4316/AB XXI.GP
Eingelangt am: 18.11.2002
Die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 4376/J-NR/2002 betreffend Umsetzung der Verfas-
sungsbestimmungen zur
Gleichstellung behinderter Menschen, die die Abgeordneten Theresia
Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen am 19. September 2002 an mich richteten,
wird wie folgt
beantwortet:
Der Gesamtbericht der Arbeitsgruppe zur Durchforstung
der österreichischen Rechtsordnung hin-
sichtlich
behindertenbenachteiligender Bestimmungen wurde seitens der Bundesregierung in
der
Sitzung vom 9. März 1999 zur Kenntnis genommen und dem Nationalrat zur
geschäftsordnungs-
mäßigen
Behandlung übermittelt. Der Bericht wurde am 1. Juli 1999 im
Verfassungsausschuss be-
handelt
(vgl. AB 2033 BlgNR XX.GP) und am 13. Juli 1999 im Plenum zur Kenntnis
genommen.
Aus
Anlass der Behandlung des Gesamtberichtes im Verfassungsausschuss wurde -
basierend auf
dem
Initiativantrag 1173/A der Abgeordneten Kostelka, Khol und Genossen - der
Antrag auf Zu-
stimmung
zu einem Bundesgesetz, mit dem in einigen Gesetzen behindertendiskriminierende
Be-
stimmungen
beseitigt werden sollten, gestellt (AB 2034 BlgNR XX.GP). Dieser Antrag wurde
vom
Plenum
des Nationalrates in seiner Sitzung vom 13. Juli 1999 einstimmig angenommen,
das Gesetz
wurde mit BGBl. I Nr.
164/1999 kundgemacht. Wie sich den Erläuternden Bemerkungen zum Aus-
schussbericht
(AB 2034 BlgNR XX.GP) entnehmen lässt, lag dem Antrag der seitens der
Bundes-
regierung
vorgelegte Gesamtbericht zugrunde. Ziel des Gesetzesvorschlags war die
Änderung eines
Teils
der in diesem Bericht aufgelisteten Bestimmungen. Es wäre dem Nationalrat
freigestanden,
die
Abänderung weiterer im Gesamtbericht aufgeführter Bestimmungen in das
Gesetzesvorhaben
mit
einzubeziehen.
Ungeachtet dessen wurden auch seitens
der einzelnen Bundesministerien - so auch vom Bundesmi-
nisterium
für Bildung, Wissenschaft und Kultur - Maßnahmen zur Behebung
verschiedener im Ge-
samtbericht
aufgeführter Benachteiligungen gesetzt.
Ad 1.:
Die den Ressortbereich betreffenden Punkte sind unter Punkt D des Gesamtberichtes auf den Seiten
96 bis 113 angeführt und betreffen folgende gesetzliche Regelungen:
· Schulpflichtgesetz, BGB1. Nr. 76/1985 idF BGB1. Nr. 768/1996,
·
Schulunterrichtsgesetz,
BGB1. Nr. 472/1986 idf BGB1. I Nr. 22/1998 bzw. Schulunterrichts-
gesetz
für Berufstätige, BGBl. I Nr. 33/1997,
· Schulorganisationsgesetz, BGB1. Nr. 242/1962 idF BGBl. I Nr. 20/1998,
· Pflichtschulerhaltungsgrundsatzgesetz, BGBl. Nr. 163/1955 idF BGBl. Nr. 771/1996,
· Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 302/1984 idF BGBl. Nr. 138/1997,
·
Schulorganisationsgesetz,
BGBl. Nr. 242/1962 idF BGBl. I Nr. 20/1998,
Aufnahms- und
Eignungsprüfungsverordnung, BGBl. Nr. 291/1975 idF BGBl. II Nr. 110/1997 in Verbin-
dung mit Beamtendienstrechtsgesetz, BGBl.
Nr. 333/1979 und Vertragsbedienstetengesetz,
BGBl. Nr. 86/1948,
· Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 idF BGBl. I Nr. 23/1999.
Ad 2.:
A. Bereich Bildung:
Zum
Thema “Aufnahme als ordentlicher Schüler",
“körperliche Eignung", “Aufnahms- und Eig-
nungsprüfungsVO" sowie
“§ 121 SchOG" ist festzuhalten, dass durch die Novelle zum
Schulor-
ganisationsgesetz, BGBl. Nr. 766/1996, die gesetzlichen Grundlagen für die
Betreuung von kör-
per- und sinnesbehinderten Kindern
im gesamten Bereich der allgemein bildenden und berufsbil-
denden Schulen geschaffen wurden:
Gemäß §§ 16 Abs. 5, 29 Abs. 2, 39 Abs. 3, 55a Abs. 2 und
68a Abs. 2 hat die Schulbehörde
erster Instanz unter Bedachtnahme auf die Behinderung und die
Förderungsmöglichkeiten
sowie die grundsätzliche Aufgabe der jeweiligen Schulart Abweichun-
gen vom Lehrplan festzulegen.
Im Bereich der Akademien nach Akademien-Studiengesetz 1999
(BGBl. I Nr. 94/1999) können
die Studienkommissionen im Rahmen ihrer
durch das AStG erhaltenen Autonomie Studienpläne
erlassen, die auf Behinderungen Bedacht nehmen (vgl. dazu §§ 6
bzw. 7 AStG). Damit ist das
Aufnahmeerfordernis der
körperlichen Eignung im Hinblick auf die dennoch mögliche
Erfüllung
der
Bildungsziele der entsprechenden Ausbildung relativiert zu sehen.
Zum Themenbereich
“Bildungsangebot für behinderte Kinder nach der Schulpflicht"
wurde in der
Novelle zum Berufsschullehrplan, BGB1. II Nr. 339/2002, die
Möglichkeit geschaffen, für körper-
und sinnesbehinderte Schüler Lehrplanabweichungen zu treffen, um ihnen auf
diesem Weg den
erfolgreichen Abschluss der jeweiligen Berufsschulausbildung zu
ermöglichen. Ferner ist im Be-
reich der dualen Berufsausbildung auch auf die Vorlehre (vgl. § 8b des
Berufsausbildungsgeset-
zes,
erstmals in BGBl. I 1998/100
idF BGBl. I 2000/83)
hinzuweisen, die eine zeitliche Ausdeh-
nung der
Lehrzeit für benachteiligte Jugendliche (Jugendliche mit
Lernschwierigkeiten bzw. Ju-
gendliche,
die auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur schwer ins Berufsleben
integrierbar sind)
ermöglicht.
Ergänzend zum Bericht der
Bundesregierung ist festzustellen, dass in den Verfahrensbestimmun-
gen des
Schulunterrichtgesetzes durch die Novelle BGB1. I Nr.78/2001 Benachteiligungen,
die
sich
für Behinderte ergeben könnten, beseitigt wurden (§ 70 Abs. 2a).
Darüber hinaus erfolgte eine
Öffnung
in Hinblick auf mögliche elektronische (automatisationsunterstützte)
Einbringungsarten.
Weiters ist auf die Schulorganisationsgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 132/1998
hinzuweisen, die die
Möglichkeit eröffnete, an Sonderschulen ab dem Schuljahr 2001/02 ein
Berufsvorbereitungsjahr
zu führen. Die lehrplanmäßige Umsetzung erfolgte mit BGBl. II Nr. 290/2001. Der
Lehrplan des
Berufsvorbereitungsjahres
an Sonderschulen beinhaltet in Anlehnung an den Lehrplan der Poly-
technischen
Schule (BGBl. II Nr. 236/1997) berufsbezogene Aspekte, die zur
Vorbereitung auf
das
Arbeitsleben dienen sollen. Im Lehrplan erfolgt eine Gliederung des
Bildungsangebotes in ei-
nen allgemein bildenden und einen berufspraktischen Bereich, um möglichst
individuell auf unter-
schiedliche
Begabungen reagieren zu können. Durch die beabsichtigten Novellen zum
Schulorga-
nisationsgesetz
bzw. zum Schulpflichtgesetz soll nunmehr im gesamten allgemein bildenden
Pflichtschulbereich
die Integration im Regelschulwesen ermöglicht werden
(Überführung der
Schulversuche
im Bereich der Integration an Polytechnischen Schulen). Die beabsichtigten
Rege-
lungen
sollen größtmögliche Flexibilität der Organisation des
Schulbesuches für Kinder mit son-
derpädagogischem
Förderbedarf an der Förderschule - durch die in diesem
Gesetzesvorhaben be-
absichtigte
Umbenennung der “Sonderschule" in “Förderschule"
sollen auch sprachliche Barrieren
abgebaut
werden -, Hauptschule und Polytechnischen Schule schaffen. Zudem soll dadurch si-
chergestellt
werden, dass jedes Kind am Ende der allgemeinen Schulpflicht in den Genuss von
berufsvorbereitenden
und berufsorientierenden Inhalten gelangt und somit optimal auf den Eintritt
in das
Arbeitsleben vorbereitet wird.
B. Bereich Wissenschaft:
Durch die Änderungen der
§§ 19 Abs. 3 und 4, 26 Abs. l, 29 sowie 68 des Studienforderungsge-
setzes
1992 durch die Bundesgesetze BGB1. I Nr. 23/1999 und 76/2000 sowie durch die
Verord-
nung
BGBl. II Nr.
262/1999 wurde eine Rechtslage geschaffen, die die Studiermöglichkeiten
für
Behinderte
verbessert. Danach können behinderte Studierende je nach ihrer
spezifischen Behinde-
rung um bis zu drei Semester
je Studienabschnitt länger Studienbeihilfe beziehen und bis zu
€ 400,-- monatlich höhere Studienbeihilfen erhalten als nicht
behinderte Studierende. Auch die
speziell für Behinderte sinnvolle
Förderung von Fernstudien ist sowohl durch Studienbeihilfen als
auch durch Studienunterstützung
möglich.
Ad 3.:
Aus Sicht des Bundesministeriums
für Bildung, Wissenschaft und Kultur sind alle erforderlichen
gesetzlichen
Umsetzungen vorgenommen worden. Im Bereich des Schulrechts konnte allerdings-
wie
auch aus dem vorliegenden Bericht ersichtlich - in einigen Themenbereichen
keine Annähe-
rung der
Standpunkte erzielt werden. Es handelt sich dabei um folgende Bereiche:
Schulpflichtgesetz: Themenbereiche
“Sonderpädagogischer Förderbedarf' und
“Schulunfähigkeit"
aus den
im Bericht angeführten Gründen.
Schulorganisationsgesetz: Der Entfall
der angesprochenen Bestimmung wäre nicht im Sinne der
betroffenen
Schüler.
Die Anregungen zum Pflichtschulerhaltungsgrundsatzgesetz
wurden zur Kenntnis genommen,
doch ist in diesem Fall die
Landesgesetzgebung der zuständige Ansprechpartner.
Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz: Da nach Ansicht des
Ressorts § 43 Abs. 6 verfassungskonform
ist und die Bestimmung eine
Schutzfunktion für Kinder mit sozialpädagogischem Förderbedarf
beinhaltet, ist darin keine Diskriminierung
behinderter Schülerinnen zu erblicken.