432/AB XXI.GP
der Anfrage der Abgeordneten Riepl u.a.
betreffend Arbeitgeberschulden bei den
Gebietskrankenkassen
(Nr.515/J)
Zu den aus der beiliegenden Ablichtung der gegenständlichen Anfrage ersichtlichen
Fragen möchte ich vorweg grundsätzlich darauf hinweisen, dass in der Beantwortung einer
fast gleich lautenden Anfrage der Abgeordneten Riepl u.a., eingebracht am 27.6.1996
(Nr.863/J), durch mein Ressort nicht nur die grundsätzlichen Zusammenhänge der Beitrags -
einhebung durch die Gebietskrankenkassen dargelegt wurden. Es wurde darüber hinaus auch
ausdrücklich über die sich daraus ergebende Tatsache informiert, dass aus den hinterfragten
Beitragsruckständen der Dienstgeber zu bestimmten Stichtagen grundsätzlich keine Größen -
ordnung der an den jeweils darauf folgenden Tagen einlangenden Beitragszahlungen abge -
leitet werden kann. Somit können „daraus weder auf die „Zahlungsmoral“ der Dienstgeber
noch auf den Anteil einer allenfalls später eintretenden Uneinbringlichkeit Schlüsse gezogen
werden“. Es wird daher nochmals darauf hingewiesen, dass derartige Daten in keinem Zu -
sammenhang zu den in der Einleitung zur neuerlichen diesbezüglichen Anfrage nochmals
aufgestellten anders lautenden Thesen stehen. Auch die bedauerliche Tatsache illegaler Be -
schäftigung bzw. nicht dem gebührenden Arbeitsverdienst entsprechende Beitragsleistungen
lässt sich durch keine der in der vorliegenden Anfrage gewünschten Angaben erhärten oder
entkräften. Im Sinne einer verantwortungsbewussten Inanspruchnahme des in der Geschäfts -
ordnung des Nationalrates (§ 89 ff) vorgesehenen Anfragerechtes möchte ich dies vorweg zur
Kenntnis bringen.
Zur Frage 1:
Der Beitragsrückstand der Dienstgeber bei allen Gebietskrankenkassen betrug zum
Stichtag (in Schilling)
31.12.1990: 4.051,104.393
31.12.1995: 9.865,347.417
31.12.1998: 9.306,741.467
31.12.1999: 9.885,287.810
Die Vergleichswerte sind der beiliegenden Tabelle „Zur Frage 3“ zu entnehmen.
Zur Frage 2:
Aus den bereits in der obzitierten Anfragebeantwortung dargelegten Gründen können die
in den Beitragsrückständen der Dienstgeber enthaltenen Dienstnehmeranteile nur schlüssel -
mäßig ermittelt werden und stellen sich wie folgt dar (in 1.000 S):
31.12.1990: 1.717,494.801
31.12.1995: 3.559,097.444
31.12.1998: 3.956,123.511
31.12.1999: 4.202,729.639
Zur Frage 3:
Die Aufgliederung der Beitragsrückstände der Dienstgeber sowie der daraus ermittelten
Anteile der Dienstnehmer im Sinne des Punktes 1 und 2 der gegenständlichen Anfrage sind
der beiliegenden Tabelle zu entnehmen.
Zur Frage 4 (neu):
Die Beitragsabschreibungen der Jahre 1990 bis 1999, aufgegliedert nach den einzelnen
Gebietskrankenkassen, sind der beiliegenden Tabelle zu entnehmen.
In diesem Zusammenhang ist allerdings festzuhalten, dass diese Werte das Ergebnis
buchmäßiger Abschreibungen darstellen, sohin nicht jene tatsächlich der Sozialversicherung
entgangenen Beiträge, welche in der einleitenden Begründung der gegenständlichen Anfrage
offensichtlich angesprochen werden. Diese würden sich aus der Differenz der (vorerst) buch -
mäßig abgeschriebenen und jenen
(außerbücherlich in Evidenz gehaltenen) Forderungen er -
geben, die aufgrund weiterer Betreibungsmaßnahmen oder auch sich erfüllender Bedingungen
zu einem späteren, außerhalb der zeitlichen Konvergenz des Abschreibungsvorganges
liegenden Zeitpunkt ganz oder teilweise wieder hereingebracht werden.
Zur Frage 5:
ad: „Unterschiede in der Höhe der Beitragsschulden“:
Die zu den jeweiligen Stichtagen ausgewiesene Zahlengröße ist im wesentlichen ein
Produkt unterschiedlicher Einflussfaktoren wie z.B. der geographischen (Dichte und Erreich -
barkeit des Filialnetzes der lokalen Geldinstitute) Gegebenheiten, der Dienstgeberstruktur
(hinsichtlich der Betriebsgröße und des Einhebungsmodus: Selbstabrechner versus Vor -
schreibebetriebe), der durch den Bankenapparat vorgegebenen unterschiedlichen
(insbesondere technischen) Bedingungen des Giralverkehrs und nicht zuletzt auch der geogra -
phisch unterschiedlichen Wirtschaftskraft (West - Ost - Gefälle) und damit der Liquidität der
Dienstgeber.
So liegen die Ursachen für im Vergleich zum Bundesdurchschnitt wesentlich höhere
Beitragsrückstände einzelner Kassen wie z.B. der Burgenländischen Gebietskrankenkasse -
wie zuletzt anlässlich einer im Herbst des Vorjahres durchgeführten Überprüfung des Bei -
tragsbereiches dieser Kasse durch mein Ressort festgestellt wurde - darin, dass die in den
Jahren 1993/1994 einsetzenden Einbrüche im Wirtschaftsbereich besonders im Burgenland
ihren Niederschlag gefunden haben. Durch den Fall des „Eisernen Vorhangs“ ist ein beträcht -
licher Teil der Kaufkraft an die östlichen Nachbarländer, hier besonders an Ungarn, abge -
wandert, wodurch die finanzielle Substanz der Unternehmen immer geringer geworden ist.
Dadurch tritt vielfach bei Kreditstop der Banken ohne Vorwarnung Zahlungsunfähigkeit ein,
vorhandene Betriebsmittel und Forderungen sind längst den Banken zur Kreditbesicherung
abgetreten, die nachrangigen Gläubiger gehen im Exekutionsverfahren fast immer leer aus.
Die Vielzahl der Insolvenzen, besonders der exorbitante Anstieg in den Jahren ab 1996 (1998
kam es im Vergleich zu 1997 nahezu zu einer Verdoppelung der Neueröffnungen) findet
natürlich entsprechenden Niederschlag in der Höhe des Beitragsrückstandes. So ist der Anteil
des insolvenzverhangenen Beitragsrückstandes mit 43,2 % im Jahr 1993 bei dieser Kasse auf
58,4 % mit Ende 1998 angestiegen.
Dazu kommt noch - und dies gilt für alle beitragseinhebenden Kassen - , dass durch eine
Reihe von Gesetzesänderungen in den letzten Jahren der Schuldnerschutz ausgebaut und die
Position des beitragseinhebenden Sozialversicherungsträgers geschwächt wurde (wie z.B.
Abschaffung der Vorrechtsklassen der Sozialversicherung in Insolvenzverfahren, erhebliche
finanzielle Verluste durch Anfechtungen in Konkursverfahren, zahlreiche Verschlechterungen
im Exekutionsbereich wie z.B. Einführung einer Stundungsmöglichkeit durch die gericht -
lichen Vollstrecker usw.), wobei Unterschiede in der Höhe der Beitragsrückstände auch auf
die unterschiedliche Dauer der Insolvenzverfahren und unterschiedliche Anfechtungspraktiken
in den einzelnen Bundesländern zurückzuführen sind.
ad: „Unterschiede in der Höhe der Beitragsabschreibungen“
Hinsichtlich der Beitragsabschreibungen liegen die Ursachen der Unterschiede teils im
faktischen, teils im rechtlichen Bereich: Soweit sie Ersteren betreffen, gilt das im Vorigen
gesagte hinsichtlich der im gesamten Bundesgebiet unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und
Ertragskraft der Wirtschaft. Die rechtlichen Gegebenheiten für die Hereinbringung unein -
bringlicher Beitragsforderungen durch die einzelnen Krankenversicherungsträger werden hin -
sichtlich deren Voraussetzungen durch teilweise unterschiedliche Auffassungen der lokalen
Gerichtsbarkeit bezüglich der in Insolvenzverfahren zu ergreifenden Maßnahmen, aber auch
bezüglich der Geschwindigkeit und damit der Effizienz des Rechtsvollzuges (insbesondere
der Rechtspflege) bestimmt. Auch die Beurteilung des abschreibungsbegründenden in jedem
Einzelfall zu überprüfenden Sachverhaltes unterliegt naturgemäß unterschiedlichen Inter -
pretationen der einzelnen Krankenversicherungsträger, wobei in diesem Zusammenhang dar -
auf hinzuweisen ist, dass aufgrund aktueller Einschauergebnisse meines Ministeriums insbe -
sondere in Zusammenhang mit Großinsolvenzen der letzten Jahre (z.B. Konsum) gerade
dieser Bereich neuerlich im Rahmen einer alle Gebietskrankenkassen umfassenden Arbeits -
gruppe thematisiert wird mit dem Ziel, möglichst einheitliche Auslegungsmaßstäbe zu ent -
wickeln.
Zur Frage 4 (alt):
(Die nunmehr vorliegende Anfrage zu diesem zweiten „Punkt 4“ ist inhaltlich ident mit
Punkt 4 der Anfrage vom 27.6.1996, daher 4
„alt“.)
Die Anzahl der von den einzelnen Gebietskrankenkassen im Zeitraum von 1997 bis 1999
getätigten Anzeigen gemäß § 114 ASVG ist der beiliegenden Tabelle zu entnehmen.
Zur Frage 6:
Seitens meines Ministeriums kann zwischen der Anzahl der von den Gebietskranken -
kassen erstatteten Anzeigen gemäß § 114 ASVG und der „Zahlungsmoral“ der Dienstgeber
nur bedingt ein Zusammenhang gesehen werden, da die Rechtsfolgen des § 114 leg.cit., sollen
sie nicht kontraproduktive Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit des Dienstgebers haben,
mit anderen Maßnahmen des Insolvenzverfahrens sorgfältig abgestimmt werden müssen und
sich erst aus einer Gesamtschau aller möglicher Maßnahmen die jeweils erfolgver -
sprechendste ableiten lässt.
Mit Strafanzeigen (denen allenfalls generalpräventive Wirkung zukommt) wird aus
diesem Grund eher sorgsam umgegangen, einerseits sollen die Unternehmer nicht
„kriminalisiert“ werden, andererseits zeigt sich, dass die verhängten Strafen im Falle einer
Verurteilung im Einzelfall zu wenig abschreckend wirken. Dazu kommt noch, dass ein Straf -
verfahren nach § 114 ASVG im Regelfall erst im Zuge eines Insolvenzverfahrens oder einer
Konkursabweisung (also erst nach Vorliegen einer Überschuldung) zum Tragen kommt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in den letzten Jahren von der Wirtschaftspolizei
(besonders im Raum Wien) diesbezüglich immer mehr Verfahren von Amts wegen eingeleitet
werden. Im Rahmen der Beantwortung der Anfragen der Wirtschaftspolizei schließt sich z.B.
die Wiener Gebietskrankenkasse dem Verfahren als Privatbeteiligter an, weshalb eine An -
zeigeerstattung nicht mehr notwendig ist.
ZurFrage 7:
Wie den anfragenden Abgeordneten sicher bekannt ist, ist es meinem Ministerium ver -
fassungsrechtlich verwehrt, im Rahmen des Aufsichtsrechtes gemäß § 449 ASVG in die
Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltung einzugreifen und gegenüber den einzelnen
Dienstgebern die in der Anfrage insinuierten „Maßnahmen (z.B. stärkere Kontrollen, höhere
Strafen) zu setzen. Wie jedoch bereits in der gleich lautenden Anfragebeantwortung des
Jahres 1996 festgehalten, wird mein Ministerium selbstverständlich auch weiterhin alle im
Rahmen der rechtlichen und personellen
Gegebenheiten möglichen Maßnahmen zur Ver -
besserung der Beitragseinbringung ausschöpfen, wobei allerdings ein Verstoß gegen das in der
Anfrage artikulierte Gebot einer „fristgerechten Beitragszahlung“ durch die gesetzlichen Ver -
zugsfolgen (insbesondere Verwaltungszinsen gemäß § 59 leg.cit.) bereits wirtschaftlich neu -
tralisiert ist. Demgegenüber sind die zunehmend realisierten Vorkehrungen (z.B. zweijähriger
Beitragsprüf - Turnus) und erweiterten Einbringungsmaßnahmen (z.B. Geltendmachung der
Geschäftsführerhaftung) der Krankenversicherungsträger sichtbares Ergebnis der in den
letzten Jahren verstärkten Aktivitäten der Einschauabteilung meines Ressorts mit dem Ziel,
die wirtschaftlichen Folgen der faktischen Uneinbringlichkeit so gering wie möglich zu
halten.
Die schon in der Vergangenheit mehrfach vorgebrachte Anregung meines Ressorts, Bei -
tragsschulden als öffentlichen Geldern gegenüber privaten Schulden eine Sonderstellung auf
gesetzlicher Ebene einzuräumen (z.B. durch Aussetzung der Anfechtungsbestimmungen ge -
mäß §§ 28, 30 und 31 der Konkursordnung für Gläubiger mit Kontrahierungszwang) ist
allerdings bisher seitens des Gesetzgebers unberücksichtigt geblieben.