538/AB XXI.GP

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Peter Schieder und Genossen haben am 28. März d. J.

unter der Nr. 575/J - NR/2000 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend Äußerungen in der Fragestunde vom 22. März d. J. gerichtet.

 

Ich erlaube mir, diese wie folgt zu beantworten.

 

Zu Frage 1:

 

Ja.

 

Zu Frage 2:

 

Im gegenständlichen ,,Profil“ - Interview hat sich die erste Frage auf die ,,Aschermittwoch -

Rede“ bezogen, die zweite Frage aber auf „Sprüche Haiders und Schmids Zweifel an der

EU - Osterweiterung“, also einen anderen Themenkreis. In der Fragestunde wurden

hingegen - in einer nach meiner Auffassung dem Interview nicht entsprechenden Weise  -

Zitate aus beiden Fragen miteinander vermengt.

Meine Antwort war daher nicht unrichtig. Im übrigen bitte ich um Verständnis, daß die

Kommentierung der Interviews von Mitgliedern des Europäischen Parlaments keine

Angelegenheit der Vollstreckung des Bundes ist und ich daher über die bereits in der

Fragestunde gegebenen Antworten hinaus nicht näher darauf eingehe.

 

Zu Frage 3 - 5:

 

Die Kommentierung von Interviews und von persönlichen Gefühlen von

Regierungsmitgliedern ist kein Gegenstand der Vollziehung des Bundes. In den

ausländischen Medien konnte das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

keine besondere Aufmerksamkeit für die Äußerungen in der Aschermittwoch - Rede

feststellen; auch beim unmittelbar darauffolgenden EU - Rat für Allgemeine

Angelegenheiten am 20. März d.J. war kein Entsetzen erkennbar und wurden die

Äußerungen überhaupt nicht erwähnt.

 

Zu Frage 6:

 

Die Kommentierung von Interviews ist kein Gegenstand der Vollziehung des Bundes.

 

Zu Frage 7:

 

Ja.

 

Zu Fragen 8 - 11:

 

Der Herr Bundespräsident hat aufgrund eigener Initiative einen Brief an den

portugiesischen Ratsvorsitzenden gerichtet und darin u. a. ausgeführt: "Wenn ein

Mechanismus geschaffen werden sollte, der ein vorbeugendes Einschreiten schon bei

Verdacht einer Abkehr von europäischen Werten erlaubt, so müßten meiner Meinung

nach Beratungen darüber mit allen 15 Mitgliedsstaaten geführt werden.“ Eine konkrete

Reaktion darauf erfolgte in der Antwort des portugiesischen Regierungschefs nicht.

 

Unterdessen liegen weitere Vorschläge und Überlegungen zu diesem Thema vor, und ich

teile die Auffassung, daß darüber unter allen 15 Mitgliedsstaaten verhandelt werden

sollte.

Zu Fragen 12 und 13

 

Ich verweise auf das Aktionsprogramm der Bundesregierung, das im Ministerrat vom 5.

Mai dieses Jahres beschlossen wurde und lege den Text des Programms im Wortlaut bei.

Beim informellen Rat der EU - Außenminister auf den Azoren wurde in der Folge erstmals

eine differenzierte Bereitschaft zur Erörterung der Situation unter den 15 Mitgliedstaaten

erkennbar.

AKTIONSPROGRAMM DER BUNDESREGIERUNG

ZUR AUFHEBUNG DER SANKTIONEN

 

Am 12. Juni 1994 hat die österreichische Bevölkerung in einer Volksabstimmung mit

66,58 % dem Beitritt zur Europäischen Union zugestimmt. Österreich hat damit sein

Selbstverständnis als europäisches Kernland zum Ausdruck gebracht und seitdem nicht

nur sämtliche Verpflichtungen des EU - Rechts vollumfänglich erfüllt, sondern auch in allen

Sachfragen seinen Beitrag als konstruktives Mitglied der EU erbracht.

 

Am 31. Januar 2000 hat die portugiesische Ratspräsidentschaft mit einem „Statement on

behalf of XIV Member States“ für den Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ die

Verhängung bilateraler Sanktionen angekündigt. Diese von den Staats - und

Regierungschefs der 14 EU - Partner im kurzen Wege und ohne vorherige Befassung

Österreichs vereinbarten Sanktionen sind mit der Angelobung der neuen Bundesregierung

durch den Herrn Bundespräsidenten am 4. Februar 2000 wirksam geworden. In der Praxis

haben die Sanktionen bisher zu einer Beeinträchtigung österreichischer Interessen und zu

einer Fülle diskriminierender Auswirkungen für österreichische Staatsbürger,

Unternehmen und Einrichtungen geführt.

Das "Statement" der portugiesischen Präsidentschaft verstösst gegen fundamentale

Rechtsgrundsätze und den Geist der Europäischen Verträge. So umfasst Art. 6 EU -

Vertrag insbesondere auch das Demokratiegebot und damit die Anerkennung einer aus

demokratischen Wahlen hervorgegangenen Regierung eines Rechtsstaates.

Massnahmen von Mitgliedstaaten, welche in Zusammenhang mit ausserhalb des

Gemeinschaftsrechts liegenden Sachverhalten oder Vereinbarungen die

Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft beeinträchtigen, stellen die im Solidaritätsgebot des

Art. 10 EUV enthaltene Loyalitäts -, Mitwirkungs - sowie Unterstützungspflicht der

Mitgliedsstaaten untereinander in Frage. Die Vorgangsweise der „14“ ist somit nicht nur

ein österreichisches, sondern gleichermassen ein gesamteuropäisches Problem.

Die neue österreichische Bundesregierung hat in den nunmehr 3 Monaten ihrer

Amtstätigkeit mit grosser Tatkraft ein umfangreiches Reform und Sanierungsprogramm in

Angriff genommen. Das Regierungsprogramm und die konkrete Umsetzung sind der

Nachweis, dass die bewährte österreichische Politik auf der Grundlage der europäischen

Werte unverändert fortgesetzt wird. Die im gemeinsamen Regierungsprogramm zwischen

den Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ getroffenen Festlegungen werden vollinhaltlich

respektiert und erfüllt.

 

Es ist daher aus der Sicht der österreichischen Bundesregierung, aber auch einer grossen

Mehrheit der österreichischen Bevölkerung an der Zeit, seitens der 14 - Partnerstaaten die

ungerechtfertigten Sanktionen im Lichte der tatsächlichen Situation in Österreich zu

überdenken und zurückzunehmen. Die Europäische Einigung darf keinen weiteren

Schaden nehmen. Die bewusste Ausgrenzung eines demokratisch bewährten Landes wie

Österreich aus der europäischen Wertegemeinschaft, ohne dass es gegen europäisches

Recht oder auch nur gegen seinen Geist verstossen hätte, verletzt gerade jene

Grundwerte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die angeblich geschützt werden

sollen.

 

Da ein Dialog auf politischer Ebene im Rahmen der 15 EU - Mitgliedstaaten trotz massiver

Bemühungen bisher als Konsequenz der Sanktionen nicht aufgenommen wurde, hat die

Bundesregierung zur Klarstellung der Situation in Österreich und zur Verteidigung

österreichischer Interessen den folgenden Aktionsplan ausgearbeitet:

• „Was sagen die Bürger Europas ?„: Erstellung nationaler und internationaler

   Meinungsumfragen zu Österreich bis zum nächsten Europäischen Rat.

 

• „Diplomatische Offensive“: Verstärkte Information der Meinungsbildner und der

   europäischen Bürgergesellschaft über die Situation in Österreich.

 

• „Bundesländer für Österreich - die Kraft der europäischen Regionen nutzen“:

   Nachbarschaftsinitiativen durch Landeshauptleute.

 

• „Österreich - Aktionstage“ in den EU - Mitgliedstaaten vorbereiten; Mitwirkung

   österreichischer Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Tourismus, Kultur und

   Medien.

• ‚,Auslandsösterreicher für Österreich“: Information und Ersuchen um Unterstützung.

 

• Internationaler Medientag im Herbst 2000 zum Thema „Zur Rolle der Medien im

   Kontext der internationalen Beziehungen der Staaten“.

 

• Einrichtung einer ,Austria web site“ zu den Sanktionen.

 

• EU - Rat und die Europäische Kommission: mündliche und schriftliche Anfragen von

   Mitgliedern des Europäischen Parlaments an Rat und Kommission zum Thema

   Österreich.

 

• ,‚Friends ofAustria“: Aktivierung parlamentarischer und anderer bilateraler

   Freundschaftsgesellschaften.

 

• Österreich in den EU - Ministerräten thematisieren. Ausarbeitung eines

   Memorandums durch das BMaA.

 

• Besuch des Bundeskanzlers bei der Europäischen Kommission in Brüssel.

 

• Regierungskonferenz: Erarbeitung eines neuen österreichischen Vorschlages zur

   Reform des Art. 7 EUV. Verfahren objektivieren und der EUGH - Kontrolle

   unterstellen.

 

• ,,EU - Rechtstag“: Organisation durch BMaA im Mai 2000.

   Aktionsgruppe Rechtsschutz“: genaue Prüfung der juristischen Optionen

   Österreichs; bei Vertragsverletzung Klage; regelmässige Befassung der

   Europäischen Kommission bei Diskriminierungen österreichischer Staatsbürger,

   Betriebe oder Einrichtungen durch Sanktionen.

 

• Internationaler Juristenkongress im Herbst auf Einladung des Präsidenten des

   österreichischen Verfassungsgerichtshofes über die Weiterentwicklung des EU-

   Rechts.

 

• Erstellung eines Berichtes über Massnahmen Österreichs gegen Rassismus,

   Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit.

 

• Die Bundesregierung wird für den Herbst 2000 eine Volksbefragung (Bekenntnis

   zur Europäischen Union, Aufhebung der Sanktionen) vorbereiten, sofern bis zum

   Ende der portugiesischen Präsidentschaft kein konkreter Plan für die Aufhebung

   der Sanktionen vorliegt.