896/AB XXI.GP

 

Die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am

6. Juni 2000 unter der Zahl 899/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend “Tod eines Flüchtlingskindes im ‚Gelinderen Mittel'" gerichtet. Diese

Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 und 18:

 

Den Tod des fünfjährigen afghanischen Buben bedaure ich aus ganzem Herzen.

 

Nach den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen steht der Tod in keinem

Zusammenhang mit der Tatsache der Anordnung eines gelinderen Mittels. Wie sich

aus den Berichten der zuständigen Behörden ergibt, kam der Bub offensichtlich

bereits krank nach Österreich und wurde, nachdem die Mutter bei der Einvernahme

angab, er sei krank, unverzüglich - noch vor Unterbringung in der Pension in Gols -

medizinisch untersucht.

Weitere Untersuchungen fanden dann während des Aufenthaltes in der genannten

Pension statt. Nachdem sich der Zustand des Buben trotz der verabreichten

Medikamente verschlechterte, wurde er in das Landeskrankenhaus Eisenstadt

gebracht. Da sein Zustand nicht stabilisiert werden konnte, sollte er in das AKH nach

Wien verlegt werden und ist während des Transports gestorben.

 

Zu Frage 2:

 

Mit Stichtag 1. Mai 2000 befanden sich rund 3.800 AsylwerberInnen in Bundes -

betreuung.

 

Zahlen über jene AsylwerberInnen, die sich zum genannten Stichtag in Schubhaft

oder im gelinderen Mittel befanden, konnten in der zur Bearbeitung der Anfrage zur

Verfügung stehenden Zeit nicht eruiert werden.

Zu Frage 3:

 

Gemäß § 21 AsylG darf gegen Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung

die Schubhaft dann nicht verhängt werden, wenn sie den Asylantrag außerhalb einer

Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben oder diesen

anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer

Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes

aufgenommenen Kontaktes gestellt haben. Die Verhängung der Schubhaft über

Asylwerber zu Sicherungszwecken ist somit unter bestimmten Voraussetzungen

zulässig. Hiebei handelt es sich - wie in den meisten Fällen - um Fremde, die den

Asylantrag aus der Schubhaft stellen, oder um solche, auf die die angeführten

Voraussetzungen sonst nicht zutreffen (z.B. Aufgriffe im Grenzraum).

 

Die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft werden in § 61 FrG

geregelt. Danach können Fremde festgenommen und angehalten werden

(Schubhaft) sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines

Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit

oder die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf die Schubhaft nur

verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie

würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 66 FrG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand

nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung

gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde

gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der

Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Im März 1999 wurden Richtlinien für die Anwendung gelinderer Mittel aufgestellt und

die Behörden angewiesen, dass die Anordnung gelinderer Mittel insbesondere bei

erwachsenen Begleitpersonen von Minderjährigen, bei Schwangeren, älteren oder

kranken Personen in Betracht zu ziehen ist. In weiteren Rundschreiben vom

Dezember 1999 und April 2000 wurden diese Grundsätze wiederholt und vor dem

Hintergrund der Bestimmung des Art. 37 der UN - Kinderrechtekonvention

entsprechend präzisiert und insbesondere angeordnet, dass Minderjährige unter 14

Jahren nicht in Schubhaft genommen werden dürfen.

 

Die rechtliche Grundlage für Aufnahme und Unterbringung in Bundesbetreuung

ergibt sich aus dem Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. Nr. 405/91, sowie aus der

Bundesbetreuungsverordnung, BGBl. Nr. 31/1992, jeweils in der geltenden Fassung.

In die Bundesbetreuung werden hilfsbedürftige Asylwerber aufgenommen, wobei auf

das Wohlergehen von Alten, Kranken , Schwangeren, alleinstehenden Frauen und

Kindern besonders Bedacht genommen wird.

 

Zu Frage 4:

 

Die Betreuung der Asylwerber erfolgt durch die von meinem Ressort österreichweit

geförderten, auf die Betreuung von Asylwerbern spezialisierten Hilfsorganisationen

mit ihrem Betreuernetz. Das Bundesministerium für Inneres hat im Jahr 1999 für

diese Betreuungstätigkeit ATS 13,895 Mio aufgewendet.

 

Bundesbetreute Asylwerber werden in den Betreuungsstellen (zwei in

Niederösterreich, zwei in Oberösterreich, eine in Wien) untergebracht. Darüber

hinaus werden bundesbetreute Asylwerber in Vertragsgasthöfen versorgt. Diese

Vertragsgasthöfe werden von den Ländern im Rahmen der Übertragungsver -

ordnungen, durch Mitarbeiter der Betreuungsstellen sowie der Zentrale des

Bundesministeriums für Inneres, aber auch durch Beamte der Gendarmerie

kontrolliert.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Im gelinderen Mittel untergebrachte Personen sind nicht, wie in der Anfrage zum

Ausdruck gebracht wird, isoliert, sondern mit Ausnahme von regelmäßigen

Meldepflichten keinerlei Beschränkungen unterworfen. Da das gelindere Mittel an

das Vorliegen der Schubhaftgründe angebunden ist, kann die Verantwortung für die

Gesamtsituation der betroffenen Fremden nicht dem Vollziehungsbereich meines

Ressorts angelastet werden. Die Behörden und ihre Mitarbeiter sind

selbstverständlich bestrebt, die Menschenrechte und die sozialen Grundbedürfnisse

von Asylwerbern und Migranten zu sichern.

 

Beim gelinderen Mittel ist grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen

Verantwortlichkeiten der Behörden (auch in kostenrechtlicher Hinsicht) zu

unterscheiden:

 

.  der Fall, in dem die Behörde bescheidmäßig das gelindere Mittel anordnet, weil

     der Fremde eine Unterkunft bei Verwandten oder einer karitativen Organisation

     namhaft machen konnte. Die Anordnung des gelinderen Mittels ist hierbei

     ausschließlich mit der Verpflichtung, sich in regelmäßigen Abständen bei der

     Behörde zu melden, verbunden. Die Behörde hat diesfalls nicht veranlasst, eine

     bestimmte Unterkunft zu nehmen und daher auch keine Verantwortung für die

     Frage der Versorgung und Betreuung der Fremden zu tragen.

 

.  der Fall, in dem die Behörde bescheidmäßig das gelindere Mittel und gleichzeitig

     auch eine bestimmte Unterkunftnahme angeordnet hat. In einem solchen Fall

     treten Kostenfolgen für den Rechtsträger ein, wobei der zu leistende Kostenersatz

     die Kosten für Unterbringung und Verpflegung umfasst.

 

Die Betreuung dieses nicht in Schubhaft befindlichen Personenkreises erfolgt daher

im Rahmen der Möglichkeiten des Bundes, der Länder und Gemeinden und der in

diesem Bereich tätigen nichtstaatlichen Organisationen.

 

Das Bundesministerium für Inneres hat über die Projektförderungen für die

Asylwerberbetreuung hinaus auch Verträge über die Betreuung von Schubhäftlingen

geschlossen. Diese Vereinbarungen umfassen unter anderem die soziale Betreuung,

Information über die rechtliche Situation und über medizinische sowie andere

Unterstützungen.

 

In einigen Bundesländern wird die Betreuung und Unterbringung der Personen im

gelinderen Mittel von Hilfsorganisationen wie z.B. in Vorarlberg von der Caritas

übernommen. Weiters werden von meinem Ressort Projekte zur psychosozialen

Betreuung und Therapie von Asylwerbern mit psychischen Problemen gefördert, die

in Anspruch genommen werden können.

 

Im Bereich der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See besteht für die im

gelinderen Mittel untergebrachten Fremden ein "Betreuungsring”. Danach werden die

Fremden zweimal pro Woche von Beamten der Gendarmerie kontaktiert, einmal

wöchentlich werden sie von Sozialarbeitern des Jugendwohlfahrtsträger besucht,

zusätzlich werden sie auch ein bis zweimal von den Flüchtlingsorganisationen

betreut und schließlich haben die Fremden auch die Möglichkeit der

Kontaktaufnahme mit der Fremdenpolizei. Die ärztliche Versorgung ist grundsätzlich

durch die Gemeindeärzte sowie im Bedarfsfall durch Fachärzte sichergestellt;

hierüber werden die Fremden durchwegs informiert.

 

Zu Frage 7:

 

Die Unterbringung des Flüchtlingskindes im Rahmen des gelinderen Mittels in der

Pension in Gols als Ursache für den Tod des Kindes zu bezeichnen, ist unzulässig.

 

Die in Rede stehende Pension wurde seit dem Jahre 1997 von der

Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zur Unterbringung von Fremden im

gelinderen Mittel benutzt. Im Februar 2000 erhob “Asyl in Not" Vorwürfe, die sich im

wesentlichen auf Fragen der Hygiene, Nachtruhe sowie auf die angebliche

Nichtmitwirkung der Gastwirtin bei der Kontaktaufnahme von Flüchtlingen mit

Flüchtlingsbetreuern bezogen. Diese Vorwürfe wurden damals im einvernehmlichen

Vorgehen aller Beteiligten ausgeräumt. Damals wurden auch alle Räumlichkeiten mit

den NGO‘s kontrolliert und für in Ordnung befunden.

 

Seit Februar 2000 wurde das Quartier wöchentlich vom Jugendamt der

Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See kontrolliert; es konnten keine

Auffälligkeiten festgestellt werden.

 

Zu den Fragen 8 und 9:

 

Mit dem Gasthof Wolfram in Gols bestand ein Vertrag zur Unterbringung und

Verpflegung von bundesbetreuten Asylwerbern vom 27. November 1981 bis 5.

Jänner 1983 und vom 12. Dezember 1988 bis 18. Jänner 1991. Die seinerzeitige

Vertragsbeendigung erfolgte aufgrund rückläufiger Zahlen bundesbetreuter

Asylwerber.

 

Zu den Fragen 10, 11 und 12:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ist jährlich mit rund 4.500 illegalen

Grenzgängern konfrontiert. Davon werden rund 1.000 Fremde, den Intentionen des

FrG entsprechend, im Rahmen des gelinderen Mittels untergebracht.

 

Für diese Unterbringung nutzt die Bezirkshauptmannschaft zwei bis drei Quartiere im

Bezirk, wobei einerseits durch die Bosnier - und Kosovoaktion und andererseits durch

den steigenden Fremdenverkehr im Burgenland kaum zusätzlich Unterkünfte zu

bekommen sind.

Für die Unterbringung und Verpflegung der Fremden wird jeweils nach mündlicher

Vereinbarung ein Tagsatz entrichtet, der über jenem für die Unterbringung in der

Bundesbetreuung liegt und gemäß den Vorschriften des § 103 FrG ersetzt wird. Wie

bereits ausgeführt, handelt es sich bei der behördlich angeordneten Unterbringung

nur um einen Fall der Anwendung eines gelinderen Mittels.

 

Da es sich bei der “mündlichen Vereinbarung" tatsächlich um einen Vertrag handelt,

liegt ein vertragsloser Zustand nicht vor.

 

Hinsichtlich der Kontrollmöglichkeiten verweise ich auf die Beantwortung zu den

Fragen 14, 15 und 16.

 

Zu Frage 13:

 

Nach meinen Informationen bestehen derzeit österreichweit keine anderen Verträge

zwischen Behörden und Quartiergebern, die sich auf die Unterbringung im Rahmen

des gelinderen Mittels beziehen.

 

Zu den Fragen 14, 15 und 16:

 

Nach den mir vorliegenden Informationen haben die Fremdenpolizeibehörden

zumeist in Absprache mit den im Fremden - und Asylbereich tätigen karitativen

Organisationen Unterkünfte ausgewählt, in denen im Bedarfsfall Fremde im Rahmen

des gelinderen Mittels untergebracht werden können. Diese Unterkünfte unterliegen

den für alle Gastgewerbebetriebe üblichen Überprüfungen.

 

Im Fall der Pension in Gols kam es im Februar 2000 aus aktuellem Anlass zu der

unter Frage 7 beschriebenen Überprüfung. Die damals festgestellten Missstände

waren zum Zeitpunkt des Todes des Kindes längst behoben.

 

Die Frage nach der Kündigung von Verträgen mit Quartiergebern, soweit es die

Unterbringung im gelinderen Mittel betrifft, stellt sich nicht, da es, wie bereits

ausgeführt, keine solchen Vereinbarungen gibt.

 

Zu den Fragen 17 und 19:

 

Die zitierte Studie wurde in den Jahren 1998 (August) bis 1999 (Juli) erstellt.

Untersucht wurden neun europäische Länder, und zwar Dänemark, Deutschland

(Bundesländer Brandenburg und Hessen), Spanien, Frankreich, Großbritannien,

Italien, Holland, Österreich (Bundesländer Steiermark und Salzburg) und Schweiz

(Bern und Genf).

In dieser Studie (Seite 123) wird zusammenfassend festgehalten: ... “dass die

Richtsätze in vergleichbaren Aufnahmestrukturen insgesamt nicht allzu weit

auseinander liegen und in den Extremen um höchstens ein Drittel vom Durchschnitt

abweichen, der bei rund CHF 500,-- für eine Einzelperson liegt;” überdies hält die

Studie fest, dass “sich die Behauptung, dass die Schweiz herausragende

Unterstützungsleistungen gewährt, klar zurückweisen lässt."

Ergänzend wird von der Studienautorin (in der Zeitschrift “Asyl” 3/99, Seite 21 f)

darüber hinaus festgehalten: “In Italien und Österreich wird nur einem Teil der

Asylsuchenden öffentliche Unterstützung gewährt; humanitäre Organisationen

schließen zwar gewisse Versorgungslücken, aber mangels ausreichender Mittel

bleibt es in den meisten Fällen bei vorübergehenden Notlösungen.

Bezeichnenderweise galten beide Staaten ohne umfassende Aufnahmestrukturen bis

Ende der 80er Jahre als typische Transitländer für Flüchtlinge”; und weiter: “Die

strukturellen Unterschiede in der Unterstützungspraxis sollten (auch) mit Blick auf

andere Entwicklungen im Migrationsbereich interpretiert werden”” sowie "“die Lage

von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien ist in dieser Hinsicht

exemplarisch: Beide Länder haben eine beträchtliche Zahl von Schutzsuchenden

aufgenommen, die in den üblichen Asylstatistiken nicht auftauchen. Während

Deutschland, die Schweiz und weitgehend auch Dänemark diese Statusgruppe in die

‚klassischen‘ Asylstrukturen lenkte, waren Italien und Österreich eher bemüht, die

Flüchtlinge aus Bosnien schon zu Beginn des Aufenthalts sozio - ökonomisch (Arbeit,

Unterstützung durch Verwandte) einzugliedern.” Dazu wird bemerkt, dass insgesamt

90.000 Bosnier in Österreich aufgenommen worden sind; hievon wurden rund 60.000

Personen integriert. Änderungen in den Bereichen Aufnahme, Unterbringung und

Versorgung von Asylwerbern wären nur gemeinsam mit den EU - Partnerländern

vorzunehmen. Im übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

 

Vor diesem Hintergrund befürworte ich im Rahmen der Europäischen Union, dass die

wesentlichen Fragen des Asylwesens, darunter auch die Aufnahme, Unterbringung

und Versorgung von Asylsuchenden, nach einheitlichen und harmonisierten

Standards geregelt werden sollen. Österreich wird selbstverständlich die

vereinbarten Vorgangweisen umsetzen.

 

Außerdem lege ich Wert auf die Feststellung, dass die Bundesregierung und

insbesondere mein Ressort bemüht sind, die humanitäre Tradition Österreichs bei

der Gewährung von Schutz für Flüchtlinge und Vertriebene aufrecht zu erhalten.