4089/AB XXI.GP
Eingelangt am: 02.09.2002
Bundesminister für Finanzen
Auf die schriftliche
parlamentarische Anfrage der Abgeordneten
Dr. Evelin Lichtenberger und
Kollegen vom 11. Juli 2002, Nr. 4217/J,
betreffend die Absicht der Regierung, bei
der Postbus-“Privatisierung" ein
kartell- und EG-rechtlich fragwürdigen Beinahe-Monopol
“Austro-Bus" im
österreichischen Kraftfahrliniensektor herbeizuführen, beehre ich
mich
Folgendes mitzuteilen:
Die
gegenständliche Anfrage nehme ich zum Anlass, eine kurze Darstellung
der
gegenwärtigen und künftigen Situation der Busdienste von Post und
Bahn zu
geben.
Verkehrsleistungen der Busdienste von Post
und Bahn werden seit jeher teil-
weise parallel geführt und sind daher volkswirtschaftlich teuer. Dies
haben
bereits Vorgängerregierungen erkannt,
weshalb schon im Regierungs-
übereinkommen von 1997 vereinbart wurde, die Kraftwagendienste von
Bahn
und Post in Kooperation mit Privaten schrittweise zusammenzuführen. Einige
halbherzige Maßnahmen - wie die Gründung einer eigenen
"Bundesbus-
Geschäftsstelle"
- führten jedoch zu keinem Erfolg. Der Rechnungshof
kritisierte
daher im Jahr 1993, dass die Kooperation Schiene-Autobus, aber
auch jene der Busdienste untereinander in Folge unterschiedlicher Interessen
häufig mangelhaft war, und empfahl als Fernziel eine Zusammenführung
der
Busdienste.
Die Bevölkerung
hat ein Recht auf bestmögliche Versorgung mit Einrich-
tungen
des öffentlichen Personen-Nahverkehrs ohne Verschwendung von
Steuergeldern.
Die jetzige Bundesregierung hat sich daher von Anfang an das
Ziel gesetzt, eine volkswirtschaftlich sinnvolle Lösung bei gleichzeitiger
Ver-
besserung
der öffentlichen Nahverkehrsversorgung zu finden und hat daher
bereits
im Jahr 2000 entsprechende Vorarbeiten eingeleitet. Diese Vorbe-
reitungsmaßnahmen
fanden unter mehreren Gesichtspunkten statt: Zu-
sammenführung
der beiden Busdienste im Rahmen einer österreichischen
Lösung
unter Einbeziehung privater Verkehrsunternehmen, Verbesserung
und Attraktivierung des
öffentlichen Verkehrs, Wahrung der berechtigten
Interessen der Mitarbeiterinnen beider
Unternehmen, Abbau von Parallel-
leistungen von Bahn und Post,
Erarbeitung von integrierten Verkehrs-
konzepten gemeinsam mit den
Verkehrsverbundorganisationen, Steigerung
der Eigenwirtschaftlichkeit, sowie
Erhöhung des Kundennutzens.
Entsprechende
Untersuchungen haben ergeben, dass sich durch eine Zu-
sammenführung
der Busdienste von Bahn und Post unter der Annahme
eines
100%igen Anteilserwerbs ein Synergiepotential von etwa 22,7 Mio. € pro
Jahr
ergeben könnte (z.B. aus Teilprojekt Markt, Vewaltungszusammen-
führung, Reduktion Bus
km-Fahrdienst, Kostenreduzierung bei 5 Mio. Bus-
km, Mietkostenreduktion, gemeinsamer
Einkauf).
Ein
weiteres Synergiepotential Bus-Schiene in Höhe von etwa 14,5 Mio. €
p.a.
ergibt sich durch die
Zusammenführung von Bahnbus und Postbus inner-
halb der ÖBB durch die gemeinsame
Fahrplankonzeption. Weiters kann
durch die Zusammenlegung von Werkstätten und Betriebshöfen durch den
Verkauf der freiwerdenden Immobilien ein Einmaleffekt mit einer Netto-
Wirkung insgesamt
(Veräußerungserlös abzüglich Abbruchkosten) in Höhe
von
rund 78 Mio. € erzielt werden. Entsprechende
Veräußerungserlöse er-
geben sich aus der Übertragung von Werkstätten der
Österreichischen Post-
bus AG
auf ÖBB in Höhe von rund 16 Mio. €, aus der Übertragung
von Werk-
stätten der ÖBB auf die Österreichische Postbus AG in Höhe
von rund
2,7 Mio.
€ sowie aus gemeinsamen Projekten an mehreren Standorten in
Höhe von rund 84 Mio.
€. Laut einer Mitteilung der ÖBB werden sich die
Einsparungen, die sich aus den genannten
Synergieeffekten ergeben können,
höchstwahrscheinlich noch
erhöhen.
Bedeutsame verkehrs-
und volkswirtschaftliche Vorteile des Zusammen-
schlusses
liegen in der Sicherstellung der flächenmäßigen
Erschließung bei
gleichzeitiger
Hebung von Kostensenkungspotenzialen durch Reduktion von
Parallelleistungen bei einer gleichzeitigen Steigerung des Kundennutzens.
Freigesetzte Potentiale können für die Erschließung neuer
Verkehre zur Er-
höhung
des Wirkungsgrades verwendet werden. Durch Anschlussver-
besserungen,
gemeinsame Fahrplankonstruktionen in Abstimmung speziell
auch mit dem Schienenverkehr
(Zubringerfunktion), damit Verkürzung der
door-to-door-Zeit und geringere Wartezeiten
wird eine Optimierung des Ver-
kehrsangebotes möglich. Durch
eine intensive Abstimmung werden eine ge-
meinsame Fahrplanauskunft, ein einziger Ansprechpartner für die
Kunden,
integrierter Verkehr sowie
flächendeckende Verkehrskonzepte realisiert
werden können.
Die Österreichischen
Bundesbahnen (ÖBB) haben die Absicht erklärt, 100 %
der
Aktien der Österreichischen Postbus AG von der Österreichischen
Industrieholding AG (Ö1AG) kaufen zu wollen. Der Vorstand der ÖBB hat
einen
Beschluss getroffen, die betriebswirtschaftlichen Vorteile aus der Zu-
sammenführung der beiden
Busdienste voll auszunützen und unmittelbar
nach Zusammenführung der beiden Dienste den Betrieb unter einheitlicher
Leitung und unter Wahrung der gesellschaftsrechtlichen Eigenständigkeit
sowie der Regionalstruktur der
Österreichischen Postbus AG als Tochter der
ÖBB zu optimieren.
Ziel
der Zusammenführung der beiden Busdienste ist insgesamt ein besseres
Angebot
für die Konsumentinnen und Konsumenten bei gleichzeitig opti-
mierter
Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch alle Beteiligten.
Nicht
zuletzt dient ein entsprechender Veräußerungserlös für die
ÖIAG den
Interessen des Bundes im Hinblick auf den weiteren Abbau der Schulden der
ÖIAG.
Aus den
genannten Gründen hat die Bundesregierung in der Sitzung des
Ministerrates
am 14. Mai 2002 beschlossen, der ÖIAG den Auftrag zu er-
teilen,
in einem ersten Schritt 100 % der Aktien der Österreichischen Post-
bus AG
an die ÖBB unter der Voraussetzung abzugeben, dass eine teilweise
Privatisierung
des Unternehmens in einem zweiten Schritt tatsächlich umge-
setzt
wird.
In der
außerordentlichen Hauptversammlung der ÖIAG vom 6. Juni 2002
wurde
entsprechend dem Beschluss des Ministerrates vom 14. Mai 2002 und
dem zugrundeliegenden Vortrag des Bundesministers für Finanzen an den
Ministerrat
dem Vorstand der ÖIAG der Auftrag erteilt, zur Schaffung einer
Österreichischen
Buslösung 100 % der Aktien der Österreichischen Post-
bus AG
an die ÖBB abzugeben. Gemäß dem Beschluss der Hauptver-
sammlung
hat die ÖIAG bei der Vertragsgestaltung sämtliche maßgeblichen
inländischen und EU-Rechtsvorschriften zu beachten. Weiters hat die
ÖIAG
in
Erfüllung dieses Auftrages im Interesse der Bevölkerung den best-
möglichen
Erlös unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens
und der
Wahrung österreichischer Interessen zu erzielen.
Aufgrund
des der ÖIAG erteilten Auftrages zur Schaffung einer österreichi-
schen
Buslösung sind nunmehr zwischen ÖIAG und ÖBB die Verhandlungen
über
die Abgabe sämtlicher Anteile der ÖIAG an der Österreichischen
Post-
bus AG
zu führen.
Im
Zusammenhang mit dem Erwerb der 100%-Anteile der Österreichischen
Postbus
AG ist die ÖBB verpflichtet, bei dieser Lösung private Verkehrs-
unternehmen
zur Verbesserung der Wettbewerbssituation im Interesse der
Fahrgäste und der Besteller in kartellrechtskonformer Weise so rasch wie
möglich einzubinden. Selbstverständlich muss diese Beteiligung allen
privaten
Interessenten offen stehen. Entsprechende Interessenbekundungen
einzelner privater
Unternehmen betreffend die Übernahme von Marktanteilen
samt anteiligen Overheadbelastungen gegen
einen anteiligen Kaufpreis liegen
bereits vor; es wurden auch schon
Arbeitsgruppen zwischen ÖBB und den
privaten Unternehmen eingerichtet. Alternativ wurde seitens der ÖBB
privaten Unternehmen auch die
Möglichkeit zum Erwerb von Gesellschafts-
anteilen an der Österreichischen
Postbus AG im Ausmaß einer Minderheits-
beteiligung von rund einem Drittel offeriert, wobei mit dieser
Beteiligung auch
eine entsprechende Vertretung privater
Anteilseigner in den Unternehmens-
organen verbunden sein sollte. Der Bundesminister für Verkehr,
Innovation
und Technologie wird gemeinsam mit dem Bundesminister für Finanzen die
Einbindung der privaten Interessenten im Sinne einer fairen und für beide
Seiten vorteilhaften Weise
erforderlichenfalls sicherstellen, wobei die dafür
allenfalls erforderlichen Eigentümermaßnahmen seitens des
zuständigen
Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zu treffen
sind.
Parallel zur Abwicklung der
gegenständlichen Transaktionen sind im Inter-
esse der Verbesserung der
Wettbewerbssituation legistische Maßnahmen im
Bereich des Kraftfahrliniengesetzes
(Übergang der Konzessionsrechte bei Be-
triebsübernahme) sowie des
ÖPNRV-Gesetzes (Abrechnung der Leistungs-
bestellungen fakultativ über
Unternehmen, Verbundorganisation oder geeig-
nete Dritte) vorzusehen.
Im Einzelnen beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu 1.:
Gemäß § 7 Abs. 1 ÖIAG-Gesetz 2000, BGBl. I Nr. 24/2000, ist die ÖIAG in
Erfüllung des jeweils für eine Legislaturperiode von der Bundesregierung be
schlossenen
Privatisierungsauftrages mit der gänzlichen oder teilweisen
Privatisierung
jener Unternehmen betraut, deren Anteile ihr übertragen sind
oder
ihr künftig durch Bundesgesetz oder Rechtsgeschäft zur Privatisierung
übertragen
werden.
Nach
der in den Erläuterungen enthaltenenen ausdrücklichen Definiton ist
unter
dem Begriff der Privatisierung die Veräußerung von Anteilen an Be-
teiligungsgesellschaften
zu verstehen.
Eine Konformität der
beabsichtigten Eigentumsveränderungen bei der derzeit
zu 100 %
im Eigentum der ÖIAG stehenden Österreichischen Postbus AG mit
den
Bestimmungen des ÖIAG-Gesetzes 2000 ist daher vollinhaltlich gegeben.
Zu 2.. 4.. 5. und 7.:
Ich verweise auf meine in der Einleitung enthaltenen
Ausführungen und ins-
besondere
auf den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der
ÖIAG
vom 6. Juni 2002, wonach die ÖIAG bei der Vertragsgestaltung sämtli-
che
maßgeblichen inländischen und EU-Rechtsvorschriften zu beachten hat.
Zu 3.:
Kartellrechtsangelegenheiten
fallen in den Zuständigkeitsbereich des
Bundesministeriums
für Justiz, weshalb ich um Verständnis dafür ersuche,
dass ich
diese Frage nicht beantworten kann und verweise hiezu auf die Be-
antwortung
der Anfrage Nr. 4219/J durch den Herrn Bundesminister für
Justiz.
Zu 6.:
Die Golden-Share Judikatur betrifft Rechtsfragen, die sich im vorliegenden
Zusammenhang nicht stellen.
Zu 8.:
Aus der Frage ist
mir nicht ersichtlich, was unter dem so genannten
"Optionenpapier"
zu verstehen ist, weshalb mir eine Beantwortung dieser
Frage leider nicht möglich ist.
Zu 9.:
Vom Bundesministerium
für Finanzen wurde die Finanzprokuratur mit der
rechtlichen Beurteilung von im Zusammenhang
mit der Veräußerung der
Anteilsrechte an der
Österreichischen Postbus AG stehenden Fragen be-
auftragt. Ich ersuche jedoch um
Verständnis dafür, dass aus Gründen der
erforderlichen Vertraulichkeit eines
Beratungsgutachtens keine näheren De-
tails bekannt gegeben werden
können. Eine direkte Belastung des Bundes-
haushaltes im Zusammenhang mit diesen
Beratungsleistungen der Finanz-
prokuratur ist nicht gegeben.
Zu 10.:
Die
Fusionskontroll-Verordnung ist auf die gegenständliche Transaktion
mangels Erreichens der Umsatzschwellen nicht anwendbar. Darüber hinaus
fällt
die Beantwortung dieser Frage in den Zuständigkeitsbereich des
Bundesministeriums
für Justiz, weshalb ich hiezu ebenfalls auf die Beant-
wortung der Anfrage Nr.
4219/J durch den Herrn Bundesminister für Justiz
verweise.
Zu 11.:
Diese Frage
fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes, wes-
halb ich
diese Frage nicht beantworten kann.
Zu 12.:
Eine Beihilfe kann nur dann vorliegen,
wenn Anteile unter dem Marktwert
veräußert werden. Die ÖIAG
beabsichtigt nach einer dem Bundesministerium
für Finanzen erteilten Information nicht, die Anteile an der
Österreichischen
Postbus AG unter dem Marktwert zu
veräußern.
Zu 13. und 14.:
Die Beantwortung
dieser Fragen fällt in den Zuständigkeitsbereich des
Bundesministers
für Verkehr, Innovation und Technologie. Ich verweise daher
auf die Beantwortung der Anfrage Nr. 4220/J.
Zu 15. und 16.:
Hiezu verweise ich auf die Beantwortung der Anfrage Nr. 4219/J durch den
Herrn Bundesminister für Justiz.
Zu 17.:
Ich verweise auf die
in der Einleitung enthaltenen Ausführungen, wonach in
einem
ersten Schritt die Aktivitäten des Bundes im Bereich ÖPNRV bei der
ÖBB
gebündelt und in einem zweiten Schritt die Busaktivitäten teilweise
privatisiert
werden sollen.
Zu 18. bis 20.:
Die Beantwortung dieser Fragen fällt in den Zuständigkeitsbereich des
Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie.