bisher 3,6 m auf 4,0 m ist
jedoch erkennbar, dass
umfangreichen Sanierungsmaßnahmen - insbesondere die Erneuerung der Viadukte
bzw. die Aufweitung der Tunnel einschließlich kompletter Erneuerung der
Tunnelverkleidung und Neuerrichtung der laut UNESCO schützenswerten
Tunnelportale - in Verbindung mit massiven betrieblichen Einschränkungen während
der Bauzeit erforderlich sind.
Die Erstellung eines entsprechenden Erhaltungskonzeptes für die Bergstrecke der
Semmeringbahn ist von der Entscheidung über den Bau und in weiterer Folge die
Inbetriebnahme des Semmering-Basistunnels abhängig.
Entsprechend dem Sonderbericht des Rechnungshofes (ZI. 3300 - PrI8I98) ist der
lokale Personenverkehr zwischen Payerbach - Reichenau und Mürzzuschlag sehr
gering. Zählungen der Österreichischen Bundesbahnen ergaben eine
durchschnittliche Besetzung der Regionalzüge in diesem Streckenabschnitt von
höchstens 14 Reisenden.
Hinsichtlich des Weiterbestandes der Bergstrecke werden derzeit drei Möglichkeiten
diskutiert:
- zweigleisige elektrifizierte Strecke für den Regionalverkehr
- eingleisige elektrifizierte Strecke für den Regionalverkehr
- eingleisige nichtelektrifizierte Strecke für den Regionalverkehr.
Welche Möglichkeit unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Betriebs- und
Erhaltungskosten realisiert wird, ist letztendlich von der Entscheidung über den Bau
des Semmering-Basistunnels abhängig.
Zu Frage 18:
Grundsätzlich ist anzumerken1 dass Wassereintritte bei Stollen- und Tunnelbauten,
wie auch die Vergangenheit zeigt, keine außergewöhnlichen Situationen darstellen.
In den seit Jahrzehnten bereits bestehenden Tunnelbauwerken in Österreich sind
keine unwiederbringlichen Schäden der Flora und Fauna durch Wassereintritte
bekannt.
Zu Frage 19:
Nach Vorliegen der noch offenen naturschutzrechtlichen Genehmigung im Sinne des
Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes kann mit den erforderlichen
Ausschreibungen und den Bauvorbereitungsmaßnahmen für den Semmering -
Basistunnel begonnen werden.
Zu Frage 20:
Meine Auffassung hinsichtlich des Semmering - Basistunnels habe ich bereits
mehrfach bekannt gegeben.
Zu Frage 21:
Es stehen derzeit keine weiteren Arbeiten an, da die geologischen Erkundungen auf
der steirischen Seite abgeschlossen sind. Nach Vorliegen der naturschutzrechtlichen
Genehmigung im Sinne des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes werden die
Arbeiten unter Einbindung der betroffenen Bundesländer fortgesetzt.