4238/AB XXI.GP
Eingelangt am: 18.10.2002
BUNDESMINISTERIUM
FÜR SOZIALE SICHERHEIT
UND GENERATIONEN
Ich
beantworte die an mich gerichtete parlamentarische Anfrage Nr. 4257/J der
Abgeordneten Dr. Khol,
Schwarzenberger, Dr. Stummvoll, Dr. Spindelegger
und Kollegen wie folgt:
Frage 1:
Mit häufigerem oder chronischem
Konsum können sehr wohl auch bei Cannabis
körperliche, geistige und psychische
Schäden einhergehen. Diese Erkenntnisse ha-
ben unter gesundheitlichem Blickwinkel - nämlich unter jenem der
Prävention - sehr
große Bedeutung.
Innerhalb der EU ist
der Besitz von Cannabis zu Konsumzwecken in allen Mitglied-
staaten strafbar. Die meisten
gehen aber, in unterschiedlichem Ausmaß, wie auch
Österreich in Richtung Entkriminalisierung. Das heißt, dass bei
bestehendem Verbot
Strafen im Bereich Besitz kleiner Mengen zum Eigenkonsum kaum verhängt
werden,
um die Jugendlichen nicht der Gefahr der
sich schulisch, beruflich und sozial auswir-
kenden Stigmatisierung auszusetzen.
Auch die österreichische
Bundesregierung hält diesen Weg für den richtigen, auf
Basis des geltenden
Regierungsübereinkommens ist daher an eine Freigabe soge-
nannter “weicher" Drogen nicht gedacht.
Frage 2:
In letzter Zeit gibt es - entgegen der
früheren Auffassung, dass es keine körperliche
Cannabisabhängigkeit gebe - wissenschaftliche Hinweise, dass auch eine
körperli-
che Abhängigkeit von Cannabis möglich ist.
Hinsichtlich Organschäden ist
festzuhalten, dass die negativen Auswirkungen des
Tabakrauchens auch auf den Cannabiskonsum zutreffen. Die Frage einer
möglichen
Hirnschädigung bzw. psychischen Veränderung beantworte ich unter
Frage 3.
International ist bislang kein tödlicher Überdosierungsfall bekannt
geworden.
Cannabis erzeugt wie Alkohol Räusche.
Wenn Jugendliche berauscht sind, wird in
dieser Zeit die Lernfähigkeit und Problemlösefähigkeit akut
beeinträchtigt. Findet das
häufig - ganz besonders während der Schulzeit - statt, ist mit einer
merklichen Ent-
wicklungsbeeinträchtigung zu rechnen. Überdies kann Cannabis - wie
auch Alkohol
oder etwa auch dramatische Ereignisse wie Unfälle, Familienkrisen,
Hormonumstel-
lungen etc. - latente endogene Psychosen auslösen. Bei exzessivem
Cannabiskon-
sum können wie beim Alkohol exogene Psychosen ausgelöst werden.
Frage 3:
Das quantitative Ausmaß, in dem sich
stärkerer Cannabiskonsum negativ auf Psy-
che und Geist auswirkt, ist wissenschaftlich nur schwer zu präzisieren, da
es ver-
ständlicherweise keine langfristigen experimentellen Untersuchungen mit
illegalen -
auch nicht mit legalen - Drogen am Menschen geben kann. Häufiger oder
chroni-
scher Cannabiskonsum ist mit negativer Auswirkung auf Geist, Psyche und auch
Körper
verbunden.
In letzter Zeit gibt
es deutlichere Hinweise, dass das, was seitens neurophysiologi-
scher Untersuchungen schon längst vermutet wird, mittels bildgebenden
Verfahren
(MRI) nachgewiesen werden
kann, nämlich, dass es durch längeren Cannabisge-
nuss zu deutlichen morphologischen Veränderungen kommt
(Röntgenfortschritt -
RöFo auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen).
Frage 4:
Bei häufigem und chronischem Gebrauch
können wissenschaftlichen Studien zufol-
ge jedoch negative körperliche, psychische und geistige Auswirkungen
auftreten.
Frage 5:
Erste Erfahrungen mit einer Freigabe von
Cannabis - auch hinsichtlich der Trennung
des Cannabismarktes vom illegalen Drogenmarkt - werden sich in der Schweiz zei-
gen, wo derzeit eine Regelung vorbereitet wird, die die
“Legalisierung" des Canna-
biskonsums unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht.
Heute - bei illegalem Status - machen in
Europa bereits zwischen 1/3 und 1/2 (in
den USA zwischen 1/2 und 2/3) der Bevölkerung bis zur Mitte des zweiten
Lebens-
jahrzehnts Erfahrungen mit
Cannabis.
Bei einer Legalisierung ist mit einer
relevanten Zunahme der Konsumprävalenz und
den damit einhergehenden Folgen zu rechnen, die das Ressort bestärken, den
Zu-
gang durch Beibehaltung der geltenden Gesetzeslage so restriktiv als
möglich zu
halten.
Frage 6:
Soweit Cannabis im privaten Umfeld
konsumiert wird, sind die Möglichkeiten der Öf-
fentlichkeit, Einfluss auf das Substanzkonsumverhalten von Jugendlichen zu neh-
men, eingeschränkt. Moderne Suchtprävention zielt daher insbesondere
darauf ab,
Jugendliche zu stärken, damit die Gefahr des Missbrauchs und der Abhängigkeits-
entwicklung verringert werden kann. Außerdem können unterschiedliche
kreative
Maßnahmen und
Strukturen im Jugendbereich mit dazu beitragen, den Konsum und
insbesondere den häufigen oder sogar exzessiven Konsum von psychoaktiven
Sub-
stanzen weniger
wahrscheinlich zu machen.
Drogenprävention in Form von
Aufklärung über die Gefährlichkeit des Cannabiskon-
sums wird nach bisherigen
Erfahrungen als sachliche und glaubwürdige Information
vom Gros der potentiellen oder tatsächlichen Cannabiskonsumenten dann
akzep-
tiert, wenn sie ihnen nachvollziehbar erscheint, also als integraler
Bestandteil einer
ausgewogenen Präventionsarbeit, ohne dabei eine Trennlinie zwischen
legalen und
illegalen Drogen zu ziehen.
Diese Wege der
Prävention werden daher auch von meinem Ressort beschriften
bzw.
unterstützt und gefördert.
Ich weise nochmals darauf hin, dass es
erklärtes Ziel dieser Bundesregierung ist,
keine Legalisierung von Cannabisprodukten durchzuführen und auch im
Bereich der
legalen Suchtmittel wie
Alkohol und Tabak den Schutz von Kindern und Jugendli-
chen zu
gewährleisten.
Seitens der Länder sind derzeit
ebenfalls Bestrebungen im Gange, in den Jugend-
schutzbestimmungen die diesbezüglichen Regelungen zu verschärfen und
im Be-
reich von Tabakwaren und
alkoholischen Produkten von einem reinen Konsumverbot
in der Öffentlichkeit zu
einem Abgabeverbot zu gelangen.
Frage 7:
Im Bereich der außerschulischen
Jugendarbeit setzt mein Ressort seit Jahren auf
Primärprävention und auf die Schulung von Multiplikatorinnen sowie
haupt- und eh-
renamtlichen Mitarbeiterinnen von Jugendeinrichtungen.
Dabei gilt es auch immer wieder die sich
rasch verändernden Jugendszenen und
Jugendkulturen zu
berücksichtigen. So forciert mein Ressort auch die Weiterentwick-
lung der Peer Group Education. Ziel ist dabei u.a. die verstärkte
Einbindung von Ju-
gendlichen in die Entwicklung von Präventionsprogrammen, da diese selbst
am bes-
ten über die Bedürfnisse und das Verhalten ihrer Altersgruppe
Bescheid wissen.
Wissen, Stärkung von
Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit sind wichtige Fakto-
ren gegen die Entwicklung von Suchttendenzen und gleichzeitig Aufgabe jedweder
Jugendarbeit. Das seit dem Jahr 2000 bestehende
Bundes-Jugendförderungsgesetz
sieht daher als besonders förderungswürdige Maßnahme die
Prävention vor; dem-
entsprechend wird auch in der Fördervergabe Wert auf den präventiven
Charakter
von Projekten gelegt.
Mit dem 4. Bericht zur Lage der Jugend,
der im Jahr 2003 fertiggestellt wird, wird
auch eine erstmalige Erhebung über die Wirkung von Prävention in der
außerschuli-
schen Jugendarbeit vorliegen, sowie
Vorschläge für die verstärkte Kooperation zwi-
schen Jugend- und Präventionsarbeit. Damit wird eine Grundlage
vorhanden sein,
ab 2003 noch gezielter Präventionsmaßnahmen in der Jugendarbeit zu
setzen.
In einer von meinem Ministerium
beauftragten und vom österreichischen Bundesin-
stitut für Gesundheitswesen durchgeführten Studie über
“Drogenspezifische Prob-
lemlagen und Präventionserfordernisse bei Jugendlichen" wurde
deutlich, dass ge-
rade in der außerschulischen Jugendarbeit die für Drogen
“anfälligen" Jugendlichen
verstärkt miteinbezogen werden müssen, um anderweitige Alternativen
zum Drogen-
konsum zu finden sowie diese in einem sozialen Beziehungsnetz zu halten. Eine
weiterführende Untersuchung meines Ressorts über diesbezügliche
Modellprojekte
wird derzeit durchgeführt.