4267/AB XXI.GP
Eingelangt am: 08.11.2002
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier,
Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
“Ladungen oh-
ne
Zustellnachweis" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Vorbemerkung:
Die Justizbehörden in den Ländern haben im Jahr
2000 allein für Postentgelte (Brief-
und Paketpost) 423 Millionen Schilling (30,75 Millionen Euro) aufgewendet. Von
die-
sem Betrag entfielen allein 235 Millionen Schilling auf das zusätzlich zu
entrichtende
Entgelt für die Behandlung als Rückscheinbrief. Mit einem Anteil von
23% an den
gesamten Sachausgaben stellen die Ausgaben für die Beförderung von
Briefsen-
dungen die größte Sachausgabe dar.
Während
im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit geschaffen wurde, Zustellungen
in aller Regel ohne Rückscheinbrief vorzunehmen, sahen die
Verfahrensvorschriften
für gerichtliche Verfahren meist die Zustellung durch Rückscheinbrief
bzw. die
Eigenhandzustellung vor. Dies hatte zur Folge, dass mit über 50% der
Briefsendun-
gen mit Rückscheinbrief (RSa oder RSb) zugestellt wurden. Knapp zwei
Drittel die-
ser Zustellungen mit Rückscheinbrief entfiel auf RSb-Zustellungen
(Anmerkung: Zu-
stellung an Ersatzempfänger zulässig), ein gutes Drittel auf RSa-
Zustellungen (An-
merkung: Zustellung zu eigenen Händen; Zustellung an Ersatzempfänger
unzuläs-
sig). In den letzten Jahren wurden gerade die Entgelte für
Zusatzleistungen wie Zu-
stellung mit Rückscheinbrief und Eigenhandzustellung beträchtlich
erhöht: Das Ent-
gelt für die Beförderung eines Rückscheinbriefs (RSb) wurde
zwischen dem Jahr
2000 und November 2001 (je nach Gewicht) von mindestens 32
Schilling auf min-
destens 35 Schilling (nunmehr
2,54 Euro) angehoben. Für eine einzige eigenhändig
zuzustellende Briefsendung (RSa) sind nunmehr statt mindestens 47 Schilling
seit
2001 mindestens 63 Schilling (derzeit 4,57 Euro) zu
bezahlen; sofern die Zustellung
nicht an Postbevollmächtigte erfolgen darf, sind nunmehr mindestens 5,59
Euro (77
Schilling)
zu entrichten.
Nicht nur die hohen Beträge, die für
Briefdienstleistungen aufgewendet werden,
sondern auch die deutlichen
Tariferhöhungen gerade bei Zusatzleistungen lassen es
schon aus Gründen der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit angezeigt
scheinen, kri-
tisch zu hinterfragen, für welche gerichtlichen Verfügungen und
Erledigungen die
Zustellung mit Rückscheinbrief notwendig ist und auch den
Bedürfnissen der zu la-
denden Zeugen oder Prozessbeteiligten sowie einer zweckmäßigen
Verfahrensfüh-
rung entspricht. Neben den Kosten der Zustellung mit Rückscheinbrief, die
für La-
dungen das Fünffache der Kosten für eine Zustellung zum
Standardentgelt (2,54
statt 0,51 Euro) betragen, war in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass
die Zustellung ohne Rückscheinbrief gerade für Berufstätige
angenehmer ist, weil
man sich so den sonst oft unvermeidlichen Weg zum Zustellpostamt zur Abholung
der hinterlegten Sendung erspart.
Zu 1 bis 3:
Vorweg ist festzuhalten, dass verfügbare Auswertungen über abgefertigte Ladungen
nicht nach zivil- und strafrechtlichem Bereich
unterscheiden. Ladungen erfolgen in
der Regel über die Poststraße in der Bundesrechenzentrum GmbH. Ein
großer Teil
der Erledigungen und sonstigen Schriftstücke der Gerichte wird jedoch
durch die
einzelnen Dienststellen abgefertigt.
Zur
Ermittlung der Ersparnis wurden die Kosten für Porto und Kuvert einer (vor
Ge-
setzesänderung) rückscheinpflichtigen Sendung jenen eines
Fensterkuverts gegen-
übergestellt. Die Differenz allein an zu entrichtendem
Beförderungsentgelt betrug im
Jahr 2000 (vor Erhöhung der zusätzlichen Beförderungsentgelte)
je Sendung 25
Schilling (entsprechend etwa 1,82 Euro), im Jahr 2001 28 Schilling
(entsprechend
etwa 2,03 Euro). Auch die Kuverts sind wegen der anzubringenden Lasche aus
Durchschreibepapier teurer als einfache (Fenster-)Kuverts. Bei den Nutzern des
Elektronischen Rechtsverkehrs ist der Zustellung mit Zustellnachweis auch die
elekt-
ronische Übermittlung der Ladung gleichzuhalten (§ 79 Abs. 2 StPO;
§ 89a Abs. 2
GOG, beide geändert durch BGBI. l Nr. 26/2000). Hier
kann eine Einsparung durch
Wegfall der Porto-, Kuvert- und Papierkosten erzielt werden.
Für Ladungen über die Poststraße
stehen Auswertungen der Anzahl der ver-
sendeten Ladungen an Parteien, Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher zur
Verfügung. Im Jahr 2000 (Juni bis Dezember) betrug die Ersparnis durch
Zustellung
mit Fensterkuvert bei ca. 270.000 Ladungen rund 6,8 Millionen Schilling, im
Jahr
2001 (Jänner bis Dezember) bei ca. 474.000 Ladungen rund 13,3 Millionen
Schilling.
Das Einsparungsvolumen durch Zustellung von früher
rückscheinpflichtigen Ladun-
gen im Elektronischen Rechtsverkehr liegt derzeit bereits bei etwa 0,5
Millionen Euro
pro Jahr.
Für die von den Gerichten abgefertigten
Ladungen und sonstigen Briefsendungen
stehen keine detaillierten Aufzeichnungen zur Verfügung. Wollte man hiezu
Unterla-
gen haben, müsste jede Kanzleikraft mitschreiben, wie viele vor
Gesetzesänderung
durch Rückscheinbrief zuzustellenden Briefsendungen nunmehr mit
Fensterkuvert
zugestellt werden. Eine näherungsweise Ermittlung der finanziellen
Auswirkungen
der mit BGBI. l Nr. 26/2000 verfügten Änderungen der ZPO und der StPO
durch
Regressionsanalyse wurde beim Oberlandesgericht Linz unternommen. Diese ergab
einen durchschnittlichen Rückgang der mit Rückscheinbrief
zugestellten Sendungen
um etwa 11.900 pro Monat im Sprengel des Oberlandesgerichtes Linz
(Bundeslän-
der Oberösterreich und Salzburg). Die Ausgaben für Briefdienstleistungen
im Spren-
gel des OLG Linz betragen etwa 20% der Ausgaben für Briefdienstleistungen
in allen
vier Oberlandesgerichtssprengeln. Der Ersatz von - vorsichtig geschätzt -
bundes-
weit 50.000 Sendungen mit Rückscheinbrief durch Briefsendungen ohne
zusätzli-
ches Beförderungsentgelt pro Monat ergibt eine monatliche Ersparnis von
1,25
Millionen Schilling (2000) bzw. 1,4 Millionen Schilling (2001).
Zu 4 bis 5:
Ganz allgemein kann gesagt werden, dass Ladungen mit
Zustellnachweis die Emp-
fänger nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit erreichen als Ladungen
ohne Zustell-
nachweis: Die Statistiken weisen aus, dass nur äußerst selten
Briefsendungen auf
dem Postweg verloren gehen. Erhöht wird nur der Nachweisungsgrad.
Während
auch nach Inbetriebnahme des Verteilzentrums der Österreichischen Post
AG in Wien fast alle Briefsendungen innerhalb von drei Tagen zugestellt werden,
er-
langt der weitaus überwiegende Teil der Adressaten, die Briefsendungen mit
Rück-
scheinbrief erhalten, erst einen bis einige Tage nach
Einlangen der Briefsendung am
Postamt von dessen Inhalt Kenntnis: Im Falle der Abwesenheit von Empfänger
bzw.
Ersatzempfänger wird die Briefsendung beim Postamt hinterlegt.
Insbesondere be-
rufstätigen Personen können am späten Nachmittag bzw. Abend zwar
ihr Brieffach
entleeren und würden so vom Inhalt einer einfachen Briefsendung Kenntnis
erlan-
gen. Meist ist es ihnen aber nicht möglich, am selben Tag das Postamt
aufzusuchen,
um dort eine hinterlegte Sendung zu beheben. Bisweilen vergehen mehrere Tage,
bis Adressaten hinterlegte Sendungen beheben können. Der Zeitraum zwischen
Ab-
sendung der Briefsendung und Kenntnis-Erlangen des Empfängers vom Inhalt
der Sendung ist daher bei Rückscheinbriefen meist länger als bei
Sendungen ohne
Rückscheinbrief.
Die Zeugenpflichten, gerichtlichen Ladungen Folge zu
leisten und auszusagen, be-
stehen ungeachtet der gewählten Zustellungsart. Desgleichen hat die Form
der Zu-
stellung (mit oder ohne Nachweis) auf die Bereitschaft von Zeugen, pflichtgemäß
vor
Gericht zu erscheinen, in der Regel wenig Einfluss. Allfällige
Zwangsmaßnahmen
zur Durchsetzung dieser Pflicht sind nach wie vor an eine neuerliche, und zwar
zu
eigenen Händen (RSa) zuzustellende Ladung gebunden. Im Übrigen kann
das Ge-
richt auch schon die erstmalige Zeugenladung mit Rückschein zustellen
lassen,
wenn dies im Einzelfall zweckmäßig erscheint.
Die Ladung durch Staatsanwaltschaften war schon vor
Erlassung des Budgetbe-
gleitgesetzes 2000 ohne Zustellnachweis gesetzlich möglich und üblich.
Das Bundesministerium für Justiz hat wiederholt dazu
aufgerufen, allfällige Verfah-
rensverzögerungen, welche durch die angesprochene Regelung entstanden sein
könnten, an dieses heranzutragen. Trotz dieser mehrfachen Aufforderungen
wurden
dem Bundesministerium für Justiz keine Fälle bekannt gegeben, in
denen die La-
dung ohne Zustellnachweis zu Verfahrensverzögerungen geführt
hätte.
Zu 6 bis 11:
Vom Bundesministerium für Justiz kann nicht
abgeschätzt werden, in wie vielen Fäl-
len von geladenen Zeugen das Nichterscheinen mit nicht erhaltenen Zeugenladun-
gen begründet wurde. Eine Auskunft über die Anzahl derartiger
Fälle wäre nur zu er-
langen, wenn zum einen sämtliche im Bereich des Zivil- und Strafverfahrens
tätigen
Entscheidungsorgane mit dieser Frage befasst würden, zum anderen, wenn
diese
Entscheidungsorgane auch tatsächlich über solche Fälle gesondert
Buch geführt
hätten. An das Bundesministerium für Justiz sind
keine Beschwerden oder Mitteilun-
gen von Parteien, Parteienvertretern, Zeugen oder Bediensteten in diesem Zusam-
menhang herangetragen worden.
Zu 12:
Auf die Beantwortung der Fragen 4 bis 5 wird hingewiesen.