4370/AB XXI.GP

Eingelangt am: 21.11.2002

Bundeskanzler:

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Moser, Freundinnen und Freunde haben am
20. September 2002 unter der Nr. 4417/J an mich eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend Umsetzung der Temelin-Beschlüsse gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 bis 12:

Eingangs halte ich fest, daß die Tschechische Regierung sich weiterhin klar zum
“Melker Prozeß" und zum “Abkommen von Brüssel" bekennt. Dies haben mir in
einem Schreiben sowohl der Ministerpräsident der Tschechischen Republik,
V. SPIDLA, als auch der tschechische Außenminister, C. SVOBODA, bestätigt. Es
ist daher davon auszugehen, daß diese Vereinbarungen umgesetzt werden.

Im Zusammenhang mit der Bedeutung der “Vereinbarung von Brüssel" im Rahmen
der Beitrittsverhandlungen verweise ich auf die primäre Zuständigkeit des Bundes-
ministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Unbeschadet dessen versichere ich,
daß alle befaßten Mitglieder der Bundesregierung größte Anstrengungen unterneh-
men, die anderen Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, daß eine Aufnahme der
bilateralen Verpflichtungen aus der “Vereinbarung von Brüssel" in ein Protokoll zur
Beitrittsakte unabdingbar ist und daß diese Absicht auch vom tschechischen Außen-
minister bestätigt wurde.

Die “Road-Map" definiert ein Termingerüst betreffend Umsetzung der “Vereinbarung
von Brüssel". Ich halte fest, daß bislang alle vereinbarten Schritte zur Umsetzung
der “Road Map" erfolgt sind. So hat die Arbeitsgruppe zum Vergleich der radiologi-
schen Folgen von BDBA (Auslegungsüberschreitende Störfälle) und zur Harmo-
nisierung der Notfallvorsorge bereits zweimal getagt und ein umfangreiches Arbeits-
programm in Angriff genommen.


Hinsichtlich des von den Medien mißverständlich wiedergegebenen Presseinter-
views mit der Vorsitzenden der tschechischen Atomaufsichtsbehörde (SÚJB),
D. DRABOVA, hat sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt
und Wasserschutz am 19. September 2002 schriftlich an den tschechischen Außen-
minister gewandt und dabei abermals die Bedeutung der präzisen Umsetzung der
Vereinbarung von Brüssel betreffend das KKW Temelin unterstrichen. Zwischenzeit-
lich ist diesbezüglich eine Klarstellung erfolgt.

Betreffend die “Nullvariante" sei daran erinnert, daß die sogenannte “Null-Option" ein
von Österreich mit Nachdruck eingebrachter Bestandteil des “Melker Prozesses"
war. Zu beachten ist aber, daß Entscheidungen über die nationale Energiepolitik
weitestgehend der nationalen Souveränität unterliegen. Österreich selbst hat sich
die schriftliche Verankerung dieses Grundsatzes in Form einer gemeinsamen Er-
klärung in seinem Beitrittsvertrag zur EU ausbedungen. Ausstiegsszenarien können
somit nur gemeinsam mit dem betroffenen Staat - dessen Regierung und dessen
Unternehmen - entwickelt werden. Diesbezüglich hat der damalige tschechische
Ministerpräsident im Herbst 2001 unter Verweis auf die nationale Souveränität
hinsichtlich energiepolitischer Entscheidungen eine auch vom Europäischen Par-
lament angeregte “Ausstiegskonferenz" abgelehnt. Unbeschadet dessen habe ich
mich nur wenige Tage nach der Entschließung des Nationalrates am 22. Juli 2002 in
einem Schreiben an den Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik,
V. SPIDLA, gewandt und darin abermals bilaterale Gespräche über Alternativen zur
kommerziellen Nutzung des KKW Temelin vorgeschlagen. In seinem Antwortschrei-
ben hat Ministerpräsident V. SPIDLA mitgeteilt, daß die Tschechische Republik Al-
ternativen zur kommerziellen Nutzung des KKW Temelin nicht in Erwägung ziehe,
jedoch die Bereitschaft bestehe, sich mit den österreichischen Ansichten zu diesem
Thema auseinanderzusetzen. Hingegen gibt es keinerlei Hinweise, daß die Tsche-
chische Republik in irgendeiner Weise bereit wäre, sich mit konkreten Ausstiegsan-
geboten zu beschäftigen.

Beim kürzlich stattgefundenen Arbeitstreffen mit dem tschechischen Außenminister
am 12. Oktober 2002 in Vranov hat der Bundesminister für Land- und Forstwirt-
schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft abermals die österreichische Ansicht, daß die
Nicht-Inbetriebnahme des KKW Temelin, die sowohl aus ökologischer als auch aus
ökonomischer Sicht die zu bevorzugende Option wäre, erläutert. Bei diesem Treffen
wurde die Einsetzung einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe mit dem Titel “Nach-
haltige Energiepolitik in Europa" vereinbart. Diese Gruppe, bestehend aus österrei-
chischen und tschechischen Experten, wird sich sowohl mit der ökologischen und
ökonomischen Bewertung der Energieversorgung als auch mit Sicherheitsaspekten
der Energieversorgung auseinandersetzen.

Hinsichtlich der Energiepartnerschaft mit der Tschechischen Republik wird Öster-
reich weiterhin eine effiziente Abwicklung fördern. Ich verweise darauf, daß neue
Projekte wie zum Beispiel das KWK-Informationszentrum Prag (Kraft-Wärme-Kopp-
lung) und die modellhafte thermische Sanierung eines Plattenbaus in Brunn kürzlich
gestartet wurden.


Am 4. April 2002 hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserschutz ein Memorandum betreffend Zusammenarbeit mit der Tschechischen
Republik im Klimaschutz unterzeichnet (“Memorandum of Understanding regarding
bilateral cooperation for the reduction of greenhouse gas emissions"). Die verein-
barte Zusammenarbeit zielt in erster Linie auf die Anwendung gemeinsamer Klima-
schützmaßnahmen ("joint implementation") ab, wie sie im Kyoto-Abkommen festge-
legt sind. Schwerpunkte der Zusammenarbeit werden unter anderem die Forcierung
erneuerbarer Energieträger und die Verbesserung der Energieeffizienz sein.

Was die Frage von Initiativen auf parlamentarischer Ebene betrifft, obliegt die Ent-
scheidung darüber den jeweiligen Parlamenten.