668/AB XXI.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr 710/J - NR/2000 betreffend rassistische und

xenophobe Textstellen sowie methodisch und inhaltlich bedenklichen Passagen (u.a. bei der

Darstellung des Nationalsozialismus) in zwei Bänden des Schulbuches „Meilensteine der

Geschichte", Veritas Verlag Linz, 1997, die die Abgeordneten Dieter Brosz Freundinnen und

Freunde am 27. April 2000 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Die Bücher enthalten etliche Passagen und Überschriften, bei denen das Bemühen im Vordergrund

steht, das Interesse der Schülerinnen und Schüler der 7, und 8. Schulstufe zu wecken, und bei denen

die wissenschaftlich präzise Formulierung vernachlässigt wurde.

Bei Berücksichtigung der Vorschläge im Lehrerbegleitheft werden die Absichten der Autoren klar,

sie sind keinesfalls fremdenfeindlich.

 

Ad 1.:

 

Der Vorwurf der personalisierenden Geschichtsbetrachtung wird häufig gegen Geschichtsbücher

erhoben. Einerseits haben aber Persönlichkeiten die Geschichte in positiver und negativer Weise

geprägt, andererseits sollen sie im Umfeld gesehen werden, das ihr Wirken ermöglicht hat.

Die Autoren sind sich der Schwierigkeit ihrer Aufgabe bewusst, wie ihre Fmpfehlungen für die

Lehrerschaft im Lehrerbegleitheft zeigen. Sie werden in der Neubearbeitung auf Grund der neuen

Lehrpläne die Überschriften ändern, damit nicht der Eindruck entstehen kann, „Hitler hätte das alles

ganz alleine gemacht“.

Die Autoren verweisen darauf, dass in ihren Büchern in fast jedem Kapitel die Themen

Familienleben, Rolle der Frau, Jugend, Erziehung und Schule behandelt würden

Ad 2.:

 

Da ab dem Schuljahr 2002/03 eine neue Lehrbuchserie zur Verfügung stehen wird, in der auf die

angeführten Punkte eingegangen wird, soll ab dein nächsten Schuljahr eine Ergänzung zu den

vorliegenden Büchern erscheinen, die die angeführten Kritikpunkte erläutern und durch didaktische

Ergänzungen klären.

 

Ad 3.:

 

Bei der Darstellung des Widerstandes stehen die Aussagen auf Seite 64 und auf Seite 80 zueinander

in Widerspruch. Eine Änderung ist notwendig, der Verlag hat das Eingehen auf die Rolle der

Arbeiterbewegung im Widerstand zugesagt.

 

Ad 4.:

 

„Alpenkurier“ nennen die Autoren die Einstiegsseiten zu den Großkapiteln, durch die das Interesse

der Schülerinnen und Schüler geweckt werden soll.

Es handelt sich dabei nicht um Quellen, sondern um einen Autorentext im Stil einer Zeitung für

junge Leserinnen und Leser. Diese Methode ist inzwischen auch in anderen Büchern für diese

Altersstufe zu finden, die in der Hauptschule und in der allgemein bildenden höheren Schule große

Verbreitung haben. Bei der ersten Begutachtung im Jahr 1991 wurde diese Idee als Innovation

positiv beurteilt.

 

Ad 5.:

 

Die Geschichtsdarstellung für Jugendliche der 7. und 8. Schulstufe muss so erfolgen, dass sie dem

Geschichtsauffassungsvermögen der jeweiligen Altersstufe adäquat ist. Dazu dienen unter anderem

ein personalisierender Einstieg oder fingierte Interviews, so sie als solche ersichtlich sind. Wissen -

schaftliche Traktate - als Einstieg für die Betrachtung einer geschichtlichen Epoche - sind für diese

Altersstufe ungeeignet.

 

Ad 6.:

 

Die Doppelseite 82f. bedarf der Erläuterung durch die jeweiligen Lehrer. Es gab eine Zeitung mit

dem Titel „Neues Österreich“ und der Schriftzug ist dem Original nachempfunden. Bei den

Textquellen (Seite 130) wird diese Zeitung aber nicht zitiert, außerdem ist sie nicht wie die Quellen

gelb unterlegt, also handelt es sich um einen Autorentext. Eine solche Vermischung von Quelle und

Autorentext, die die Schüler/innen verwirren kann - wenn keine Erläuterung im Unterricht erfolgt -

soll vermieden werden.

 

Ad 7.:

 

Auf Seite 14 (Band 3) soll zum Ausdruck gebracht werden, wer die schlechten Nachrichten

verbreitet hat: Offenbar Menschen, die die Türken zu dieser Zeit als „Helden“ bezeichnet haben.

Auch hier bedarf es der weiteren Erläuterung durch die Lehrer.

 

Ad 8.:

 

Auch zu diesem Punkt werden den Lehrern didaktische Erläuterungen zur Verfügung gestellt

werden.

 

Ad 9.:

 

Die schwarzen Sklaven in Amerika wurden lange Zeit als ,,Negersklaven“ bezeichnet. Im Buch

finden sich die heute gängige Bezeichnung und die historische nebeneinander, es muss jedoch den

Schülerinnen und Schülern erläutert werden, dass im alltäglichen Sprachgebrauch die Bezeichnung

„Neger“ zu vermeiden ist, aber im historischen Zusammenhang - etwa bei Bezugnahme auf

Originaltexte („Das Sklavenschiff‘ von Heinrich Heine, Seite 27 in Band 3 oder ,,negro slave“ in

zeitgenössischen Illustrationen in anderen Büchern) - zulässig ist.

 

In Überschritten „Negersklaverei“ (Seite 27 in Band 3) und „Wie die Amerikaner die Negersklaven

behandelten“ (Seite 83 in Band 3) wird der Begriff „Neger“ durch „Schwarze“ ersetzt.

 

Ad 10.:

 

Die Darstellung der Französischen Revolution (Band 3, Seite 89ff) berücksichtigt die

Menschenrechte und die Verfassung, doch wird nach heutiger Geschichtsauffassung die

Erstürmung der Bastille als nicht mehr so wichtig bewertet. Die Schrecken der Revolution könnten

weniger drastisch vermittelt werden.

 

Ad 11 + 12.:

 

Angesichts der Tatsache, dass das Buch seit rund 10 Jahren im Schulgebrauch ist, erfolgt eine

Überarbeitung - siehe auch Antwort zu Punkt 13.

Ad 13.:

 

Die Eignung von Schulbüchern wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

auf Grund der Verordnung über die Gutachterkommissionen zur Eignungserklärung von

Unterrichtsmitteln beurteilt.

 

Nach Umarbeitung der ursprünglich eingereichten Manuskripte (der Band für die 3. Klasse am

7. Juni 1991 und der Band für die 4. Klasse am 11.Mai 1992 und für die letzten Jahrzehnte in

abermals aktualisierter Form am 9, Jänner 1997) entsprachen beide im Wesentlichen den

Anforderungen und wurden zum Unterrichtsgebrauch zugelassen. Im Schuljahr 2000/2001 wird den

Büchern eine Ergänzung mit Erläuterungen zu den Kritikpunkten beigelegt werden, für das

Schuljahr 2001/2002 werden diese Erläuterungen in die Bücher für den Nachdruck eingearbeitet

werden.

Ab 2002/2003 wird der Band für die 3. Klasse und ab 2003/2004 der Band für die 4. Klasse durch

eine neue Lehrbuchreihe abgelöst werden.

 

Ad 14.:

 

Der Band für die 3. Klasse wurde am 7. Juni 1991 eingereicht und nach Beurteilung durch die

Kommissionen für Hauptschulen und für allgemein bildende höhere Schulen, nach Umarbeitung

und neuerlicher Beurteilung am 3. Juni 1992 zum Unterrichtsgebrauch zugelassen, der Band für die

4. Klasse wurde am 11. Mai 1992 eingereicht und nach Beurteilung durch die Kommissionen für

Hauptschulen und für allgemein bildende höhere Schulen, nach Umarbeitung und neuerlicher

Beurteilung am 28. April 1993 zum Unterrichtsgebrauch zugelassen, am 28. Jänner 1997 wurde

eine Fassung mit Ergänzungen zu den jüngsten Ereignissen genehmigt.

 

Die Kommissionen kamen nach Umarbeitung der Manuskripte zum Ergebnis, dass die Werke für

den Schulgebrauch geeignet wären.

 

Von jeder Kommission wurde je ein Gutachten zur Ersteinreichung und je ein Gutachten zur

Umarbeitung ausgearbeitet, und zwar jeweils auf der Basis der Gutachtensentwürfe von je zwei

Berichterstatterinnen bzw. Berichterstattern für Hauptschulen und für allgemein bildende höhere

Schulen.

 

Die Gutachten wurden von den damals tätigen Mitgliedern der Gutachterkommissionen verfasst; sie

sind in der Funktionsperiode 1998 - 2002 in der nun gemeinsamen Gutachterkommission für

Hauptschulen, für allgemein bildende höhere Schulen, für Bildungsanstalten für Kindergarten -

pädagogik und für Bildungsanstalten für Sozialpädagogik nicht tätig.

Es wurden zahlreiche Kritikpunkte geäußert, sie hatten für den Band für die 3. Klasse einen

Umfang von 67 Seiten und für den Band für die 4. Klasse einen Umfang von 83 Seiten.

 

Den Kritikpunkten wurde zunächst durch die Vorlage von umgearbeiteten Manuskripten und dann

durch die Behebung der in den korrigierten Manuskripten aufgezeigten Mängel Rechnung getragen.

 

Die Gutachten dienen als Grundlage für die Entscheidung durch die Behörde und sind nur für den

Antragsteller zugänglich, sie können der Anfragebeantwortung nicht beigelegt werden.

Zum Kapitel „Nationalsozialismus" im Abschnitt „Diktatorische Systeme" lautete die Beurteilung

für die umgearbeiteten Manuskripte:

 

Gutachterkommission für Hauptschulen.

„Die Absicht der Autoren, durch exemplarische Behandlung mancher Inhalte den Umfang des

Buches überschaubar zu halten, wird auch in diesem Abschnitt sichtbar. Die autoritären Systeme in

der Sowjetunion, in Italien und Spanien werden daher eher nur gestreift, während das

Schwergewicht eindeutig auf den Nationalsozialismus gelegt wird.

Im Hinblick auf einen arbeitsorientierten Unterricht, der ja wesentlich mehr Zeit erfordert als bloß

darbietende Unterrichtsformen, findet der Gutachter diese Vorgangsweise als durchaus sinnvoll.

Die ansonsten gelungene Zusammenfassung „Was war wann?" auf Seite 58 (des Manuskripts)

sollte allerdings nach Ergänzung der entsprechenden Daten bei Deutschland und Österreich erst am

Ende des Abschnittes eingefügt werden. Das Lernziel über Möglichkeiten und Formen der

Manipulation und Indoktrination erscheint durch die eindrucksvollen Texte auf den Seiten 64 bis 67

besonders gut verwirklicht. Nach Meinung des Gutachters wird allerdings das Lernziel, über die

Unterschiede zwischen demokratischen und diktatorischen Systemen, im vorliegenden Manuskript

zu wenig sichtbar."

 

Gutachterkommission für allgemein bildende höhere Schulen:

Berichterstatter A:

„Die NS - Diktatur ist im wünschenswerten Ausmaß angeboten, didaktisch geschickt aufbereitet, alle

wesentlichen Gegebenheiten und Entwicklungen und Fakten aufgezeigt, sodass bei den Schülern

Erkennen der Auswirkungen totalitärer Systeme und sicher auch gewünschte Betroffenheit der Fall

sein wird."

 

Berichterstatter B:

„Der Nationalsozialismus: Der Abschnitt wird durch die berühmte Rede von Weizsäcker vom

8. Mai 1985 eingeleitet.

Der Aufstieg der NSDAP wird einfach und klar dargelegt.

Sehr gut sind die Quellenbeispiele, die hier gewählt wurden. Die Sicht von Familie und Frauenbild

wurde sehr gut herausgearbeitet, ebenso die Nazipropaganda, aus der sich Begeisterung, Fanatismus

und Terror entwickelten. Die Schilderung von Einzelschicksalen bildet dabei eine Unmittelbarkeit,

die auch den Jugendlichen packen wird.

Das Kunstkonzept des Nationalsozialismus wird richtig dargestellt.

Der organisierte Massenmord - ein Kapitel, das unter die Haut geht. Unterdruckung und

Widerstand werden exemplarisch aufgezeigt. Im Anschluss findet sich zwar die Frage nach

erfolgreichem Widerstand gegen ein totalitäres Regime, erscheint aber nicht sehr markant. Hier

sollte doch eher zu einer Projektarbeit in Richtung von Zusammenschau von Zeitumständen,

Wirtschaft, Technik, Erziehung, Jugendproblemen etc. im Gegensatz zu heute angeregt werden.“