621/AB XXI.GP

 

Die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und

Freunde an den Bundesminister für Inneres vom 6. April 2000, Nr. 606/J, betreffend

„unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ beantworte ich nach den mir vorliegenden

Informationen wie folgt:

 

Einleitend halte ich fest, dass derart detaillierte Statistiken, wie sie für die

Beantwortung der Anfrage notwendig wären, von mir als dem für das gesamte

Ressort Verantwortlichen nicht in jedem Detail kontrollierbar sind, zumal sie auf

Grund der Anfrage unter großem Zeitdruck erstellt werden mussten. Ich kann mich

daher nur auf die mir vorgelegten Zahlen stützen, die nur so detailliert sein können,

wie bei den jeweiligen Behörden Unterlagen vorhanden waren oder deren

Aufbereitung ohne gravierende Beeinträchtigung des Dienstbetriebes möglich war.

 

Im Zusammenhang mit der Minderjährigkeit von Fremden ist grundsätzlich zu

bemerken, dass die Behörden auf Grund fehlender oder nachweislich gefälschter

Dokumente in vielen Fällen nur auf die Angaben der betreffenden Fremden

angewiesen sind. Die Statistiken beruhen daher größtenteils nur auf der behaupteten

Minderjährigkeit.

 

Zu Frage 1:

 

Im 1. Halbjahr 1999 wurden von den Behörden der Bundesländer Burgenland,

Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und

Vorarlberg 167 Minderjährige in Schubhaft genommen. Im 2. Halbjahr 1999 belief

sich diese Zahl auf 265.

 

In Wien wurde im Jahre 1999 insgesamt über 165 Minderjährige die Schubhaft

verhängt. Detailliertere Angaben sind mangels dort aufliegender Statistiken nicht

möglich.

Im Zeitraum vom 1.Jänner 2000 bis 29.Februar 2000 wurden bundesweit 81

Minderjährige in Schubhaft genommen.

 

Zu Frage 2:

 

Nach den mir vorliegenden Berichten der Bundesländer Burgenland,

Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg waren

von den in Frage 1 angeführten Minderjährigen 259 unbegleitet.

 

In Kärnten und Wien liegen keine diesbezüglichen Statistiken vor.

 

Zu Frage 3:

 

Von den in Frage 1 angeführten Minderjährigen waren 53 unter 16 Jahre und 625

zwischen 16 und 19 Jahre alt.

 

Diese stammen aus folgenden Ländern:

 

Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Angola, Armenien, Äthiopien,

Bangladesch, Benin, Bosnien - Herzegowina, Bulgarien, China - Volksrepublik,

Dominikanische Republik, Gambia, Georgien, Ghana, Griechenland, Großbritannien,

Guinea, Guinea Bissau, Indien, Irak, Iran, Jamaika, Jugoslawien, Kamerun, Kongo,

Kroatien, Libanon, Liberia, Litauen, Marokko, Mazedonien, Moldavien, Nigeria,

Nordkorea, Pakistan, Polen, Ruanda, Rumänien, Rußland, Senegal, Sierra Leone,

Slowakei, Slowenien, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Taiwan, Tschechische Republik,

Türkei, Uganda, Ukraine, Ungarn, Weißrußland.

 

Zu Frage 4:

 

Die durchschnittliche Schubhaftdauer ist bundesländerweise unterschiedlich und

beträgt zwischen 5 und 30 Tagen, bei der längsten Schubhaftdauer wurde diese im

gesetzlich zulässigen Ausmaß aufrechterhalten.

Für Wien liegen keine statistischen Daten vor.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Da diesbezüglich bei den zuständigen Behörden keine verwertbaren oder

automationsunterstützt erfassten Daten vorliegen, würde eine Beantwortung dieser

Frage eine Durchsicht jedes einzelnen in Frage kommenden Aktes erfordern, wofür

ausreichende Kapazität nicht zur Verfügung steht.

 

Ich ersuche daher um Verständnis, wenn ich - aus Gründen des damit verbundenen

Verwaltungsaufwandes - von einer inhaltlichen Beantwortung dieser Fragen absehe.

 

Zu den Fragen 7 bis 9:

 

Im Rahmen der bei Abschiebungen und Zurückschiebungen gesetzlich

vorgesehenen Refoulementprüfungen werden auch derartige Vorbringen gewürdigt.

Bei Vorliegen konkreter diesbezüglicher Anhaltspunkte werden über NGO‘s, die

Eltern der Minderjährigen im Heimatland oder die Sozialfürsorge Erkundigungen

eingeholt.

 

Im Sinne der genannten Entschließung der Europäischen Union setze ich mich für

die Schaffung von Betreuungsstellen für unbegleitete Minderjährige und

entsprechend den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates für den Aufbau eines

Netzes von Stellen ein, über die für die Abschiebungen zweckdienliche Informationen

erlangt werden können.

 

Zu den Fragen 10 und 11:

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung können die Fremdenpolizeibehörden

Altersfeststellungen durch Augenschein durchführen. Erforderlichenfalls werden

gutachtliche Äußerungen von Amtsärzten oder Sachverständigen eingeholt.

In den Jahren 1998 und 1999 wurden bei folgender Anzahl von Personen

Altersfeststellungen veranlasst:

 

 

1998

1999

Burgenland

14

9

Kärnten

                                                   0

Niederösterreich

1

1

Oberösterreich

                                                  20

Salzburg

30

30

Steiermark

keine statistischen Daten vorhanden

Tirol

                                                    2

Vorarlberg

                                                    3

Wien

 keine statistischen Daten

 vorhanden

41

 

Zu den Fragen 12 bis 14:

 

Die Behörden sind nach den Vorschriften des AVG zur Erforschung der materiellen

Wahrheit verhalten. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung

des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles

zweckdienlich ist.

In diesem Sinne wurden die Behörden angewiesen, in jenen Fällen, in denen die

Feststellung der Minderjährigkeit nicht zuverlässig möglich ist, durch unverzügliche

Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Jugendamt zu versuchen, das Alter des

Fremden zu klären. Es kann auch ein ärztlicher Sachverständiger beigezogen und

um gutachtliche Äußerung ersucht werden.

 

Abgesehen von der rechtlichen Zulässigkeit (nach dem StrahlenschutzG ist etwa

Röntgen nur für medizinische Zwecke zulässig), stehen auch den Ärzten derzeit nur

beschränkte Möglichkeiten für eine genaue Alterfeststellung zur Verfügung.

 

Zu den Fragen 15 bis 17:

 

Diese Fragen können von mir als Ressortverantwortlichem nur in bezug auf die

Asylbehörde 1. Instanz beantwortet werden. Bei der Asylbehörde 2. Instanz

(Unabhängiger Bundesasylsenat) handelt es sich um eine weisungsfreie

Verwaltungsbehörde sui generis, die nicht in die Ingerenz des Innenressorts fällt.

 

Gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. a der Entschließung des Rates der Europäischen Union vom

26.6.1997 betreffend unbegleitete minderjährige Staatsangehörige dritter Länder,

müssen unbegleitete Asylwerber, die behaupten minderjährig zu sein, grundsätzlich

ihr Alter nachweisen, womit auch im Kontext des österreichischen Asylverfahrens

eine Glaubhaftmachung des Alters erforderlich ist.

 

Von der Asylbehörde 1. Instanz (Bundesasylamt) wurden und werden keine

medizinischen Altersfeststellungen durchgeführt oder in Auftrag gegeben.

Die Mitarbeiter des Bundesasylamtes wurden bereits angewiesen, im Zweifel von der

behaupteten Minderjährigkeit eines Antragstellers auszugehen und die hieraus sich

ergebenden verfahrensrechtlichen Konsequenzen zu beachten.

 

Zu Frage 18:

 

Die rechtliche Grundlage für Aufnahme und Unterbringung in die Bundesbetreuung

ergeben sich aus dem Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. Nr. 405/91 sowie aus der

Bundesbetreuungsverordnung, BGBl. Nr. 31/1992 jeweils in der geltenden Fassung.

 

Zu Frage 19:

 

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden in den Wiener Kolpinghäusern 1060

Wien, Gumpendorferstraße 39,1100 Wien, Sonnwendgasse 22 und 1090 Wien,

Althanstraße 51, weiters im Jugendwohnheim Meidling, 1120 Wien, Dörfelstraße 17,

im Franziskushaus 8044 Graz, Purbergstraße 51 und in der Betreuungsstelle Bad

Kreuzen, 4362 Bad Kreuzen aufgenommen.

 

Zu Frage 20:

 

Die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen ist gewährleistet, da die

Unterbringung im Einvernehmen mit den kompetenzmäßig zuständigen Organen

(Bezirkshauptmannschaft bzw. Magistratsabteilung), den Jugendämtern, erfolgt.

 

Zu den Fragen 21 und 22:

 

Ja.

 

Zu Frage 23:

 

Da gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 B - VG die Jugendfürsorge in der Vollziehung

Landeskompetenz ist, obliegt es dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger

festzulegen, wer bei den Asylbehörden in Erscheinung tritt.

 

Aufgabe des Bundesasylamtes ist es, das Vorliegen eines Vertretungsverhältnisses

zu überprüfen, nicht jedoch die seitens des zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers

getroffene Auswahl.

 

Es ist auch die Aufgabe der Asylbehörde 1. Instanz, die Anwesenheit eines

gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Asylwerbers während der gesamten

Dauer der Vernehmung (§ 27 AsylG) sicherzustellen.

Unabhängig vom Ausgang eines derzeit beim Unabhängigen Bundesasylsenat

anhängigen Berufungsverfahrens, in dem im Zuge der mündlichen Verhandlung vom

Berufungswerber geltend gemacht wurde, dass der Vertreter des Jugendamtes nicht

während der gesamten Dauer der Einvernahme vor dem Bundesasylamt anwesend

gewesen sein soll, wurde bereits seitens des Leiters des Bundesasylamtes per

Anweisung in Erinnerung gerufen, dass jedenfalls dafür Sorge zu tragen ist, dass im

Falle der Einvernahme Minderjähriger der gesetzliche Vertreter während deren

gesamter Dauer anwesend ist.

 

Jedenfalls werden nach Abschluss des Verfahrens auch die allenfalls erforderlichen

dienstrechtlichen Überprüfungen von mir veranlasst werden.

Weiters hat das Schulungsprogramm 2000 des Bundesasylamtes einen

Fortbildungsschwerpunkt im Bereich „Umgang mit unbegleiteten minderjährigen

Asylwerbern“ vorgesehen.