4158/AB XXI.GP
Eingelangt am: 09.09.2002
Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft
und Kultur
Die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 4141/J-NR/2002 betreffend Etablierung einer
zentralen Meldestelle
für Tierversuche, die die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic,
Kolleginnen und Kollegen am 9. Juli 2002 an
mich richteten, wird wie folgt beantwortet.
Zunächst einmal muss zu der im
zweiten Absatz der Einleitung zur gegenständlichen parlamenta-
rischen
Anfrage enthaltenen Behauptung, dass “das österreichische Gesetz
(Anmerkung: gemeint ist
offenbar das Bundesgesetz
über Versuche an lebenden Tieren - Tierversuchsgesetz, BGBl.
Nr. 501/1989 i.d.F. BGBl. I Nr. 169/1999 - TVG)
daher nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu ver-
einbaren
sei", festgestellt werden, dass diese Behauptung unzutreffend und
unrichtig ist. Tatsache
ist
vielmehr, dass im Rahmen des Beitritts zur Europäischen Union und auch in
Abklärung mit der
Europäischen
Kommission u.a. auch die Frage der Vereinbarkeit des österreichischen
Tierversuchs-
rechtes mit dem
Gemeinschaftsrecht Gegenstand war und bekanntlich hiezu auch ergänzende
legistische Maßnahmen
österreichischerseits ergingen; und zwar das Bundesgesetz BGB1. I
Nr. 169/1999 sowie die
Verordnung über die Haltung, Unterbringung und Pflege, Zucht- und
Liefereinrichtungen sowie Kennzeichnung von
Versuchstieren (Tierversuchs-Verordnung), BGB1.
II Nr.
198/2000, die schließlich seitens der EU-Kommission die Bestätigung
der Übereinstimmung
mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Tierversuchsrichtlinie RL
86/609/EWG, zur Folge
hatte.
Weiters ist unzutreffend, dass “es in
Österreich fast unmöglich ist einen Überblick über die
bereits
erteilten
Genehmigungen aufgrund der Kompetenzverteilung zu erhalten". Tatsache ist
vielmehr,
dass durch § 1 und
§ 21 TVG sowohl die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung
von Ver-
suchen an lebenden Tieren als auch die
Zuständigkeit für die Vollziehung des TVG eindeutig ge-
regelt sind.
Wobei in diesem Zusammenhang die
verfassungsrechtliche Kompetenz des Bundes zur Erlassung
eines (Bundes-)Tierversuchsgesetzes bekanntlich als Annex-Kompetenz (Materie)
zu bestehenden
Bundeskompetenzen gegeben ist, und zwar im Einzelnen (siehe § 1 TVG)
a) in Angelegenheiten des Hochschulwesens (Art. 14 Abs. 1 B-VG),
b) in Angelegenheiten der wissenschaftlichen Einrichtungen
des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z 13
B-VG),
c) in Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie (Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG),
d) in
Angelegenheiten des Gesundheitswesens, des Veterinärwesens und des
Ernährungswesens
einschließlich
der Nahrungsmittelkontrolle (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) sowie
e) in Angelegenheiten
betreffend Maßnahmen des Umweltschutzes, soweit der Bund gemäß
Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG zuständig ist.
Demzufolge sind für die
Vollziehung des TVG gemäß § 21 TVG (in Verbindung mit dem
Bundes-
ministeriengesetz)
zuständig:
1. in Angelegenheiten des § 1 lit. a der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur;
2.
in Angelegenheiten des § 1 lit. b der für die jeweilige
wissenschaftliche Einrichtung des Bundes
zuständige
Bundesminister;
3. in Angelegenheiten des § 1 lit. c der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit;
4. in Angelegenheiten des § 1 lit. d der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen;
5.
in Angelegenheiten des § 1 lit. e sowie in Angelegenheiten des
Chemikaliengesetzes 1996,
BGBl. I
Nr. 53/1997, sowie
6.
in Angelegenheiten der Land- und Forstwirtschaft, soweit dafür der Bund
zuständig ist, insbe-
sondere
in Angelegenheiten des Wasserrechtsgesetzes 1959 sowie des
Pflanzenschutzmittel-
gesetzes 1997, BGBl. I Nr. 60/1997, der Bundesminister für
Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft.
Wenngleich aufgrund der
verfassungsrechtlichen Kompetenzlage eine Zuständigkeit des Bundes
nach
Sach- bzw. Hauptmaterien und daher auch von mehreren Bundesministerien aufgrund
Sach-
zuständigkeit
eine Zuständigkeit für Tierversuche (die Vollziehung des TVG) gegeben
ist, bedeutet
dies
keineswegs Unklarheiten in Bezug auf Zuständigkeiten oder zuständige
Behörden. Weiters
besteht
zwischen den Bundesministerien einerseits und dem jeweils zuständigen
Bundes-
ministerium und den für
diese in der mittelbaren Bundesverwaltung tätig werdenden Behörden
andererseits eine gute Kooperation und auch
ein substanzieller Informationsaustausch.
So wurde z.B. zuletzt im Vorjahr vom Bundesministerium
für Bildung, Wissenschaft und Kultur im
Zusammenwirken
mit allen anderen für die Vollziehung des TVG zuständigen
Bundesministerien
ein so
genanntes “Behördenseminar" für die mit der
Durchführung der Tierversuchsangelegenheiten
befassten Behörden bzw. Behördenvertreter in den
Ländern durchgeführt, mit einem regen
Informations- und Erfahrungsaustausch sowie auch mit der Zielsetzung einer
einheitlichen Voll-
ziehung des TVG. Dies alles auch im Sinne einer “effizienten
Vernetzung" der zuständigen Be-
hörden.
Des Weiteren ist zu erkennen, dass das
TVG, insbesondere § 3 Abs. 3 lit. d TVG, nicht die Aner-
kennung von Tierversuchen
regelt, sondern vielmehr die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit eines
Tierversuchs. Art. 22 Abs. 1 der
Tierversuchsrichtlinie 86/609/EWG enthält zwar die Finalität,
“un-
nötige" Wiederholungen bzw. Doppelausführungen von
Tierversuchen zu vermeiden, stellt aber
keine Bestimmung dar, wonach
grundsätzlich Wiederholungen oder Doppelausführungen von Tier-
versuchen unzulässig sind. [Art. 22 Abs. 1 RL 86/609/EWG lautet:
Artikel 22 (1) “Um unnötige
Doppelausführungen von Versuchen zur Einhaltung einzelstaatlicher oder
gemeinschaftlicher
Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften zu
vermeiden, erkennen die Mitgliedstaaten die Gültigkeit
der Ergebnisse von Versuchen, die auf dem Gebiet eines anderen
Mitgliedstaats durchgeführt
wurden, so weit wie möglich an, es sei
denn, dass zusätzliche Versuche zum Schutz der Volks-
gesundheit und öffentlichen
Sicherheit notwendig sind."] Das bedeutet, dass das Tierversuchsgesetz
die “falsche Adresse" für die Durchsetzung der
Anerkennung von im Ausland erlangten Er-
gebnissen von Tierversuchen ist; das TVG
regelt bekanntlich nur die Zulässigkeit bzw. Unzulässig-
keit von Tierversuchen, ordnet aber
die aus sachlichen Gründen gegebene Notwendigkeit von Tier-
versuchen ebenso wenig an, wie es die
Anerkennung von Ergebnissen von anderen Tierversuchen
regelt. Ob allenfalls die EU-Richtlinie
in dieser Beziehung rechtsgültig und ausreichend in öster-
reichisches Recht umgesetzt worden ist oder nicht, ist keine Frage des
Tierversuchsgesetzes,
sondern der Materiengesetze (z.B.
Arzneimittelgesetz, Lebensmittelgesetz, Chemikaliengesetz und
dgl.).
In diesem Zusammenhang ist auch immer zu beachten, dass
eine gemäß Art. 22 der
RL 86/609/EWG geforderte
Anerkennung von Ergebnissen aus Tierversuchen immer nur im
Zusammenhang mit konkreten gesetzlichen Vorschriften erfolgen kann, da nur in
diesen Fällen
auch die Verfahren und Methoden des
jeweiligen Tierversuchs (Versuchsprotokolle) rechtlich vor-
gegeben sind. Es ist nun einmal nicht
möglich, Ergebnisse aus Tierversuchen anzuerkennen, ohne
die bei der Erzielung dieser
Ergebnisse angewandten Verfahren und Methoden mit zu inkludieren.
Daraus ergibt sich auch die
grundsätzliche Problematik, Ergebnisse aus Tierversuchen in Daten-
banken oder sonstige öffentliche
Verzeichnisse aufzunehmen. Dies ist u.a. auch der Grund, warum
in den Wissenschaften, die auf
Tierversuche angewiesen sind, die publizierten Ergebnisse aus Tier-
versuchen immer wieder zu
überprüfen und auf deren Richtigkeit und Reproduzierbarkeit zu unter-
suchen sind.
Ad 1.:
Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass bei
Antragstellern für die Genehmigung eines Tier-
versuchs
sowohl die österreichische Tierversuchsgesetzgebung als auch die
einschlägigen
Materiengesetze
sowie EU-Recht als bekannt vorausgesetzt werden muss, d.h. dass im Ausland
durchgeführte
Tierversuche und insbesondere Ergebnisse von Tierversuchen in der EU, in
Österreich
grundsätzlich anerkannt werden sowie andererseits, dass derartige
Anträge für Tier-
versuche
unter der Voraussetzung des § 3 Abs. 3 lit. d, weil unzulässig, keine
Genehmigung er-
halten.
Die Anerkennung von Ergebnissen eines
Tierversuchs ist nicht Angelegenheit des TVG, sondern
jeweiliger
Materiengesetze. Für den Bereich von Wissenschaft und Forschung, dem
Kompetenz-
bereich
des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, setzt jede
Genehmigung
eines
Tierversuchs eine gutachterliche Stellungnahme eines entsprechenden
Sachverständigen (ein-
schließlich
einer kommissionellen Beratung einer Kommission gemäß § 12 TVG)
voraus, in der
auch
die Frage gegebener Bekanntheit der im Tierversuch angestrebten Erkenntnisse
abzuklären ist.
Ad 2.:
Grundsätzlich gilt das zu Frage
l Ausgeführte. Ergänzend ist noch anzumerken, dass jeder
Antragsteller
in seinem Antrag angeben muss, ob entsprechende Ergebnisse aus Vorversuchen be-
reits vorliegen oder nicht;
darüber hinaus setzt jede Genehmigung eines Tierversuchs eine
gutachterliche Stellungnahme eines
entsprechenden Sachverständigen voraus, der ebenfalls auf das
Vorhandensein entsprechender
Ergebnisse aus Vorversuchen einzugehen hat.
Ad 3.:
Wie schon einleitend - siehe oben -
festgestellt, ist die EU-Konformität des österreichischen Tier-
versuchsrechts gegeben; die EU-Richtlinie 86/609/EWG enthält keinen
Hinweis für eine “zentrale
Stelle
für Tierversuche" und sieht auch keine derartige “zentrale Stelle"
vor.
Ad 4.:
Es gibt - wie schon einleitend dargestellt - weder eine “unübersichtliche Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern" noch “negative Auswirkung", hingegen eine gute Kooperation
zwischen den für die Vollziehung des TVG zuständigen Bundesministerien einerseits sowie
zwischen den Bundesministerien und den für die Vollziehung zuständigen Behörden in den Ländern
andererseits.
Ad 5.:
Die
Errichtung einer österreichischen nationalen Datenbank ist nicht zielführend,
da - im inter-
nationalen Vergleich - viel zu wenige
Ergebnisse aufgenommen würden. Wenn überhaupt könnte
nur zumindest eine EU-weite
Datenbank, wie sie von ECVAM vorgesehen ist, sinnvoll sein.
Seit Beginn der 90er Jahre des vorigen
Jahrhunderts ist der Zugang zu den Daten und Tierversuchs-
ergebnissen von ZEBET und
ECVAM sichergestellt. Besonders mit ZEBET besteht eine für
Österreich außerordentlich gute Zusammenarbeit mit einer
jederzeitigen Hilfestellung für alle an
Tierversuchsfragen Interessierten und selbstverständlich für
Wissenschafter und mit der Voll-
ziehung des Tierversuchsgesetz befassten
Behörden.
Ad 6. und7.:
Im letzten Jahrzehnt wurden allein im
Ressortbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissen-
schaft
und Kultur mehr als 30 Mio. ATS bzw. € 2,3 Mio. für
Forschungsprojekte zu Ersatz-
methoden
zum Tierversuch zur Verfügung gestellt.
Seit der parlamentarischen
Anfragebeantwortung 3239/AB vom 28. Februar 2002 wurden folgende
Forschungsprojekte
vergeben:
Projekte: Ersatzmethoden zum Tierversuch
Projekttitel
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Auftragnehmer
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Kolon in Vitro Modell II
|
Institut für
Krebsforschung,
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Chronic in vitro toxicity testing
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Institut für Physiologie und
|
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In Vitro Cardiomyogenesis
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Institut für Medizinische Biochemie
|
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In vitro Methoden zur akuten
|
ÖFZ Seibersdorf GmbH
|
Weitere aufgrund der
laufenden Ausschreibung beantragte Forschungsprojekte befinden sich derzeit
in
Begutachtung.
Ad 8.:
Dass die Tierversuchszahlen in den letzten Jahren - fast
ausschließlich bei Mäusen und Ratten -
wieder leicht angestiegen sind, hat seine Ursache in verstärkter
biomedizinischer Forschung bio-
medizinisch und biowissenschaftlich forschender Unternehmen sowie der
Medizinischen
Fakultäten,
so insbesondere Wiens, zur Bekämpfung bedeutender Krankheiten, wie vor
allem
Krebs,
Leukämie, Multipler Sklerose oder Aids. Im Rahmen der Krebsforschung geht
es u.a. um die
Entwicklung
verbesserter Chemotherapien mit verminderter Belastung der Patienten. Weitere
Gründe
für die etwas erhöhten Tierversuchszahlen bei Ratten und Mäusen
sind im Besonderen im
Gesundheitsbereich (Ressortbereich des Bundesministeriums für soziale
Sicherheit und
Generationen)
die Entwicklung eines Hepatitis C-Impfstoffes sowie in
Qualitätskontrolllabors die
Testung
von Hepatitis A-Vaccinen, weiters das gestiegene Probenaufkommen für
FSME-Wirk-
samkeits-Tests
und Tetanus-Antitoxin-Test. Für diese Impfstoffe sind
Lagerstabilitäten über zwei
Jahre
erforderlich, wobei im ersten Jahr vermehrt Tierversuche durchgeführt
werden müssen und
keine
Ersatz- oder Alternativmethoden zur Anwendung kommen können.
Schließlich macht die
verstärkte
Entwicklung von medizinischen und pharmazeutischen Heilmitteln Tierversuche als
Vor-
stufe
und Voraussetzung für klinische Versuche am Menschen auch bei
zielstrebigem Einsatz von
Ersatzmethoden
unerlässlich.