4199/AB XXI.GP
Eingelangt am: 11.09.2002
BM für Inneres
Die Abgeordneten Mag.
Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde, haben am 11. Juli 2002
an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
“unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge"
gestellt.
Diese Anfrage beantworte ich
nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Im Zusammenhang mit Asylanträgen
unbegleiteter Minderjähriger ist darauf hinzuweisen,
dass die Behörden auf Grund fehlender oder gefälschter Dokumente in
vielen Fällen nur auf
den Augenschein und die Angaben der betreffenden Fremden angewiesen sind.
Anzumerken ist weiters, dass in den fremdenpolizeilichen Statistiken Fremde bis
zum
vollendeten 19. Lebensjahr erfasst sind.
zu den Fragen 1 und 2:
Asylanträge
von unbegleiteten Minderjährigen können erst seit 1.07.2001 im
Asylwerberinformationssystem des Bundesministeriums für Inneres
elektronisch erfasst
werden. Darüber hinaus gehende Statistiken liegen nicht vor.
Demzufolge
haben in der Zeit vom 1.07.2001 bis 31.12.2001 insgesamt 1.741 unbegleitete
Minderjährige einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt.
Im selben Zeitraum wurden 6 Asylverfahren
rechtskräftig positiv und 16 Asylverfahren
rechtskräftig negativ abgeschlossen. Statistiken über die
Anhängigkeit der Asylverfahren
unbegleiteter Minderjähriger bei den Asylbehörden werden nicht
geführt. Die übrigen 1.719
Verfahren waren am 1. Jänner 2002 noch in einer der beiden Instanzen
anhängig oder es
wurde das Verfahren eingestellt oder der Asylantrag zurückgezogen.
zu Frage 3:
Im 2. Halbjahr 2000 wurden 651,
im 1. Halbjahr 2001 1.028, im 2. Halbjahr 2001 1.694 und
im 1. Halbjahr 2002 127 Minderjährige in Schubhaft genommen.
zu Frage 4:
Aus den seit dem 4. Quartal 2000
geführten statistischen Aufzeichnungen ergibt sich
folgende Anzahl von unbegleiteten Minderjährigen in Schubhaft:
|
|
4. Quartal 2000
|
1.Halbjahr 2001
|
2. Halbjahr 2001
|
1.Halbjahr 2002
|
|
bis 16 Jahre
|
9
|
34
|
6
|
6
|
|
16 bis 19 Jahre
|
120
|
183
|
272
|
41
|
|
Gesamt
|
129
|
217
|
278
|
47
|
zu Frage 5:
Die Altersverteilung der in Frage 1 angeführten Minderjährigen stellt sich wie folgt dar:
|
|
2. Halbjahr 2000
|
1.Halbjahr 2001
|
2. Halbjahr 2001
|
1.Halbjahr 2002
|
|
bis 16 Jahre
|
280
|
366
|
629
|
7
|
|
16 bis 19 Jahre
|
371
|
662
|
1.065
|
120
|
zu den Fragen 6 und 7:
Da diesbezüglich bei den zuständigen
Behörden keine verwertbaren oder
automationsunterstützt erfassten Daten vorliegen, würde eine
Beantwortung dieser Fragen
eine Durchsicht jedes einzelnen in Frage kommenden Aktes erfordern, wofür
ausreichende
Kapazität nicht zur Verfügung steht.
Hinsichtlich der Dauer der Schubhaft ist jedoch generell
anzuführen, dass die Behörde
verpflichtet ist (§ 69 Abs. 1 FrG), darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft
so kurz wie
möglich dauert.
Außerdem wurden die
Behörden besonders auch auf § 66 FrG hingewiesen, wonach die
Behörde bei Minderjährigen regelmäßig von der
Verhängung der Schubhaft abzusehen und
das gelindere Mittel
anzuordnen hat. Demnach dürfe von dessen Anwendung nur Abstand
genommen werden, wenn die Behörde aufgrund bestimmter Tatsachen Grund zur
Annahme
hat, dass der Zweck der Schubhaft auf diese Weise nicht erreicht werden kann,
insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass der Minderjährige bereits
zuvor versucht
hat, sich dem Verfahren zu entziehen, oder es sich um einen straffällig
gewordenen
Minderjährigen
handelt.
Schließlich wurden die Behörden verpflichtet,
Minderjährige unter 14 Jahren keinesfalls in
Schubhaft zu nehmen und die Zahl der Minderjährigen in Schubhaft so gering
wie möglich
zu
halten.
zu Frage 8:
Die
räumlichen Voraussetzungen für Einzelhaftbereiche werden evaluiert
und auch den
Empfehlungen des CPT und des Menschenrechtsbeirates folgend, umgebaut oder bis
zur
Zweckadaptierung aus der
Verwendung genommen.
Im laufenden Bauvorhaben
Polizeianhaltezentrum Ost wurden die Zellen entsprechend den
jeweiligen Empfehlungen des CPT und den internationalen
Strafvollzugsgrundsätzen
konzipiert. Diese sollten nach Inbetriebnahme die Grundlage für die
weitere Vorgangsweise
bilden.
zu den Fragen 9 bis 11:
Ich verweise auf die
Beantwortung der Fragen 5 und 6 der parlamentarischen Anfrage
Nr.
606/J, vom 6. April 2000.
Im Übrigen verweise ich
darauf, dass die einschlägigen Statistiken für die verschiedenen
EU-Gremien nach präzisen Vorgaben zu führen sind und die in diesen
Fragen
angesprochenen Daten nicht erfassen. Da deren Erhebung in keinem
Verhältnis zu dem
damit verbundenen Aufwand stünde, ersuche ich um Verständnis
dafür, dass ich die
Führung solcher
Statistiken nicht angeordnet habe.
Hinsichtlich § 4 Asylgesetz ist
anzumerken, dass diese Bestimmung wegen der
einschlägigen aktuellen Judikatur des VwGH kaum zur Anwendung kommt.
So wurden im Jahr 2000
insgesamt lediglich 140, im Jahr 2001 bloß 80 Verfahren gemäß
§ 4 Asylgesetz rechtskräftig abgeschlossen.
zu den Fragen 12 bis 14:
Im Rahmen der bei Abschiebungen und Zurückschiebungen
gesetzlich vorgesehenen
Refoulementprüfungen werden auch derartige Vorbringen gewürdigt. Bei
Vorliegen
konkreter diesbezüglicher Anhaltspunkte werden über NGO's oder die
Sozialfürsorge
Erkundigungen über die Eltern der Minderjährigen im Heimatland
eingeholt.
Im Sinne der genannten
Entschließung der Europäischen Union wurden beginnend mit
1.04.2001 in Graz, in weiterer Folge auch in Wien, Salzburg, Linz sowie Traiskirchen
und
zuletzt am 1.01.2002 in Mödling Clearingstellen eingerichtet. Deren
Aufgabe besteht neben
der Unterbringung und Verpflegung unbegleiteter Minderjähriger vor allem
in der
Ausforschung von Verwandten in der Heimat
sowie in der Klärung der familiären
Verhältnisse.
In “Clearingverfahren" soll es
zu einer raschen Klärung des fremden- und asylrechtlichen
Status des Fremden kommen und je nach Ausgang dieses Verfahrens sollen die
notwendigen Schritte für eine Integration bzw. für die Rückkehr
in den Herkunftsstaat
gesetzt
werden.
Seit 1.04.2001 bis
zum 31.07.2002 wurden in den obgenannten Clearingstellen 912
Minderjährige
betreut.
zu den Fragen 15 bis 20:
Ich verweise auf die Beantwortung zu den Fragen 12 bis 14
der parlamentarischen Anfrage,
Nr.
606/J, vom 6.04.2000.
Ich habe darüber hinaus die zuständigen
Behörden nunmehr erlassmäßig insbesondere
darauf hingewiesen, dass das Problem der Überprüfung der
Altersangaben eines Fremden
im Fehlen einer allgemein anerkannten sowie rechtlich zulässigen
medizinischen -
wissenschaftlichen Methode besteht. Es sind daher sowohl die Behörden als
auch jene
Personen, die von den Behörden zur Altersfeststellung herangezogen werden
können, wie
zum Beispiel Amtsärzte, bei der Überprüfung der Altersangaben
des Fremden auf
Augenschein und eigene Erfahrung angewiesen.
Bei der Altersschätzung werden vor allem Menschen in
den Entscheidungsprozess
miteinbezogen, die aus beruflichen Gründen über viel Kontakt und
Erfahrung mit
Minderjährigen
verfügen (zum Beispiel Kinderärzte, Jugendpsychologen). Trotz der
Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage durch die Beiziehung solcher Experten
darf die
mit den Schätzungen verbundene Bandbreite nicht außer Acht gelassen werden.
Für
den Fall, dass unter Berücksichtigung dieser Bandbreite die
Unterschreitung des
gesetzlich vorgegebenen Mindestalters nicht ausgeschlossen werden kann, wurden
die
zuständigen Behörden angewiesen, im Zweifel von der
Minderjährigkeit des Betroffenen
auszugehen.
Statistiken über die Anzahl und Art der Altersfeststellungen liegen nicht vor.
zu den Fragen 21 und 22:
Gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. a der
Entschließung der Europäischen Union vom 26.06.1997
betreffend unbegleitete minderjährige
Staatsangehörige dritter Länder müssen unbegleitete
Asylwerber, die behaupten minderjährig zu sein, grundsätzlich ihr
Alter nachweisen, womit
auch im Kontext des österreichischen Asylverfahrens eine Glaubhaftmachung
des Alters
erforderlich ist.
Ist dieser Altersnachweis nicht möglich oder bestehen
ernste Zweifel, so kann gemäß Art 4
Abs 3 lit. b der Entschließung das Alter des Asylwerbers geschätzt
werden. Um hiebei zu
objektiven Ergebnissen zu kommen, besteht die Möglichkeit, mit Zustimmung
des
Minderjährigen, seines gesetzlichen Vertreters oder der bestellten
Einrichtung, einen
medizinischen Altersbestimmungstest durch geschultes medizinisches Personal
durchführen
zu lassen. Da im Asylverfahren - anders als im Strafverfahren - die
Minderjährigkeit eines
Asylwerbers nur verfahrensrechtliche Konsequenzen hat, sind die Mitarbeiter des
Bundesasylamtes angewiesen, im Zweifel von der behaupteten
Minderjährigkeit eines
Antragstellers auszugehen und die hieraus sich ergebenden verfahrensrechtlichen
Folgerungen
zu beachten.
zu Frage 23:
Das Schulungsprogramm des Bundesasylamtes umfasst u.a. eine
spezifische Ausbildung
im Bereich der sogenannten
"besonders sensiblen Gruppen", wovon neben traumatisierten
Personen und weiblichen Flüchtlingen auch die unbegleiteten
Minderjährigen erfasst sind.
So enthielt bereits das Schulungsprogramm 2000 einen Fortbildungsschwerpunkt im
Bereich "Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern".
Auch in den Jahren 2001
und 2002 waren und sind zu dieser Gruppe von Asylwerbern spezielle
Fortbildungs-
veranstaltungen vorgesehen, die unter Beiziehung der besten Experten
Österreichs
abgehalten wurden und werden.
zu Fragen 24 und 25:
Die
Aufnahme und Unterbringung erfolgen nach den Vorgaben des Bundesbetreuungs-
gesetzes (BGBI. Nr. 405/91) und der Bundesbetreuungsverordnung (BGBI. Nr.
31/92).
zu Frage 26:
Unbegleitete
minderjährige Asylwerber waren während des Jahres 2000
ausschließlich in
den Betreuungsstellen Bad Kreuzen und Traiskirchen untergebracht. Mangels
detaillierter
statistischer Erfassung kann für das Jahr 2000 nur die Gesamtzahl in
Höhe von rund 400
Asylwerbern für diese Gruppe bekannt gegeben werden.
Für das Jahr 2001 bestehen zu den unten
genannten Stichtagen statistische
Aufzeichnungen. Daraus
ergibt sich:
Mit Stichtag 31.01.2001 befanden sich
insgesamt 277 unbegleitete minderjährige
Asylwerber in Bundesbetreuung, davon 79 Fremde in der Betreuungsstelle
Traiskirchen, ein
Fremder in der Betreuungsstelle Thalham, einer in der Betreuungsstelle
Vorderbrühl, 33
Fremde in der Betreuungsstelle Bad Kreuzen und
163 Fremde in diversen
Vertragsquartieren.
Mit
Stichtag 30.06.2001 befanden sich insgesamt 417 unbegleitete minderjährige
Asylwerber in Bundesbetreuung, davon 126 Fremde in der Betreuungsstelle
Traiskirchen, 4
Fremde in der Betreuungsstelle Thalham, 47 Fremde in der Betreuungsstelle Bad
Kreuzen
und 240 Fremde in diversen Vertragsquartieren.
Mit
Stichtag 31.01.2002 befanden sich insgesamt 376 unbegleitete minderjährige
Asylwerber in Bundesbetreuung, davon 124 Fremde in der Betreuungsstelle
Traiskirchen, 6
Fremde in der Betreuungsstelle Thalham, 8 Fremde in der Betreuungsstelle Bad
Kreuzen
und 238 Fremde in diversen Vertragsquartieren.
Mit
Stichtag 30.06.2002 befanden sich insgesamt 448 unbegleitete minderjährige
Asyl-
werber in Bundesbetreuung, davon 178 Fremde in der Betreuungsstelle
Traiskirchen, ein
Fremder in der Betreuungsstelle Thalham und 269 Fremde in diversen
Vertragsquartieren.
zu Frage 27:
Alle
Fremden in Bundesbetreuung haben Anspruch auf die in § 3 der
Bundesbetreuungs-
verordnung aufgezählten Leistungen: Gemäß § 1 Abs 1
Bundesbetreuungsgesetz umfasst
die
Bundesbetreuung neben Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe auch sonstige
notwendige Betreuungsmaßnahmen. Dabei wird das zuständige Jugendamt
eingebunden,
welches - den Vorgaben der Jugendwohlfahrt entsprechend - alle Belange der
Jugendlichen
im Einvernehmen mit den Betreuungsstellen wahrnimmt. Es steht den Jugendlichen
offen,
ihre Freizeit selbst zu gestalten; Schulausbildung ist vorgesehen. Hinsichtlich
allfälliger
traumatisierter Jugendlicher ist für ärztliche Behandlung im Rahmen
der Sozialversicherung
gesorgt. Die Jugendämter als Vertreter der Jugendlichen nehmen darauf
Bedacht, dass den
Bedürfnissen der Jugendlichen angemessen Rechnung getragen wird.
zu Frage 28:
Eine konkrete Erfassung der jeweiligen
Angebote, aufgeschlüsselt nach Vertragsquartieren,
besteht nicht, wobei die örtliche zuständigen
Jugendwohlfahrtsträger ex lege für
unbegleitete minderjährige Asylwerber mitverantwortlich sind. In der
Betreuungsstelle
Traiskirchen wurde seit 1.12.2001 mit dem Verein "SOS-Menschenrechte"
eine
Clearingstelle mit strukturiertem Tagesablauf für diese Zielgruppe im Haus
9 eingerichtet.
Weiters wurde das Haus 11 für Ausbildungs- und Freizeitaktivitäten
zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus besteht eine enge Zusammenarbeit der Betreuungsstellen mit
den
Clearingstellen in Salzburg, Graz, Linz, Wien und Mödling.
zu Frage 29:
Ja - allerdings meist nur bei Disziplinlosigkeiten bzw. in Form von
"Entlastungsüberstellungen"
vom Bundesland Wien in andere Bundesländer, wobei aber die
Zahl der Verlegungen zahlenmäßig nicht erfasst ist.
zu Fragen 30 und 31:
Ja. Schriftlich und mündlich.
zu Frage 32:
Das
Strahlenschutzgesetz trifft eine Regelung auf einfachgesetzlicher Basis, sodass
es dem
Gesetzgeber freisteht, Sonderregelungen für andere Bereiche vorzunehmen.
Dieser
Spielraum ist schon im Jahr
1997 im § 43 Abs 2 SMG (Durchleuchtung von “body
packern")und nunmehr auch im § 95 Abs 5 FrG ausgenützt worden.
zu Frage 33:
Durch
§ 95 Abs. 5 FrG soll einem Fremden, dessen Alter Gegenstand von
behördlichen
Ermittlungen ist, die Möglichkeit gegeben werden, die Durchführung
eines Handwurzel-
röntgen zu verlangen, um seine Minderjährigkeit nachweisen zu
können. Die
Konsensuskonferenz hat im Jahre 2000 festgestellt, dass unter den zur
Verfügung
stehenden medizinischen Methoden zur Altersbestimmung das Verfahren des
Handwurzelröntgens jene Methode darstellt, die bis zum 17. Lebensjahr bei
Knaben und
dem 15. Lebensjahr bei Mädchen eine relativ gute Aussagekraft mit relativ
geringem Risiko
verknüpft. Des weiteren wird der Fremde über die Aussagekraft des
Verfahrens aufgeklärt
und die Nichtäußerung des Wunsches nach dieser Untersuchungsmethode
darf nicht zu
seinem Nachteil in die Beweiswürdigung einfließen.