4273/AB XXI.GP
Eingelangt am: 08.11.2002
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
Die Abgeordneten zum Nationalrat Theresia Haidlmayr,
Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Umsetzung der
Verfassungsbe-
stimmung zur Gleichstellung von behinderten Menschen" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
In den
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz fallen
nachstehende
Punkte des Gesamtberichtes der “Arbeitsgruppe zur Durchforstung der
österreichi-
schen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmun-
gen":
Untergruppe “Rechtsschutz"
II. 2.a.-c.
(Grundsatz der Mündlichkeit, Schriftlichkeit des Verfahrens zwi-
schen Behörden und Beteiligten,
Verfahrensfristen, materielle Fristen)
III.17. (Zivilprozessordnung)
III. 18. (Außerstreitgesetz)
III. 19. (Strafprozessordnung)
III. 20. (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch)
III. 21. (Notariatsordnung - Notariatszwangsgesetz - ABGB)
III. 22. (Urheberrechtsgesetz)
III. 23. (Strafgesetzliche Vorschriften)
Untergruppe
“Berufsausübung - Beschäftigung - Erwerbstätigkeit
Aktivvorsorge - Gesundheit"
II. 9 (Richterdienstgesetz)
Zu 2 und 3:
Untergruppe “Rechtsschutz"
Zu II. 2. a. (Grundsatz der Mündlichkeit):
Der Grundsatz der Mündlichkeit, der in Art. 90 Abs. 1
B-VG ("Die Verhandlungen in
Zivil- und Strafsachen vor
dem erkennenden Gericht sind mündlich und öffentlich.")
verankert ist, stellt einen Grundpfeiler des österreichischen
Prozessrechts dar. Art. 6
Abs. 1 EMRK spricht zwar nicht expressis verbis von einem
mündlichen Verfahren,
doch ergibt sich diese Forderung zwangsläufig aus jedermanns Anspruch,
dass sei-
ne Sache
"öffentlich gehört wird" (vgl. Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht5,
Rz
274).
Der
Bericht nennt zwei Aspekte der Mündlichkeit, welche sich für
Gehörlose bzw.
Hörbehinderte diskriminierend auswirken könnten: Kostenbelastung und
die Gefahr
der "behördenfreundlichen Übersetzung" durch den von der
Behörde beigestellten
Dolmetscher. Beide Bedenken konnten für den Bereich des
Zivilverfahrensrechts mit
BGBI. l Nr. 21/1999 ausgeräumt werden: Die Kosten eines
Gebärdendolmetschers
trägt seit dem der Bund. Die Auswahl eines Dolmetschers, dem der
Betreffende ver-
traut, ist - wie auch der Bericht einräumt - kein behindertenspezifisches
Problem.
Dennoch kann ihm dadurch begegnet werden, das die Partei mit einem Dolmetscher
ihrer Wahl erscheint, dessen Kosten ebenfalls vom Bund getragen werden (vgl. Fu-
cik in Rechberger, ZPO2, Rz 4 zu § 185).
Diese Änderungen der ZPO sind mit
1.1.1999
in Kraft getreten.
Sollte demnach eine gehörlose oder stumme Partei zur
mündlichen Verhandlung
weder mit einem geeigneten Bevollmächtigten noch mit einem Dolmetsch
für Gebär-
densprache erscheinen, so ist die Tagsatzung zu erstrecken und von Amts wegen
ein solcher Dolmetsch beizuziehen, dessen Kosten der Bund trägt (§
185 Abs. 1 a
ZPO idF BGBI. l Nr. 21/1999). Für das außerstreitige Verfahren ist
im bereits fertig-
gestellten Entwurf eines neuen Außerstreitgesetzes eine entsprechende
Regelung
vorgesehen; bis dahin wird die ZPO diesbezüglich eine
taugliche Basis für eine ana-
loge Anwendung bieten.
Zu II. 2.b. (Schriftlichkeit des Verkehrs zwischen Behörden
und Beteiligten):
Der Bericht nennt zwei
Aspekte der Schriftlichkeit, die sich für Sehbehinderte diskri-
minierend auswirken könnten: die Kosten der Hilfsperson, insbesondere
für die Ak-
teneinsicht, sowie das Problem der Zustellung. Beide Bedenken können
für den Be-
reich des Zivilverfahrensrechts ausgeräumt werden: Die Kenntnis des
Akteninhalts
kann für die Führung des Prozesses entscheidend sein. Blinde oder
hochgradig
sehbehinderte Personen sollen gleiche Chancen vorfinden. Daher sieht § 79a
GOG
(i.d.F Bundesgesetz betreffend die Beseitigung behindertendiskriminierender Be-
stimmungen, BGBI. l Nr. 164/1999) vor, dass erforderlichenfalls das Gericht
dafür zu
sorgen hat, dass eine blinde oder hochgradig sehbehinderte Person, die nicht
vertre-
ten ist, vom wesentlichen Inhalt der zugestellten Schriftstücke und der
bei Gericht
befindlichen Akten Kenntnis erlangen kann; die Kosten hierfür trägt
der Bund. Kann
damit nicht das Auslangen gefunden werden, so ist der Partei unabhängig
von ihren
Einkommens- und Vermögensverhältnissen auf Antrag Verfahrenshilfe zu
gewähren,
damit sie zumindest über einen geeigneten Vertreter verfügt, der ihr
Aktenkenntnis
vermitteln kann. Diese Form der Akteneinsicht für blinde oder hochgradig
sehbehin-
derte Personen trägt mit dazu bei, gerade auch behinderten Parteien volles
rechtli-
ches Gehör zu garantieren und insofern ihrer Menschenwürde besser
gerecht zu
werden sowie - nicht zuletzt - der Sachaufklärung und Wahrheitsfindung
bestmöglich
zu
dienen.
Um
die ungestörte schriftliche Kommunikation zwischen Gericht und Parteien zu
er-
möglichen und Benachteiligungen im Zustellrecht auszugleichen, hat die
Bundesre-
gierung für behindertengerechte Zustellformulare durch eine Änderung
der Zustell-
formularverordnung Sorge getragen (BGBI. II Nr. 493/1999). Entsprechend den Vor-
gaben dieser Verordnung wurden auch die von der Justiz für die
Hinterlegung bzw.
Ankündigung des zweiten Zustellversuchs verwendeten Formulare für
gerichtliche
Zustellungen
angepasst.
Zu II. 2.c. (Verfahrensfristen):
Soweit die Fristen des Verfahrens als diskriminierend
empfunden werden, ist dem
entgegenzuhalten, dass in weiten Bereichen des Verfahrensrechts durch die ent-
sprechende Festsetzung von Fristen beziehungsweise die Möglichkeit ihrer
Verlän-
gerung entsprechende Handlungsspielräume gegeben sind.
Soweit es sich um star-
re Fristen handelt, sind diese für eine funktionierende Rechtsprechung
unabdingbar.
Während eines laufenden
Verfahrens ist durch die bereits oben erwähnten Maß-
nahmen der Kostentragung
dafür vorgesorgt, dass die Behinderten über geeignete
Hilfspersonen verfügen, die ihnen im Verkehr mit Gerichten zur Seite
stehen. Zudem
unterbricht der erwähnte, von den Einkommens- und
Vermögensverhältnissen un-
abhängige Verfahrenshilfeantrag blinder oder hochgradig sehbehinderter
Person
auch für den Fall starrer Fristen den Fristenlauf.
Zu III. 17.
(Zivilprozessordnung) und Punkt III.18. (Außerstreitgesetz);
Sowohl zu Punkt III.17.
Zivilprozessordnung als auch zu Punkt III.18. Außerstreitge-
setz ist im Bericht
festgehalten, dass es sich bei den einzelnen geprüften Vorschrif-
ten lediglich um Schutzvorschriften handelt. Da der Bericht davon ausgeht, dass
es
sich nicht um diskriminierende Bestimmungen handelt, waren keine
Maßnahmen zu
setzen.
Zu III. 19.a. (Verständigungen, Ladungen und
andere Zustellungen);
Hiezu führt der
Bericht aus, dass das Fehlen von Verständigungen, Ladungen oder
anderen Zustellungen in Blindenschrift sowie durch Bekanntmachungen mit Edikt
zu
einer Benachteiligung sehbehinderter Personen führen können.
Um Benachteiligungen blinder oder hochgradig sehbehinderter
Personen auszuglei-
chen, wurde mit BGBI. l Nr. 164/1999 ein neuer § 79a in das
Gerichtsorganisations-
gesetz (GOG) eingeführt. Die Bestimmung ist am 1. August 1999 in Kraft
getreten
und sieht im Wesentlichen vor, dass die Gerichte dafür zu sorgen haben,
dass eine
blinde oder hochgradig sehbehinderte Partei, die nicht vertreten ist, vom
wesentli-
chen Inhalt der zugestellten Schriftstücke und der bei Gericht
befindlichen Akten
Kenntnis erlangen kann; die Kosten trägt der Bund. Kann mit diesen
Maßnahmen
nicht das Auslangen gefunden werden, ist in Strafsachen § 41 Abs. 2 StPO
(Beige-
bung eines kostenlosen Verteidigers) mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf
die
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten nicht Bedacht
zu
nehmen ist.
§ 462 Abs. 2 StPO wurde im Übrigen durch die
Strafprozessnovelle 1999 (BGBI. l
Nr.
55/1999) mit Wirkung ab 1.1.2000 aufgehoben.
Zu III. 19.b. (Dolmetscher):
Der
Bericht anerkennt, dass durch die mit BGBI. l Nr. 20/1999 neu gefasste Bestim-
mung des § 164 StPO Übersetzungshilfe für gehörlose oder
stumme Zeugen durch
Gebärdendolmetscher in ausreichendem Maße vorgesehen ist.
Im Übrigen werden - im Gegensatz zu den allgemeinen
Ausführungen des Be-
richts - die Kosten für die Beziehung von Gebärdendolmetschern
für die Kommuni-
kation mit Beschuldigten
immer vom Bund getragen (§ 381 Abs. 6 StPO).
Schließlich sieht die Regierungsvorlage zu einem
Strafprozessreformgesetz (1165
BlgNR XXI. GP) Übersetzungshilfe - auch durch
Gebärdendolmetscher - für
Privatbeteiligte im gleichen Ausmaß wie für Beschuldigte vor (§
66 Abs. 2 Z 6 iVm
§
56 Abs. 1 und. 2 RV).
Zu III. 19.c. (Akteneinsicht):
Auf die oben angeführte Bestimmung des § 79a des Gerichtsorganisationsgesetzes
(GOG) wird hingewiesen.
Zu III. 19.b. (Beigabe von Rechtsvertretern und anderen Hilfspersonen):
Hiezu bemängelt der Bericht, dass nicht allen behinderten Personen, sondern nur
bedürftigen Beschuldigten ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werde.
Hinsichtlich der Frage der Bedürftigkeit ist neuerlich
auf § 79a Gerichtsorganisati-
onsgesetz (GOG) zu verweisen.
Die Frage der Beigebung von kostenlosen Vertre-
tern von Privatbeteiligten ist jedoch nicht bloß im Zusammenhang mit
behinderten
Personen, sondern in größerem Rahmen zu sehen. Eine derartige
Vertretung ist im
Gesetz derzeit nicht vorgesehen, die erwähnte Regierungsvorlage zu einem
Straf-
prozessreformgesetz schlägt sie in gewissem Umfang vor (§ 66 Abs. 3
RV).
Der im Gesamtbericht angeführte § 461 StPO wurde
durch die Strafprozessnovelle
1999 (BGBI. l Nr. 55/1999) mit Wirkung vom 1.1.2000 aufgehoben.
Zu III. 19.e. (Diskriminierende sprachliche Ausdrücke):
Der hier erwähnte § 203 StPO normiert
Rechtsfolgen für den Fall, dass sich ein Be-
schuldigter “taub,
stumm, wähn- oder blödsinnig" (ver-)stellt. Vorschriften
über das
“Verstellen" des
Beschuldigten diskriminieren aus meiner Sicht behinderte Personen
nicht, daher sehe ich hier - abgesehen vom veralteten Sprachgebrauch - keinen
Än-
derungsbedarf.
§ 203 StPO soll jedoch im Zuge der erwähnten Strafprozessreform
entfallen.
Zu III. 19.f. (Ausschluss von einem Amt):
Die
hier angeführte Bestimmung des § 2 Abs. 1 des Geschworenen- und
Schöffen-
gesetzes (GSchG) hat folgenden Wortlaut: “Vom Amt eines Geschworenen oder
Schöffen sind Personen
ausgeschlossen, die in Folge ihres körperlichen oder geisti-
gen Zustandes die Pflichten des Amtes nicht erfüllen können".
Das stellt aus meiner
Sicht lediglich eine sachliche Differenzierung dar. Auf die Ausführungen
zum Rich-
terdienstgesetz
wird hingewiesen.
Zu III. 20.a.
(Sachwalterbestellung für behinderte Personen: § 273 ABGB):
Nach dem Bericht handelt
es sich bei Punkt lll.20.a. um keine diskriminierende Be-
stimmung. Es waren daher keine
Maßnahmen zu setzen.
Zu III. 20.b. (Testierunfähiqkeit aus
mangelnder Besonnenheit: § 566 ABGB):
Im Hinblick auf die
Überlegung der Arbeitsgruppe wurde § 566 ABGB bereits durch
das Bundesgesetz betreffend die Beseitigung behindertendiskriminierender
Bestim-
mungen (BGBI. l Nr. 164/1999) geändert und die in der Bestimmung
enthaltenen
diskriminierenden Ausdrücke durch eine zeitgemäße Umschreibung
ersetzt.
Zu III. 20.c.
(Testamentserrichtunq durch besachwaltete Personen; $ 568 ABGB):
Nach dem Bericht handelt
es sich bei der Regelung, wonach Personen, denen ein
Sachwalter nach § 273 ABGB beigestellt worden ist, nur mündlich vor
Gericht oder
mündlich notariell testieren können, grundsätzlich um keine
diskriminierende Be-
stimmung.
Im Bericht wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass die
geforderte Mündlichkeit
für gewisse besachwaltete Personen, nämlich für Gehörlose
und Gehörbehinderte
sowie Stumme und sprachbehinderte Personen, einen Nachteil darstellt. Um diesen
zu beseitigen, wird das Bundesministerium für Justiz bei nächster
Gelegenheit in
§ 568 ABGB für Gehörlose und Gehörbehinderte sowie Stumme
und sprachbehin-
derte Personen die Möglichkeit, vor Gericht oder Notar schriftlich zu
testieren, einfü-
gen.
Zu Punkt III. 20.d. (Unfähige Zeugen bei letztwilligen Anordnungen:
§ 591 ABGB);
Im Hinblick auf die
Überlegungen der Arbeitsgruppe wurde § 591 bereits durch das
Bundesgesetz betreffend die Beseitigung behindertendiskriminierender Bestimmun-
gen (BGBI. l Nr. 164/1999) geändert und das als sprachliche
Diskriminierung emp-
fundenen Wort "Sinnlose" durch eine zeitgemäße
Umschreibung ersetzt. Gleichzeitig
wurde der als behindertendiskriminierend angesehene pauschale Ausschluss Blin-
der,
Tauber oder Stummer als Testamentszeugen beseitigt.
Zu Punkt III. 20.e. (Beschränkung der fideikommisarischen
Substitution: § 616
ABGB);
Im
Hinblick auf die Überlegungen der Arbeitsgruppe wurde § 616 ABGB
bereits
durch das Bundesgesetz betreffend die Beseitigung behindertendiskriminierender
Bestimmungen (BGBI. l Nr. 164/1999) geändert und das als sprachliche
Diskriminie-
rung empfundenen Wort "Sinnlosen" durch eine zeitgemäße
Umschreibung ersetzt.
Zu III. 21.a. (Notariatsaktsgesetz);
Im
Hinblick auf die Überlegungen der Arbeitsgruppe wurden im Rahmen des
ersten
Euro-Umstellungsgesetzes-Bund, BGBI. l Nr. 98/2001 (Art. 70 u. 71) sowohl das
No-
tariatsaktsgesetz als auch das Notariatstarifgesetz in enger Zusammenarbeit mit
Vertretern der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation und dem
Österreichischen
Blindenverband
geändert:
Nach
dem novellierten § 1 Abs. 1 lit. e Notariatsaktsgesetz unterliegen nunmehr
die
von Blinden errichteten Urkunden über Rechtsgeschäfte, die Angelegenheiten
des
täglichen Lebens betreffen, nicht mehr der Notariatsaktspflicht, wenn eine
von der
blinden Person beigezogene
Vertrauensperson die Urkunde über das Rechtsge-
schäft mitunterfertigt. Diese Vertrauensperson muss unbefangen sein, das
heißt, das
beabsichtigte Rechtsgeschäft darf die wirtschaftlichen oder sonstigen
Interessen der
Vertrauensperson nicht betreffen. Da Vertreter der Behindertenorganisationen
die
Notariatsaktspflicht besonders bei der Eröffnung von Girokonten durch
blinde Perso-
nen als unnötig beschränkend erachteten, wurde ausdrücklich
klargestellt, dass die-
se Regelung auch für bankübliche Verträge über die
Eröffnung von Girokonten gilt.
Von einer völligen Beseitigung der Notariatsaktspflicht für Blinde
wurde in Überein-
stimmung mit den Behindertenorganisationen abgesehen, um nicht tatsächlich
vor-
handene Schutzbedürfnisse behinderter Personen leichtfertig außer
Acht zu lassen.
Da der Zweck der Formpflicht allerdings allein dem Schutz der behinderten Ver-
tragspartei dienen soll, wurde mit dem neu angefügten
§ 1 Abs. 3 Notariatsaktsge-
setz ausdrücklich klargestellt, dass sich nur die behinderte Person auf
die Ungültig-
keit des Rechtsgeschäfts wegen Fehlens des Notariatsakts berufen kann.
Um außerdem jede "wirtschaftliche Diskriminierung" der
behinderten Person zu ver-
meiden, wurde in das Notariatstarifgesetz ein neuer § 4a eingefügt,
wonach bei
sonst gleichen Voraussetzungen ein sich bei der Erfüllung eines
notariellen Auftra-
ges aus der Behinderung einer Partei ergebendes, zusätzliches oder
strengeres Be-
urkundungserfordemis keine Erhöhung der tarifmäßigen
Gebühr zur Folge haben
darf.
Zu III. 21.b. (Form der Verträge: S 866 ABGB):
Nach dem Bericht handelt es sich bei dieser Regelung um
keine diskriminierende
Bestimmung. Es waren daher keine Maßnahmen zu setzen.
Zu III. 21.c. (Schadenersatz aus einer schuldlosen Handlung: S 1308
ABGB):
Im Hinblick auf die
Überlegungen der Arbeitsgruppe wurde § 1308 ABGB bereits
durch das Bundesgesetz betreffend die Beseitigung behindertendiskriminierender
Bestimmungen (BGBI. l Nr. 164/1999) geändert und die als sprachliche
Diskriminie-
rung empfundenen Worte "Wahn- oder Blödsinnige" durch eine
zeitgemäße Um-
schreibung ersetzt.
Zu III. 21 .d. (Hemmung der Verjährung; § 1494 ABGB):
Im Hinblick auf die Überlegungen der Arbeitsgruppe
wurde § 1494 ABGB bereits
durch das Bundesgesetz betreffend die Beseitigung behindertendiskriminierender
Bestimmungen (BGBI. l Nr. 164/1999} geändert und die als sprachliche
Diskriminie-
rung empfundenen Worte "Wahn- oder Blödsinnige" durch eine
zeitgemäße Um-
schreibung
ersetzt.
Zu Punkt III. 22.a. (Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch: § 42
UrhG);
Im Gesamtbericht wurde
festgestellt, dass eine Ausnahmeregelung für behinderte
Menschen auf eine
Privilegierung hinauslaufen würde, die mit der Beschneidung der
Rechte privater Dritter (der Urheber) verbunden wäre. Es liegt daher keine
behinder-
tenbenachteiligende Bestimmung vor, die zu bereinigen wäre.
Allerdings wurde in einem Ende Juli 2002 zur allgemeinen
Begutachtung versende-
ten Ministerialentwurf einer Urheberrechtsgesetz-Novelle 2002
eine neue freie
Werknutzung für behinderte Menschen zur Diskussion gestellt, die den Zweck
ver-
folgt, diesen zu gestatten, ein Werk in eine andere
Wahrnehmungsform zu übertra-
gen, die ihnen den Zugang zum Werk bzw. dessen Wahrnehmung ermöglicht. Von
einigen Änderungswünschen abgesehen wurde dieser Vorschlag im
Begutachtungs-
verfahren positiv aufgenommen, sodass dessen Aufnahme in die Anfang der
nächs-
ten Legislaturperiode einzubringende Regierungsvorlage in Aussicht genommen
werden
kann.
Zu III. 23.a. (Straflosigkeit der
Körperverletzung - Einwilligung des Verletzten):
Änderungen von
§ 90 Abs. 2 StGB wurden seit Veröffentlichung des Gesamtberich-
tes nicht vorgenommen und sind auch nicht geplant.
Wie bereits Pkt. III. 23a
des Gesamtberichtes ausführt, muss die Frage der Substitu-
ierbarkeit der für eine strafrechtlich gerechtfertigte Sterilisation notwendigen
Einwilli-
gung einer einwilligungsunfähigen Person dem Zivilrecht vorbehalten
bleiben. Durch
den mit dem
Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001 eingefügten § 146d ABGB
ist
nunmehr etwa eindeutig festgelegt, dass bei einem minderjährigen Kind sowohl
die
eigene als auch die vertretungsweise Einwilligung in eine medizinische
Maßnahme,
die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit des Kindes zum Ziel hat,
rechtlich nicht
möglich ist.
Bezüglich volljähriger, nicht einsichts- und urteilsfähiger
Personen regelt
der ebenfalls mit dem Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2002
abgeänderte § 282
ABGB nunmehr ausdrücklich, dass deren Vertreter (Sachwalter) in eine
Sterilisation
nicht einwilligen kann, es sei denn, dass sonst wegen eines dauerhaften
körperli-
chen Leidens eine ernste Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer
schweren
Schädigung der Gesundheit der behinderten Person besteht; eine solche
Zustim-
mung bedarf der gerichtlichen Genehmigung.
§
90 Abs. 2 StGB differenziert bei der Frage der Rechtfertigung einer mit
rechtsgülti-
ger Einwilligung vorgenommen Sterilisation grundsätzlich weder
hinsichtlich der Per-
son, an der der Eingriff vorgenommen werden soll, noch hinsichtlich des Zwecks:
Die Sterilisation an Personen, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben,
ist
unabhängig vom Beweggrund für diesen Eingriff allgemein
zulässig. Lediglich bei
Personen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren greift nunmehr die sogenannte
“Gute-
Sitten-Klausel" ein. Zur Rechtfertigung ist in einem solchen Fall
erforderlich, dass die
Sterilisation nicht den anerkannten sittlichen Wertvorstellungen widerspricht,
mit ihr
also ein entsprechend positiv zu bewertender Zweck verfolgt wird.
An eine Änderung dieser - durch die angeführten zivilrechtlichen
Neuregelungen in
ihrem Anwendungsbereich stark eingeschränkten -
strafrechtlichen Bestimmung ist
derzeit nicht gedacht.
Zu III 23.b.
(Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches):
Auch diese Bestimmung
wurde seit Veröffentlichung des Gesamtberichtes nicht ge-
ändert.
Im ersten Halbjahr 2002 hat sich ein vom Bundesminister
für Soziale Sicherheit und
Generationen eingesetzter Arbeitskreis mit der Erarbeitung von
Orientierungsrichtli-
nien für die gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs bei
embryopathi-
scher Indikation auseinandergesetzt. Dieser multidisziplinär und
repräsentativ zu-
sammengesetzte Arbeitskreis ist in seinem umfangreichen Bericht zu dem Schluss
gekommen, dass eine strafrechtliche Neuregelung nicht zuletzt deshalb nicht zu
empfehlen ist, weil die Autonomie der Schwangeren überwiegt. Vielmehr
sollen au-
ßerhalb des Strafrechts Orientierungsrichtlinien im ärztlichen
Standes- bzw. Diszipli-
narrecht
angestrebt werden.
Im Bereich des § 97 StGB sind keine legislativen Maßnahmen geplant.
Untergruppe
“Berufsausübung - Beschäftigung - Erwerbstätigkeit -
Aktivvor-
sorge
- Gesundheit"
Zu II 9. (Richterdienstgesetz):
Das Bundesministerium für Justiz spricht sich aus den
nachstehenden, im Wesentli-
chen bereits im zitierten
Gesamtbericht dargelegten Erwägungen für die unveränder-
te Beibehaltung des § 2 Abs. 1 RDG, der die Erfordernisse für die
Aufnahme in den
richterlichen Vorbereitungsdienst regelt und hiefür unter anderem (in der
Z 3) die un-
eingeschränkte persönliche, geistige und fachliche Eignung sowie die
körperliche
Eignung für den Richterberuf festlegt, aus:
Die
Vorschrift insbesondere der "körperlichen Eignung" stellt keine
isoliert personal-
rechtlich zu betrachtende Eignungsanforderung dar, sondern ergibt sich vielmehr
aus den für das Richteramt geltenden verfassungsrechtlichen und
prozessualen
Vorschriften. Sowohl die dem Richter vorgeschriebene Verfahrensführung als
auch
die dem Richter übertragene Entscheidung bedingt diese Voraussetzung der
körper-
lichen Eignung.
Der Richter hat in der Regel strittige Sachverhalte zu
entscheiden. Zur Aufklärung
eines strittigen Sachverhaltes ist es notwendig, dass sich der Richter einen
persönli-
chen und unmittelbaren Eindruck von den zur Verfügung stehenden
Beweismitteln
verschafft, was - neben einer gewissen Mobilität - vor allem die
uneingeschränkte
Fähigkeit zu unmittelbarer eigener Wahrnehmung (und zwar auch in optischer
und
akustischer Hinsicht) erfordert; diese unverzichtbare Fähigkeit wäre
beispielsweise
bei blinden oder tauben Personen nicht gegeben.
In der mündlichen Verhandlung etwa setzt die Pflicht
zur Verfahrensführung eine
entsprechende optische Wahrnehmungsfähigkeit und akustische
Artikulationsfähig-
keit voraus. Dies gilt aber vor allem auch für das Prinzip der freien
Beweiswürdigung.
Die Beweiswürdigung zählt zu den ureigensten und zugleich
wichtigsten Merkmalen
der richterlichen Tätigkeit und bildet eine der wesentlichen Grundlagen
für die
richterliche Entscheidungsfindung; es setzt die Fähigkeit zu unmittelbarer
Kenntnisnahme akustischer und auch visueller Eindrücke voraus (etwa
persönlicher
Eindruck von Zeugen und Parteien; Augenschein; Rekonstruktion des Tatherganges;
Einsichtnahme
in Beilagen, Bilder, Skizzen, etc).
Die besondere Bedeutung akustischer und optischer
Eindrücke für die Wahrheitsfin-
dung lässt sich etwa
auch aus § 162a Abs. 2 StPO ableiten, der unter anderem vor-
sieht, dass den Parteien und ihren Vertretern auch bei beschränkter
Beteiligung an
einer Zeugenvernehmung jedenfalls Gelegenheit zu geben ist, die Vernehmung in
Bild und Ton mitzuverfolgen, um ihr Fragerecht ausüben zu können.
Überdies
ist zu bedenken, dass in Österreich die Gerichtsstruktur, die durch eine
Vielzahl kleiner Bezirksgerichte gekennzeichnet ist, den Einsatz von
Universalrich-
tem erforderlich macht und daher - anders als etwa in Deutschland - nach der
Bun-
desverfassung keine "Spezialrichter" für bestimmte
beschränkte Aufgaben vorgese-
hen sind. Dies hat zur Folge, dass es zu keiner Ernennung von Richtern kommen
kann, deren körperliche Eignung nur bestimmte richterliche
Tätigkeiten zulässt. In
diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, dass auch in Deutschland eine unein-
geschränkte
Ersetzbarkeit insbesondere sinnesbehinderter Richter nicht vertreten
wird. Überdies finden richterliche Tätigkeiten, die sich in einem
reinen Aktenverfah-
ren erschöpfen, in
Österreich in der Praxis - wenn überhaupt - nur äußerst
selten
statt; in diesem Zusammenhang muss auf die Möglichkeit zur Beweiswiederholung
auch im Rechtsmittelverfahren hingewiesen werden. Nach der (allgemein anerkann-
ten und begründeten) Praxis sind in Österreich
nur solche Richter in Rechtsmittelse-
naten tätig, die zuvor bereits in erster Instanz judiziert haben.
Diese
aus dem verfassungsrechtlichen Grundverständnis des Richterberufes und
den Erfordernissen des Zivil- und Strafprozessrechtes resultierenden Argumente
sprechen - neben einer Vielzahl hier nicht zu erörternder
organisatorischer Proble-
me - nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz gegen eine
Änderung von § 2
Abs. 1 Z 3 RDG. An den darin normierten, in Bezug auf die besonderen
Anforderun-
gen an den Richterberuf sachgerechten, Voraussetzungen sollte daher
festgehalten
werden.