750/AB XXI.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Petrovic, Lunacek, Freundinnen und Freunde

haben am 10. Mai 2000 unter der Nr. 7471/ an mich eine schriftliche parlamentari -

sche Anfrage betreffend Ausweitung des Mandates über die „Modalitäten der Teil -

nahme Österreichs“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Gemäß § 1 Z 1 lit. a. des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Soli -

darität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE -

BVG), BGBl. I Nr.38/1997 in der geltenden Fassung, können Einheiten und einzelne

Personen in das Ausland entsendet werden zur solidarischen Teilnahme an "Maß -

nahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie,

Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte im Rahmen einer internationa -

len Organisation oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in

Europa (OSZE) oder in Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im

Rahmen der Gemeinsamen Außen - und Sicherheitspolitik“.

 

Der Terminus „Maßnahmen der Friedenssicherung“ ist dabei in einem umfassenden

Sinn zu verstehen. So wurde bereits in den Erläuterungen zur damaligen Regie -

rungsvorlage (RV 503 BlgNR XX. GP) ausgeführt, dass die „Maßnahmen der Frie -

denssicherung“ in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen Maß -

nahmen umfassen können, wie sie etwa im Bericht des UN - Generalsekretärs an den

Sicherheitsrat ‚An Agenda for Peace“‘ vorgelegt in New York am 17. Juli1992,

enthalten sind. In diesem vom damaligen UN - Generalsekretär Boutros Boutros - Ghali

vorgelegten Bericht wird insbesondere ein Katalog von Begriffsbestimmungen aufge -

stellt, der Begriffe wie „vorbeugende Diplomatie" Friedensschaffung" (peacemaking),

,‚Friedenserhaltung“ (peace - keeping) und ,,Friedenskonsolidierung in der Konfliktfol -

gezeit“ enthält. Dabei umfaßt der vielschichtige Begriff ,,peacemaking“, dessen Gren -

zen zum Begriff des „peace - keeping" fließend sind, in seinem multidimensionalen

Bedeutungsgehalt so unterschiedliche Aspekte wie die friedliche Streitbeilegung

nach Kapitel VI der Satzung der Vereinten Nationen, kollektive Anstrengungen der

Hilfeleistung zur Entschärfung von Spannungszuständen, die Anwendung von nicht -

militärischen Sanktionen sowie auch die Anwendung militärischer Zwangsmaßnah -

men nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen und schließlich die Frie -

densdurchsetzung (peace enforcement) zur Wiederherstellung und Aufrechterhal -

tung einer Waffenruhe. Diesem - umfassenden - Begriffsverständnis folgend wurde

auch im Bericht des Verfassungsausschusses (657 BlgNR XX. GP) festgehalten,

dass Maßnahmen der Friedenssicherung im Sinne des § 1 Z 1 lit. a KSE - BVG

„darauf gerichtet (sind), zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Friedens und der

internationalen Sicherheit im Einklang mit der Satzung der Vereinten Nationen bei -

zutragen“.

 

Der gegenständliche multinationale Friedenseinsatz im Kosovo (KFOR) beruht auf

einem Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999,

der dabei nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen tätig wurde. In dieser

Resolution Nr.1244 (1999) wurden die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und

„die zuständigen internationalen Organisationen“ ermächtigt, eine internationale

Sicherheitspräsenz im Kosovo gemäß Punkt 4 der Anlage 2 zu dieser Resolution zu

dislozieren. Im erwähnten Punkt 4 der Anlage 2 zur genannten Resolution wird fest -

gelegt, dass die internationale Sicherheitspräsenz unter „substantieller Beteiligung

der Nordatlantikvertrags - Organisation“ unter gemeinsamer Führung disloziert werden

und ermächtigt sein muss, „ein sicheres Umfeld für alle Menschen im Kosovo zu

schaffen und die sichere Rückkehr aller Vertriebenen und Flüchtlinge in ihre Heimat

zu erleichtern“.

 

Die genannte Resolution der Vereinten Nationen legt auch die Aufgaben dieser inter -

nationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo näher fest und beschreibt damit den zuläs -

sigen Rahmen der Handlungen der KFOR.

 

Mit dem Beschluss der Bundesregierung über die Fortsetzung der Entsendung des

österreichischen Infanteriekontingentes im Rahmen des multinationalen Einsatzes

der KFOR unter geänderten Modalitäten wurde auch gemäß § 4 Abs. 3 letzter Satz

KSE - BVG bestimmt, dass die entsendeten Personen weiterhin die Einsatzweisungen

des zuständigen Kommandanten der KFOR „im Rahmen der Autorisierung des Ein -

satzes durch die Vereinten Nationen“ zu befolgen haben. Dadurch und durch die

entsprechenden Vereinbarungen mit der NATO ist sichergestellt, dass von österrei -

chischen Teilnehmern an diesem Einsatz keine Handlungen abverlangt werden kön -

nen, die über die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgegebenen Rahmen -

bedingungen hinausgehen. Die Übernahme des gesamten Aufgabenspektrums der

KFOR durch die österreichischen Teilnehmer an diesem Einsatz ermöglicht nunmehr

eine Angleichung des Aufgabenspektrums der österreichischen Teilnehmer an jenes

der übrigen KFOR - Teilnehmer, ändert allerdings nicht den grundsätzlichen Charak -

ter des Einsatzes des österreichischen Kontingents.

 

Zu Frage 2:

Wie ich in der Beantwortung zu Frage 1 ausgeführt habe, handelt es sich beim ge -

genständlichen Einsatz um einen vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auto -

risierten internationalen Friedenseinsatz im Kosovo. Eine Teilnahme Österreichs an

einem derartigen Einsatz ist nach den oben zitierten Bestimmungen des KSE - BVG

zulässig und mit den Bestimmungen über die immer währende Neutralität Öster -

reichs vereinbar. Im Übrigen darf ich in diesem Zusammenhang betonen, dass die

Bundesrepublik Jugoslawien dieser internationalen Sicherheitspräsenz mit den in der

genannten Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vorgesehenen

Aufgaben zugestimmt hat. Schon allein vor diesem Hintergrund käme die Aktivierung

des völkerrechtlichen Neutralitätsrechts nicht in Betracht.

 

Zu Frage 3:

Da - wie unter 1 und 2 dargestellt - der Einsatz der KFOR im Rahmen einer Autori -

sierung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stattfindet, ist aufgrund von

§ 320 Abs. 2 Z 1 StGB auch auszuschließen, dass es zu einem Strafverfahren

wegen Neutralitätsverletzung kommen könnte.

 

Zu Frage 4:

Seitens der österreichischen Bundesregierung werden mannigfaltige Aktivitäten

durchgeführt, die zur Stabilisierung der Region und damit zur Deeskalation der dor -

tigen Lage beitragen. Hinsichtlich der von Österreich gesetzten außenpolitischen

Aktivitäten darf ich darauf hinweisen, dass diese in den Wirkungsbereich der Bun -

desministerin für auswärtige Angelegenheiten fallen.

 

Zu Frage 5:

Die Vermeidung von Eskalationen sollte - im Sinne des Friedensauftrages, der allen

Staaten in der Satzung der Vereinten Nationen vorgegeben ist, - primär durch politi -

sche und diplomatische Maßnahmen erfolgen. Die Glaubwürdigkeit internationaler

Deeskalationsstrategien wird aber aus meiner Sicht durch die grundsätzliche Mög -

lichkeit der Ergreifung friedensdurchsetzender Maßnahmen, gleichsam als ultima

ratio,  jedenfalls gefördert.

 

Hinsichtlich der Fragen 6, 7 und 8 darf ich auf die in ihrem Wirkungsbereich betrof -

fenen Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, für Inneres und für Landes -

verteidigung verweisen.

Zu Frage 9:

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen selbst hat den Weg gewählt, eine interna -

tionale zivile Präsenz und eine internationale Sicherheitspräsenz im Kosovo zu er -

möglichen. Es erscheint mir nicht sinnvoll, den einen oder den anderen von einem

UN - Mandat umfassten Einsatz als „wichtiger“ zu bezeichnen, zumal beide Einsätze

letztlich dem selben Zweck, nämlich der Deeskalation des damaligen Konflikts und

der Stabilisierung des Raumes, dienen und es essentiell ist, dass beide angespro -

chenen Komponenten von der Staatengemeinschaft parallel wahrgenommen wer -

den.

 

Zu Frage 10:

Wie ich in der Beantwortung der Frage 9 ausgeführt habe, erscheint eine Trennung

der beiden komplementären Maßnahmen der Staatengemeinschaft nicht sinnvoll.

Gerade auch im vorliegenden Fall entspricht es den sicherheitspolitischen Interessen

Österreichs, einen Beitrag zur Stabilität zu leisten und seine langjährige Tradition der

Beteiligung an internationalen Einsätzen zur Aufrechterhaltung des Friedens und der

internationalen Sicherheit fortzuführen. Das „Gelingen“ des multinationalen Friedens -

einsatzes im Kosovo stellt im Übrigen auch nach internationaler Auffassung eine ent -

scheidende Vorbedingung für die Sicherung eines dauerhaften Friedens in dieser

Krisenregion und eine unverzichtbare Voraussetzung für wirksame zivile Maßnah -

men zur Überwindung der Kriegsfolgen dar.“