662/AB XXI.GP

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde vom

26. April 2000, Nr. 676/J, betreffend Evaluierung der AVG - Novelle 1998/Großverfahren,

beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu Frage 1:

 

Die Bestimmungen für Großverfahren gemäß §§ 44a bis 44g AVG wurden bisher bei drei

Verfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz - AWG (Niederösterreich, Steiermark,

Vorarlberg), vier Verfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz - UVP - G (zwei

Verfahren Steiermark, je eines Kärnten und Oberösterreich) und einem Verfahren nach dem

Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG (gemäß § 82 Abs. 8 AVG) angewandt.

 

Zu Frage 2:

 

Bei sechs der in Frage 1 angeführten Verfahren wurde von der fakultativen öffentlichen

Erörterung Gebrauch gemacht.

 

Bei einem Verfahren nach dem AWG wurde keine öffentliche Erörterung im Sinne des § 44c

AVG abgehalten, weil bereits im Zuge eines früheren Verfahrensstadiums eine öffentliche

Erörterung im Rahmen eines Bürgerbeteilungsverfahrens nach dem UVP - G stattgefunden

hat und bei der ebenfalls öffentlichen mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit

bestanden hat sich über die Änderungen des Vorhabens zu informieren. Bei dem Verfahren

nach dem WRG war im gegebenen Verfahrensstadium (Bescheidreife) eine öffentliche

Erörterung nicht notwendig und zudem nach § 82 Abs. 8 AVG auch nicht vorgesehen.

 

Zu Frage 3:

 

Die Anzahl der Beteiligten betrug zwischen 600 und 1.500, bei einem Verfahren zur

Genehmigung einer Abfallbehandlungsanlage gemäß § 29 AWG ca. 8.800.

 

Zu unterscheiden ist, wie viele Personen zu der öffentlichen Erörterung erschienen sind bzw.

wie viele Personen aufgrund der Materiengesetze Parteistellung genießen. Schließlich ist

auch zu beachten, wie viele Personen tatsächlich an der mündlichen Verhandlung

teilgenommen haben. So erschienen im Fall des in Oberösterreich anhängigen Verfahrens

zur öffentlichen Erörterung lediglich acht Personen, bei denen es sich ausschließlich um

Vertreter der Standortgemeinde bzw. der näheren Umgebung handelte.

 

Zu Frage 4:

 

Ein Einsparungspotential wird gesehen. In der Steiermark wurde etwa eine Zeitersparnis von

bis zu drei Monaten beobachtet.

 

Zu Frage 5:

 

Die Regelungen über das Großverfahren haben sich grundsätzlich bewährt.

Es hat sich aber gezeigt, dass die Einschaltung des Ediktes in den Tageszeitungen für den

Antragsteller deshalb mit erheblichen Mehrkosten verbunden war, weil das Edikt in den

redaktionellen Teil der Zeitungen aufzunehmen war und ein Zuschlag für die

Sonderplatzierung verrechnet wurde. Aus Sicht des Antragstellers ist jedenfalls eine

Publikation im redaktionellen Teil zweier im Bundesland weit verbreiteter Tageszeitungen ein

erheblicher Kostenfaktor, da pro Edikt auch kosten von ATS 100.000,-- und mehr (je nach

Umfang des Ediktes, dessen Inhalt ja gesetzlich vorgegeben ist) anfallen können.

Dem gegenüber stehen Vorteile im administrativen Bereich. So sind Mängel bei der

Zustellung aufgrund mangelhafter Adressangaben weniger wahrscheinlich. Die Möglichkeit,

den Volltext der Entscheidung zu erlangen, bleibt weiterhin bestehen.

 

Bei einem Verfahren mit sehr vielen Beteiligten erscheint die im AVG geregelte mögliche

Ediktalzustellung jedenfalls als bessere Variante, weil bei diesen Großverfahren durch das

zu erwartende allgemeine mediale Interesse ein hoher Aufmerksamkeitsfaktor für derartige

Veröffentlichungen besteht. Zudem entfallen sonstige formale Unzulänglichkeiten, die

üblicherweise zu Lasten der Beteiligten gehen; so müsste etwa eine Änderung der

Abgabestelle während eines Verfahrens von der jeweiligen Partei an die Behörde gemeldet

werden, um die Wirkungen einer Zustellung und damit die Möglichkeit des Zugangs zu den

Rechtsmitteln - aufrecht zu erhalten.

 

Zu Frage 6:

 

Die Verhandlungsschrift samt Sachverständigengutachten wurde während des Verfahrens

auf der Homepage des Amtes der Vorarlberger Landesregierung veröffentlicht. Auch in

Kärnten ist eine derartige Veröffentlichung vorgesehen. Der Berufungsbescheid im

wasserrechtlichen Verfahren war über die Homepage des vormaligen Bundesministeriums

für Land - und Forstwirtschaft zugänglich.

 

In Oberösterreich wurden die angesprochenen Informationen bisher noch nicht über Internet

verfügbar gemacht, dies ist allerdings jederzeit technisch möglich. In der Steiermark wurden

Sachverständigengutachten, Verhandlungsschriften und die Genehmigungsbescheide im

Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren auf Grund ihres großen Umfanges nicht auf der

behördlichen Homepage angeboten. Die Möglichkeit hiezu wäre freilich vorhanden und die

Veröffentlichung würde bei Bescheiden mit einem Umfang von weniger als 100 Seiten auch

genutzt werden.

 

Zu Frage 7:

 

Derartige Verfahren gab es in Niederösterreich, in Kärnten, in der Steiermark und in Tirol

sowie beim vormaligen Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie.

Es gab viele Gründe, in diesen Fällen das Großverfahren nicht durchzuführen, wobei die

Kosten des Verfahrens und die Akzeptanz der Bevölkerung für das jeweilige Projekt eine

besondere Rolle spielten. Beim einzigen nach dem 01.01.1999 im Bundesministerium für

Umwelt, Jugend und Familie anhängigen Großverfahren war es etwa aus Gründen des § 39

Abs. 2 AVG (Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis) geboten, die

noch ausstehende Bescheidzustellung im Februar 1999 ohne Inanspruchnahme der

Großverfahrensregelungen durchzuführen. Die Großverfahrensregelungen wurden weiters

dort nicht herangezogen, wo der persönlichen Verständigung der Parteien, wie

beispielsweise im Wasserrechtsverfahren, wo die zu ladenden Parteien durchwegs bekannt

sind, der Vorzug gegeben wird. Weiters ist die Abwicklung eines wasserrechtlichen

Bewilligungsverfahrens wegen der eher langen Fristenläufe im Großverfahren im regulären

Verfahren rascher möglich. Auch waren bisher an den meisten der in Frage gekommenen

Verfahren nur knapp über 100 Parteien beteiligt, sodass wegen der hohen Inseratenpreise

für die Edikteinschaltung auch kostenmäßig kaum Einsparungen möglich gewesen wären.

 

In Oberösterreich ist derzeit ein Verfahren anhängig, auf das die Übergangsbestimmungen

des § 44f AVG zutreffen. Wenn das Verfahren so weit gediehen ist, dass eine Zustellung an

die Beteiligten zu erfolgen hat, wird von der Behörde entschieden werden, welche

Vorgangsweise angewandt werden soll. In dem Verfahren haben ca. 3.500 Personen

Parteistellung.

 

Zu Frage 8:

 

Einer der Gründe für die geringe Anwendung der Großverfahrensregelung dürfte darin

liegen, dass die Abschätzung, ob „voraussichtlich mehr als 100 Personen beteiligt“ sein

werden, eine nicht an objektiven Kriterien messbare Einschätzung darstellt, die sich noch am

ehesten an vergleichbaren Verfahren in der Vergangenheit orientieren. Fraglich ist, ob es

diese vergleichbaren Verfahren überhaupt gibt und wie die getroffene Einschätzung

begründet werden soll.

 

Diese Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit den damit verbundenen hohen Kosten

insbesondere auf Seiten des Antragstellers, der immerhin eine zentrale Partei im Verfahren

ist, führen fast zwangsläufig zu einem eher restriktiven Umgang mit den neuen

Bestimmungen. Dazu kommt die realistische Einschätzung, dass mehr als 100 Beteiligte nur

dann zu erwarten sind, wenn bereits im Vorfeld einer Antragstellung vehemente Stimmen in

der Bevölkerung gegen ein Vorhaben laut werden und diese negative Stimmung - in welcher

Form auch immer - einen größeren Rahmen erhält. Derartige Situationen sind im Rahmen

des Vollzugsbereichs des Bundesministeriums für Land - und Forstwirtschaft, Umwelt und

Wasserwirtschaft jedoch nur bei wenigen Vorhaben zu erwarten, sodass die herkömmliche

Verfahrensabwicklung mit Sicherheit der Regelfall bleiben wird.

 

Darüber hinaus könnte die geringe Anzahl von Großverfahren darin begründet sein, dass

bereits anderweitig eine ausreichende öffentliche Publizität eines Vorhabens gegeben ist, sei

es durch eine öffentliche Erörterung nach den Bestimmungen des Bürgerbeteiligungs -

verfahrens des UVP - G oder auf Grund freiwilliger Informationsveranstaltungen seitens der

Antragsteller.

 

§ 44a AVG überlässt die Entscheidung über die Anwendung der Bestimmungen über das

Großverfahren jedenfalls dem Ermessen der Behörde, die dabei nach den Grundsätzen der

Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis vorzugehen bat. Bei der

Beurteilung der Kosten ist auch zu berücksichtigen, dass die Kosten der Veröffentlichung

vom jeweiligen Antragsteller und nur die Kosten der Verlautbarung des Ediktes im „Amtsblatt

zur Wiener Zeitung“ von Amts wegen zu tragen sind. Letztere Kosten bestimmen daher den

Maßstab für die behördlichen Überlegungen der günstigeren Vorgangsweise. Bei

Zugrundelegung eines Kostenrahmens von ca. ATS 3.000,-- bis 5.000,-- für eine

Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung können ca. 100 bis 150 herkömmliche

Zustellungen vorgenommen werden.