4055/AB XXI.GP

Eingelangt am: 22.08.2002

BUNDESMINISTERIUM
FÜR SOZIALE SICHERHEIT UND GENERATIONEN

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage

Nr. 4134/J der Abgeordneten Brosz, Haidlmayr, Freundinnen und Freunde, wie

folgt:

Frage 1 :

In den meisten Krankenhäusern wird bei den Neugeborenen ein generelles Hör-
screening durchgeführt. Bei einem auffälligen Test wird innerhalb einer Woche der
Test wiederholt. Bei anhaltendem Verdacht einer Hörschädigung erfolgt eine
HNO-ärztliche Untersuchung sowie weitere Spezialuntersuchungen (Hirnstamm-
audiometrie, Verhaltens- und Reflexaudiometrie).

Danach basiert der Erstverdacht auf Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit von Kin-
dern entweder auf Wahrnehmungen der Eltern selbst oder entsteht im Rahmen von
routinemäßigen allgemeinmedizinischen oder kinderfachärztlichen Untersuchungen.
Im Regelfall erfolgt sodann die rasche Weiterverweisung an Fachambulanzen durch
behandelnde ÄrztInnen. Bei entsprechender Diagnosestellung wird dort auch die
Erstbetreuung eingeleitet.


Fragen 2, 3, 4, 5 und 6:

Die Eltern werden von ÄrztInnen an Fachambulanzen für Kinder mit Hörstörungen,
welche in Abteilungen für Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen eingerichtet sind,
weiterverwiesen.

In allen Bundesländern stehen Krankenanstalten mit HNO-Abteilungen sowie Spezi-
alambulanzen der Universitätskliniken für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde zur Ab-
klärung und weiteren Betreuung von Kindern mit Hörschädigungen zur Verfügung.
In diesen Krankenanstalten werden auch Frühfördermaßnahmen angeboten, die von
Logopädlnnen und ambulanten Einrichtungen unterstützt werden. Ziele sind die Her-
stellung einer optimalen Kommunikationsfähigkeit mit der Familie und dem sozialen
Umfeld sowie die Integration in die Gesellschaft.

Die Elternberatung von Kindern mit Hörstörungen ist unverzichtbarer Teil des ge-
samten Behandlungsweges. Sie erfolgt durch FachärztInnen für Hals-, Nasen- und
Ohrenerkrankungen im niedergelassenen Bereich, besonders jedoch in den ange-
sprochenen Fachabteilungen und Spezialambulanzen.

Elternberatung bieten unter anderem auch die Mobilen Beratungsdienste für Kinder
und Jugendliche. Die Dienste wurden 1976 als ein Angebot der Bundessozialämter
gegründet. Heute gibt es sie im Burgenland, in der Steiermark, in Oberösterreich,
Salzburg, Kärnten und Wien. Die Dienste arbeiten als interdisziplinäre Teams beste-
hend aus Diplomierten Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen, FachärztInnen für Kin-
derheilkunde bzw. Kinderneuropsychiatrie und anderem Fachpersonal. Sie beraten
und betreuen Kinder und Jugendliche, die von körperlichen, geistigen und/oder psy-
chosozialen Beeinträchtigungen betroffen oder bedroht sind.

Der Zugang zu den Leistungen ist freiwillig und kostenlos, die Teams sind in den
Bundesländern klientennah lokalisiert und machen auch Hausbesuche. Schwer-
punkte der Tätigkeit sind die Frühförderung und die Begleitung der Klientinnen an
der Schnittstelle Schule - Beruf (im Rahmen der Umsetzung der “Behindertenmilli-
arde"). Im Jahr 2001 betreuten die Mobilen Beratungsdienste 2.650 Kinder und Ju-
gendliche bzw. deren Familien.

Die Mobilen Beratungsdienste für Kinder und Jugendliche, deren primäre Aufgabe
die Diagnostik von Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen zwi-
schen 0 und 19 Jahren ist, zählen Gehörlose nicht in erster Linie zum Kreis ihrer
Klientinnen. Die regionale Betreuung von Gehörlosen in der Altersgruppe bis sechs
Jahre erfolgt durch Spezialeinrichtungen und durch die Mobilen Beratungsdienste.
Nachstehend sind einige - von den Mobilen Beratungsdiensten genannte - Betreu-
ungsformen beispielhaft angeführt.


Oberösterreich:

In der Gehörlosenambulanz der Barmherzigen Brüder in Linz wird spezielle Frühthe-
rapie in einer Kombination aus den Fachkreisen Logopädie mit mototherapeutischer
Zusatzausbildung, Linguistik, Psychologie und Neuropsychologie angeboten. Das
psychologische Angebot richtet sich auch an die Eltern. Das Ziel dieses Betreuungs-
konzepts für die Gehörlosen ist, ein hohes Niveau an Kommunikationsfähigkeit zu
erreichen und ihre kognitiven Fähigkeiten zu fördern. Das Erlernen der österreichi-
schen Gebärdensprache und begleitende Gebärdensprache werden ebenfalls ange-
boten.

Das Institut für Hör- und Sehbildung in Linz bietet für Kinder im Alter bis ca. drei Jah-
re Ergotherapie und Logopädie in Kombination mit Hausbesuchen an, weiters psy-
chologische Beratung bzw. Entwicklungsstanderhebung. Für Kinder im Kinder-
gartenalter gibt es die Möglichkeit der mobilen Förderung, heimpädagogische Grup-
pen, Integrationsgruppen, bilinguale Gruppen oder die mobile Integration am Hei-
matort. Ziel dieser Bestrebungen ist die soziale Integration. Die Kinder sollen zur
Lautsprache geführt werden. Gebärdensprache wird eingesetzt, wenn das Ziel ver-
bale Sprache nicht erreicht wird.

Burgenland:

Im Burgenland - hier ist der Mobile Beratungsdienst flächendeckend tätig - werden
derzeit 15 gehörlose oder schwer hörbehinderte Kinder zwischen 0 und 6 Jahren be-
treut. Der Schwerpunkt liegt dabei auf ambulanter Frühförderung durch allgemeine
Frühförderinnen, teilweise mit Zusatzausbildungen für hörbehinderte Kinder (inkl.
Gebärdensprachkurse) unter Kooperation mit dem Bundesinstitut für Gehörlosenbil-
dung in Wien bzw. am pädaudiologischen Institut in Graz. Eine ausgebildete Gebär-
dendolmetscherin (selbst gehörlos) unterstützt Kinder bei der Integration in Schule
und Freizeit und bietet Kurse in Gebärdensprache an.

Steiermark:

Angeboten wird Gehörfrühförderung von derzeit zwei Therapeutinnen für die ge-
samte Steiermark, betrieben vom Landesinstitut für Gehörgeschädigte in
Graz/Rosenberggürtel. Die angebotenen Programme haben primär das Ziel, die ver-
bale Sprache zu fördern; erst wenn dieses Ziel nicht erreicht werden kann, wird Ge-
bärdensprache eingesetzt.

Kärnten:

In Kärnten wird Frühförderung für gehörlose Kinder im Vorschulalter von der Arbeits-
vereinigung der Sozialhilfe Kärnten angeboten. Seitens des Mobilen Beratungsdiens-
tes werden Eltern betroffener Kinder an diese Einrichtung verwiesen.

Wien:

In der Bundeshauptstadt finden Gehörlose eine eigene Frühförderstelle für ihre
Betreuung. Der Mobile Beratungsdienst verweist an die Frühberatungsstelle des Ös-
terreichischen Hilfswerks für Taubblinde (ÖHTB) im 6. Wiener Gemeindebezirk.


Frage 7:

Gehörlose oder schwer hörgeschädigte Kinder und Jugendliche finden in Österreich
eine gute diagnostische und therapeutische Versorgung vor. Es werden sowohl all-
gemeine Frühförderung als auch - bundesländerspezifisch - spezielle Fördermaß-
nahmen für die betroffene Gruppe angeboten.

Ob das Erlernen der österreichischen Gebärdensprache den richtigen Weg zu einer
besseren Integration in alle Lebensbereiche darstellt, ist im Einzelfall abzuwägen.
Die lautsprachliche Entwicklung steht bei Therapien jedenfalls im Vordergrund.
Ziel einer proaktiven Gesundheitspolitik ist es jedenfalls, dass Gehörlose selbst ohne
gesellschaftlichen Druck entscheiden können, welcher Ausdrucksform sie sich be-
dienen möchten. Dies setzt voraus, dass Gebärdensprache und Lautsprache als
gleichwertig akzeptiert und gefördert werden.

Fragen 8 und 9:

Der Wiener Taubstummen-Fürsorgeverband (WITAF) bietet seit einigen Jahren bei
entsprechender Nachfrage u.a. eigene Gebärdensprachkurse für Eltern mit gehörlo-
sen Kindern an.

Weiters werden Gebärdensprachkurse unter anderem von folgenden Stellen ange-
boten:

In Österreich werden Ausbildungen zum Gehörlosendolmetscher als Studium an der
Universität Graz bzw. seit kurzem als Akademielehrgang an der PÄDAK in Linz an-
geboten.

Frage 10:

Je nach Schweregrad der Hörbehinderung werden pädaudiologische Förderung und
Beratung, entwicklungspsychologische Diagnostik und Förderung, logopädische
Förderung, Hörgeräte-Anpassung bzw. Cochlearimplantat-Anpassung angeboten.


Frage 11:

Vom Österreichischen Gehörlosenbund wird vierteljährlich eine fachspezifische In-
formationszeitschrift herausgegeben (“Österreichische Gehörlosenzeitung").

Eltern mit gehörlosen Kindern können sich unter anderem an folgende Kontaktad-
ressen wenden:

Wiener Taubstummen-Fürsorgeverband (WITAF);
1020 Wien, Kleine Pfarrgasse 33
Tel.: 214 58 74
http://www.witaf.at.

Österreichischer Gehörlosenbund
1100 Wien, Waldgasse 13
Tel.: 603 08 53
http://www.oeglb.at

In diesem Zusammenhang kann auch auf die bestehenden Verbände der gehörlo-
sen Menschen hingewiesen werden (Näheres siehe
www.gehoerlos.at).