4155/AB XXI.GP

Eingelangt am: 09.09.2002

BM für Justiz:

 

 

zur Zahl 4251/J-NR/2002

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Beeidigung von Zeugen nach
dem Gesetz vom 3. Mai 1868, RGBI 33" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7:

Ich habe dem Nationalrat einen Entwurf eines Strafprozessreformgesetzes vorge-
legt, der eine grundlegende Reform des strafprozessualen Vorverfahrens umfasst.
Darin dokumentiert sich meine Haltung zur Bedeutung des Eides. Nach den Be-
stimmungen der §§ 160 und 161 der Regierungsvorlage eines Strafprozessreform-
gesetzes, 1166 BlgNR
XXI. GP, ist der Eid als Bekräftigung einer Zeugenaussage
nicht mehr vorgesehen. Die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen bemerken,
dass eine Beeidigung von Zeugen, die nach geltendem Recht im Vorverfahren nur in
Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. §§ 169 bis 171 StPO), im künftigen Ermittlungsver-
fahren ohne weiteres verzichtbar ist. Sollte der Eid in der Hauptverhandlung weiter-
hin als geeignetes Mittel zur Wahrheitsfindung angesehen werden, so wären die Be-
stimmungen der §§ 170 und 171 StPO über die Eideshindernisse und über die Ei-
desformel im Anschluss an § 247 Abs. 2 StPO zu regeln.

Soweit nicht - wie von dem in den Jahren 1974 bis 1983 im Bundesministerium für
Justiz tagende Arbeitskreis für Grundsatzfragen einer Erneuerung des Strafverfah-
rensrechts vorgeschlagen - einer völligen Abschaffung der Beeidigung als solcher
der Vorzug gegeben wird, trete ich für die Verwendung einer Eidesformel ein, die
eine religiöse Beifügung vermeidet und sich etwa an jener orientiert, die Zeugen und


Sachverständigen im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte abverlangt wird. Zeugen haben nach Art. 66 Z 1 der Verfahrensordnung des
EGMR folgenden Eid zu leisten:

“Ich schwöre" - oder “ich erkläre feierlich bei meiner Ehre und meinem Gewissen" -
“dass ich die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts anderes als die Wahrheit aus-
sage."

Ich möchte aber in diesem Punkt nicht den Beratungen des bereits eingesetzten Un-
terausschusses des Justizausschusses zur Behandlung der Regierungsvorlage ei-
nes Strafprozessreformgesetzes und den dort - unter Beiziehung von Experten -
vertretenen Ansichten vorgreifen.

Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2002 wird in der ZPO das in den §§ 205 f geregelte
Institut des "verglichenen Eides" mit 1.1.2003 abgeschafft, wonach die Anerkennung
eines Rechtsverhältnisses oder die Übernahme der Verbindlichkeit zu einer Leis-
tung, Duldung oder Unterlassung von der Ablegung eines vereinbarten Eides ab-
hängig gemacht werden konnte. Dieses Rechtsinstitut wurde schon 1984 von Fa-
sching
in der ersten Auflage seines Lehrbuches zum österreichischen Zivilprozess-
recht als "heute völlig bedeutungslos geworden und nur rechtshistorisch erklärbar"
bezeichnet.

Was jedoch eine Änderung der Zivilverfahrensgesetze in Richtung genereller Ab-
schaffung des Eides im Zivilprozess betrifft, so wird vorerst die Entscheidung des
Gesetzgebers zum Eid im Strafverfahren abgewartet. Die im Zuge dieser rechtspoli-
tischen Diskussion sowie aus einer allfälligen Änderung der StPO gewonnenen Er-
fahrungswerte über die Verzichtbarkeit oder Umgestaltung des Eides werden we-
sentliche Auswirkungen für die künftige Regelung im Zivilverfahren haben; bei einer
positiven Evaluierung wird eine parallele Vorgangsweise auch für den Zivilprozess in

Erwägung gezogen.

 

Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der - wortgleichen - parlamentari-
schen Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija STOISITS, Kolleginnen und Kolle-
gen, ZI. 372/J-NR/1996, durch meinen Vorgänger im Amt, Dr. Nikolaus MICHALEK,

vom 7. Juni 1996.