99/AB XXI.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Walter Posch und Genossen haben am

10. Dezember 1999 unter der Zl. 146/J - NR/1999 an mich eine schriftliche Anfrage

betreffend die Menschenrechtssituation in der Türkei gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1 und 2:

 

Die genaue Anzahl von in türkischen Gefängnissen eingetretenen und nicht auf natürliche

Ursachen zurückgehenden Todesfällen liegt mangels offizieller Quellen nicht vor.

Berichten der türkischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Association zufolge

belaufen sich diese auf mindestens 48. Amnesty International und Human Rights Watch

bestätigen die Größenordnung dieser Angaben.

 

Zu Frage 3:

 

Die Türkei betont, dass Verurteilungen zu Haftstrafen nicht aufgrund politischer, sondern

ausschließlich aufgrund der Erfüllung strafrechtlich relevanter Tatbestände erfolgen.

Inhaftierungen aufgrund nicht gewalttätiger Aktivitäten wurden jedoch bestätigt.

Zu Frage 4:

 

Österreich hat gegenüber der türkischen Regierung wiederholt seine Erwartung zum

Ausdruck gebracht, daß die Türkei als Mitglied des Europarates und der Vereinten

Nationen alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um Rechtsstaatlichkeit und

Menschenrechtsschutz sicherzustellen. Österreich weist bei jeder sich bietenden

Gelegenheit im Zuge seiner bilateralen Kontakte mit der Türkei auf die Notwendigkeit der

Verbesserung der Menschenrechtslage hin, wobei die Haftsituation in der Türkei einen

besonderen Schwerpunkt darstellt. Insbesondere die gewaltsame Niederschlagung der

Gefängnisrevolte im September 1999 sowie die jüngsten gewaltsamen

Auseinandersetzungen in einem Gefängnis der Stadt Bandirma haben die internationale

Staatengemeinschaft hinsichtlich der Haftbedingungen in der Türkei sehr sensibilisiert.

Die Österreichische Botschaft in Ankara ist in diesem Sinne weisungsgemäß schon

mehrmals an die Türkei herangetreten.

 

Zu Frage 5:

 

Mit einer Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ist erst dann zu rechnen, wenn die Türkei

die beim Europäischen Rat von Kopenhagen im Jahr 1993 formulierten politischen

Kriterien für einen Beitritt - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und

Minderheitenschutz gewährleistende institutionelle Stabilität - erfüllt. Daraus ergibt sich

schlüssig die Notwendigkeit eines Dialogs der Europäischen Union mit der Türkei über die

genannten Problembereiche schon jetzt, um sie bei ihren Bemühungen um eine

Annäherung an europäische Standards zu unterstützen. In diesem Sinn nimmt die

Europäische Union einen verstärkten politischen Dialog mit einem Schwerpunkt im

Bereich der Menschenrechte mit der Türkei in Aussicht.

 

Zu Frage 6:

 

Da die Situation in den Haftanstalten fundamentale Menschenrechte berührt und in der

Türkei zum gegenwärtigen Zeitpunkt diesbezüglich erhebliche Defizite bestehen, mißt die

Europäische Union dieser Problematik wesentliche Bedeutung bei. In diesem Sinn hat die

Europäische Kommission im Fortschrittsbericht über die Türkei vom 13. Oktober 1999 die

Zustände in den dortigen Gefängnissen kritisiert und festgestellt, daß sich diese

gegenüber dem Vorjahr nicht gebessert haben; die Kommission hat angekündigt, die

Lage in den Gefängnissen im Hinblick auf die folgenden Fortschrittsberichte auch

weiterhin zu beobachten. Die Beseitigung von Menschenrechtsverletzungen in

Gefängnissen ist integraler Bestandteil der Menschenrechtspolitik Österreichs und der

Europäischen Union. Die Forderung nach einer Verbesserung der Menschenrechtslage

wird auch unabhängig von der allfälligen Eröffnung von Beitrittsverhandlungen weiter

erhoben werden.

 

Zu Frage 7:

 

Österreich setzt sich im Verbund mit der Europäischen Union schon seit vielen Jahren für

eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei ein. Abgesehen vom Umstand,

dass Österreich dieses Thema im Rahmen seiner bilateralen Kontakte bei jeder

geeigneten Möglichkeit zur Sprache bringt, fördert es mit Nachdruck ein diesbezügliches

gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen -

und Sicherheitspolitik. Die Zusammenarbeit mit der Türkei im Bereich der

Menschenrechte und humanitären Angelegenheiten ist ein wesentlicher Bestandteil der

Europäischen Strategie für die Türkei, der seinen Niederschlag in einer kontinuierlichen

Annäherung an europäische Standards findet. Die Europäische Union hat darüber hinaus

in vielen Fällen sowohl politische Erklärungen abgegeben als auch Demarchen in bezug

auf konkrete Menschenrechtsverletzungen durchgeführt, um die Türkei zu deren

Beseitigung zu bewegen. Es besteht berechtigte Zuversicht, daß die Formalisierung des

Kandidatenstatus der Türkei durch den Europäischen Rat von Helsinki deren sich

abzeichnenden Verhaltenswandel im Menschenrechtsbereich (eine erste deutliche

atmosphärische Verbesserung bewirkte etwa das Zusammentreffen der türkischen

Regierung mit den wichtigsten Menschen rechts - NGOs im November 1999) verstärken

sowie eine erhöhte Wirksamkeit der österreichischen und europäischen Aktivitäten zur

Folge haben wird.