807/AB XXI.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 771/J - NR/2000, betreffend die

erforderliche Ökopunktereduktion, die die Abgeordneten Reheis und Genossen am

12. Mai 2000 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Zu den Fragen 1 bis 4 und 7:

Mein Ressort hat die Kommission bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 1999

offiziell davon in Kenntnis gesetzt, daß aus den Prognosen der ökopunktepflichtigen

Gesamttransitfahrten 1999 deutlich hervorgeht, daß die Basisfahrten 1991 im Jahr

1999 jedenfalls um mehr als 8 % überschritten werden und die Kommission unter

Berufung auf Artikel 11, Absatz 2 c) des Protokolls Nr.9 des Beitrittsvertrages

aufgefordert, die in diesem Fall für die Ermittlung der Zahl der Ökopunkte für das

Jahr 2000 in Anhang 5, Absatz 3 des Protokolls vorgesehenen

Reduktionsmaßnahmen zu ergreifen.

 

Die erste Sitzung des Ökopunkteausschusses zu dieser Frage wurde von der

Kommission jedoch erst am 2. März 2000 einberufen, wobei zu diesem Zeitpunkt die

Durchführung der gesamten Ökopunktereduktion im Jahr 2000 praktisch noch

möglich gewesen wäre. Obwohl dies von österreichischer Seite mehrmals

ausdrücklich verlangt wurde, wurde bei dieser Sitzung aber bedauerlicherweise keine

Abstimmung über die zu treffenden Maßnahmen (Vornahme der gesamten

Reduktion im Jahr 2000) abgehalten.

 

Um darauf hinzuwirken, daß es zu keinen weiteren Verzögerungen im Ver -

fahrensablauf kommt, habe ich daher umgehend die Initiative zu einem bilateralen

Gespräch mit EU - Verkehrskommissarin Loyola de Palacio ergriffen. Anläßlich dieses

Gespräches, welches am 27. März 2000 stattfand, schlug die Kommissarin vor, daß

die notwendige außerordentliche Reduktion der Ökopunkte aufgrund des Zeitfaktors

und aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit nicht zur Gänze im letzten Drittel

des Jahres 2000, sondern in einer kontinuierlichen Kurve über die gesamte Laufzeit

des Ökopunktesystems bis zum Ende des Jahres 2003 vorgenommen werden sollte.

 

Ich betonte meinerseits, daß eine derartige kontinuierliche Reduktion der Ökopunkte

aus österreichischer Sicht jedenfalls nur unter der Voraussetzung akzeptiert werden

könnte, daß diese Art der Reduktion zu einem besseren Ergebnis hinsichtlich der

Gesamtzahl der Transitfahrten durch Österreich bis 2003 führt, als bei einer

strikteren Auslegung der Bestimmungen des Protokolls Nr.9 erzielbar wäre.

 

Die Kommissarin bestätigte, daß durch das vorgesehene Ausmaß der Reduktion und

durch die Aufteilung der Reduktion auf die gesamte Laufzeit des Ökopunktesystems

die Ziele des Protokolls Nr. 9 voraussichtlich unterschritten werden, und sicherte mir

zu, daß die Kommission umgehend eine Lösung erarbeiten werde, die jedenfalls im

Einklang mit dem Protokoll Nr. 9 stehen, gleichzeitig jedoch eine vernünftige und für

alle akzeptable Vorgangsweise vorsehen werde.

 

Da der von der Kommission offensichtlich erst nach diesem Gespräch befaßte

Juristische Dienst diesen Vorschlag der Kommissarin aufgrund rechtlicher Bedenken

nicht unterstützte, kam es im Anschluß an dieses Gespräch zu einer weiteren

Verzögerung im Verfahrensablauf. So wurde die ursprünglich für 3. Mai 2000

festgesetzte weitere Sitzung des Ökopunkteausschusses, bei welcher über einen

konkreten Vorschlag der Kommission zur Reduzierung der Ökopunkte abgestimmt

werden hätte sollen, auf 15. Mai 2000 verschoben.

Anläßlich eines weiteren bilateralen Gesprächs mit EU - Verkehrskommissarin Loyola

de Palacio, welches auf mein Drängen am 2. Mai 2000 in Brüssel stattfand,

bestätigte die Kommissarin die aufgetretenen rechtlichen Probleme, betonte jedoch,

daß sie alles daran setzen werde, um sicherzustellen, daß der EU - Verkehrs -

ministerrat in seiner Sitzung vom 26. Juni 2000 über einen konkreten Vorschlag, der

eine ,,vernünftige" Reduktion der Ökopunkte in einer kontinuierlichen Kurve vorsieht,

abstimmen kann.

 

Zu diesem Zweck wurde die Frage, ob die Reduktion der Ökopunkte bis zum Ende

der Laufzeit des Ökopunktesystems ,,gestretcht" werden soll, am 15. Mai 2000

anläßlich einer weiteren Sitzung des Ökopunkteausschusses und am 17. Mai 2000

im Ausschuß der Ständigen Vertreter in Brüssel diskutiert.

 

Wie ich bereits anläßlich meiner Gespräche mit EU - Verkehrskommissarin Loyola de

Palacio betont habe, wurde auch in den Diskussionen auf Beamtenebene immer

wieder mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Bestimmung, wonach bei einer

überproportionalen Zunahme des Transitverkehrs durch Österreich eine

außerordentliche Reduktion der Ökopunkte erfolgen muß, integrierender Bestandteil

des von den EU - Mitgliedstaaten im Rahmen des Protokolls Nr. 9 des Beitrittsver -

trages einstimmig beschlossenen Ökopunktesystems ist und daß das Ziel dieser

Bestimmung, die betroffene Bevölkerung vor den durch überproportionale Verkehrs -

zunahmen entstehenden, unzumutbaren zusätzlichen Belastungen nachhaltig zu

schützen, bei der Anwendung der Plafonierungsregelung gemäß Protokoll Nr. 9 des

Beitrittsvertrages jedenfalls im Vordergrund stehen und umfassend berücksichtigt

werden muß. Weiters wurde in aller Deutlichkeit festgehalten, daß daher eine

Aufteilung der Ökopunktereduktion auf mehrere Jahre aus österreichischer Sicht nur

unter der Voraussetzung akzeptiert werden kann, daß diese Art der Reduktion zu

einem besseren Ergebnis hinsichtlich der Gesamtzahl der Transitfahrten durch

Österreich bis 2003 führt, als bei einer strikteren Auslegung der Bestimmungen des

Protokolls Nr. 9 erziel bar wäre und es zu keiner Aussetzung des 108% - Limits bis

2003 kommt.

 

Außerdem wurde die Kommission nochmals dringend ersucht, dafür Sorge zu

tragen, daß das Verfahren zur Durchführung der gemäß Protokoll Nr. 9

erforderlichen außerordentlichen Reduktion der Ökopunkte keine weitere

Verzögerung erfährt, damit der EU - Verkehrsministerrat bei seiner nächsten Sitzung

am 26. Juni 2000 eine endgültige Entscheidung treffen kann und die notwendigen

Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung umgehend zur Anwendung gelangen.

 

Durch die konsequente Vertretung der österreichischen Position ist es schließlich

gelungen, die Kommission dazu zu bewegen, am 24. Mai 2000 einen Vorschlag zur

Reduzierung der Ökopunkte vorzulegen, der eine aus österreichischer Sicht bereits

wesentlich bessere Aufteilung der Ökopunktereduktion auf die einzelnen Jahre

vorsieht, als dies von der Kommission ursprünglich geplant war.

 

Da sich die Teilnehmer an der interministeriellen Vorbesprechung für die Sitzung des

Ökopunkteausschusses vom 31. Mai 2000 jedoch mehrheitlich gegen den Vorschlag

der Kommission aussprachen, hat die österreichische Delegation bei der am 31. Mai

2000 im Rahmen des Ökopunkteausschusses abgehaltenen Abstimmung über den

Vorschlag der Kommission ein negatives Votum abgegeben. Da auch andere

Mitgliedstaaten (Deutschland, Italien, Griechenland, Belgien) - wiewohl aus anderen

Gründen - gegen den Vorschlag der Kommission stimmten bzw. sich der Stimme

enthielten, was als Negativvotum gewertet wird, konnte sichergestellt werden, daß

die Frage der außerordentlichen Reduktion der Ökopunkte am 26. Juni 2000 auf

Ebene des EU - Verkehrsministerrates behandelt wird.

 

Im Bestreben zu gewährleisten, daß der bei der Tagung des EU - Verkehrs -

ministerrates vom 26. Juni 2000 zur Diskussion und Entscheidung gelangende

Vorschlag der Kommission betreffend die außerordentliche Reduktion der Ökopunkte

die österreichischen Anliegen umfassend berücksichtigt, führte ich am 20. Juni 2000

ein weiteres bilaterales Gespräch mit EU - Verkehrskommissarin Loyola de Palacio,

anläßlich dessen ich nochmals nachdrücklich auf die österreichische Haltung zu

dieser Frage hinwies und betonte, daß Österreich nur zu einer Lösung zustimmen

könne, die sicherstellt, daß es zu keiner weiteren Zunahme des Transitverkehrs

durch Österreich und der damit verbundenen Belastungen für die betroffene

österreichische Bevölkerung kommt.

Bedauerlicherweise veranlaßte dieses Gespräch die Kommissarin jedoch nicht dazu,

dem EU - Verkehrsministerrat am 26. Juni 2000 einen entsprechend geänderten

Kommissionsvorschlag vorzulegen. Die Frage der notwendigen außerordentlichen

Reduktion der Ökopunkte wurde daher am 26. Juni 2000 auf Basis des

Kommissionsvorschlags vom 24. Mai 2000 diskutiert.

 

Da die Positionen der Mitgliedstaaten in dieser Frage jedoch weit auseinander

gehen, konnte in dieser Frage keine Einigung erzielt werden. Während ich aus

österreichischer Sicht - wie schon bisher - die strikte Anwendung der Schutzklausel

gemäß Protokoll Nr. 9 forderte und in diesem Zusammenhang den Vorschlag der

Kommission ablehnte, der durch das vorgesehene "Stretching" der Reduktion in der

Höhe von rd. 2,1 Mio. Ökopunkten bis 2003 in 30 - 30 - 30 - 10% - Schritten dazu führen

würde, daß die Transitfahrten durch Österreich, insbesondere im Jahr 2001, weiter

steigen, forderten die übrigen betroffenen Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland,

eine wesentlich geringere Reduktion und damit die Möglichkeit zur Durchführung

einer noch höheren Zahl an Transitfahrten als im Kommissionsvorschlag vorge -

sehen.

 

Im Anschluß an die Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt verwies die

portugiesische Präsidentschaft das Dossier - gegen den Widerstand Österreichs -

zurück an den COREPER mit der Aufforderung an diesen, einen geeigneten, für alle

Mitgliedstaaten akzeptablen Kompromißvorschlag auszuarbeiten.

 

Wenn kein derartiger Kompromißvorschlag zustande kommt, welcher im Rahmen

eines Sonderverkehrsministerrates zur Frage der außerordentlichen Ökopunkte -

reduktion diskutiert und beschlossen werden müßte, so tritt der Kommissions -

vorschlag entsprechend dem im Artikel 16 des Protokolls Nr.9 vorgesehenen

Verfahren im September 2000 in der vorliegenden, für Österreich unbefriedigenden

Form, automatisch in Kraft.

 

Österreich bliebe diesfalls nur noch der Klagsweg offen.

Zu Frage 5:

 

Die Frage der Haftung bzw. allfälliger Schadenersatzzahlungen im Falle der

Nichterfüllung des Protokolls Nr.9 des Beitrittsvertrages wäre in einem

entsprechenden Verfahren vom EuGH zu beurteilen.

 

Zu Frage 6:

Die legalen Möglichkeiten, eine vertragskonforme Absenkung der Ökopunkte zu

erreichen, ergeben sich aus den diesbezüglichen Bestimmungen des Protokolls Nr.9

des Beitrittsvertrages.

 

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes vertrat in diesem Zusammenhang

die Auffassung, daß die rechtlichen Vorgaben des Protokolls Nr.9 des Beitrittsver -

trages Lösungsmodellen, die eine anteilige Reduktion der Ökopunkte für den noch

verbleibenden Zeitraum des Jahres 2000 in Verbindung mit einer sich auch noch auf

kommende Jahre erstreckenden Reduktion vorsehen, grundsätzlich nicht zwingend

entgegenstehen und „geeignete Maßnahmen" im Sinne des Artikel 11 Absatz 2 c)

darstellen können.

 

Wenn die Verteilung der Reduktion auf die einzelnen Jahre jedoch so gewählt wird,

daß das Schutzziel der entsprechenden Bestimmung des Protokolls Nr.9 des

Beitrittsvertrages nicht erreicht werden kann, muß die mögliche Lösung einer sich bis

2003 erstreckenden Reduktion freilich wieder in Frage gestellt werden.