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A N F R A G E B E A N T W O R T U N G
Die Abgeordneten Dr. Spindelegger und Genossen haben an den Präsidenten des National -
rates eine Anfrage betreffend ein Treffen mit dem slowenischen Staatspräsidenten Milan
Kucan am 12. April 2000 in Gamlitz gerichtet.
Die Anfrage hatte folgenden Wortlaut:
In den APA - Meldungen APA 0347 vom 10. April und APA 0699 vom 12. April wird über ein
traditionelles „privates Arbeitstreffen“ des slowenischen Präsidenten Milan Kucan und des
Präsidenten des Österreichischen Nationalrates, Dr. Heinz Fischer, berichtet. Das Treffen
diente laut APA - Meldung APA 0347 der Erörterung aktueller Ereignisse in beiden Ländern
sowie der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit. Zum ersten Mal, so APA 0699, hat
an diesem Treffen auch der Klubobmann der SPÖ im Nationalrat und designierte Parteivor -
sitzende der SPÖ, Dr. Alfred Gusenbauer, teilgenommen. Weitere Klubobleute des
österreichischen Nationalrates oder Vorsitzende anderer Parteien werden nicht erwähnt....
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Präsidenten des Nationalrates nach-
stehende Anfrage:
1) Haben Sie als Präsident des Österreichischen Nationalrates, als Stellvertretender Vor -
sitzender der SPÖ oder als Stellvertretender Vorsitzender der Sozialistischen Inter -
nationale an dieser Veranstaltung teilgenommen?
2) Wenn nein, in welcher Funktion?
3) Um welche Art von Veranstaltung hat es sich bei dem besagten Treffen mit dem
slowenischen Staatspräsidenten am Mittwoch 12. April 2000 in Gamlitz gehandelt?
4) Wer hat die Reisekosten getragen?
5) Wer war der Veranstalter dieses Treffens und um welchen Anlass hat es sich ge -
handelt?
6) Welchen Zweck hatte das Treffen?
7) Wurden zu dieser Veranstaltung alle Klubobleute des Österreichischen Nationalrates
eingeladen?
8) In welcher Funktion hat Dr. Alfred Gusenbauer an dieser Veranstaltung teilge -
nommen?
9) Wie werten Sie die Objektivität Ihrer Amtsführung im Zusammenhang mit dieser Ver -
anstaltung?
Ich beehre mich diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre habe ich mehrere Persönlichkeiten aus der
ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Slowenien kennengelernt, die sich um die Unab -
hängigkeit Sloweniens und um den Aufbau demokratischer Strukturen in Slowenien bemüht
haben, und die an Kontakten mit österreichischen Politikern interessiert waren. Etliche dieser
Persönlichkeiten spielen auch im heutigen Slowenien eine Rolle und eine davon war Milan
Kucan.
Die Kontakte mit Milan Kucan erwiesen sich als wertvoll und informativ für beide Seiten und
lagen im Interesse Österreichs bzw. im Interesse der Nachbarschaftspolitik zwischen Öster -
reich und Slowenien. Ich habe sie daher fortgesetzt, so wie ich auch die Kontakte zu führen -
den Persönlichkeiten anderer Nachbarstaaten Österreichs nach besten Kräften gepflegt
habe und weiter pflege.
Am 6.12.1992 wurde Milan Kucan zum ersten Mal zum Staatspräsidenten Sloweniens ge -
wählt und er hat mir mitgeteilt, dass er auch in seiner neuen Funktion als Staatspräsident an
weiteren Arbeitsgesprächen mit dem Präsidenten des österreichischen Nationalrates inte -
ressiert ist. In diesem Sinne haben seit der Wahl von Milan Kucan zum Staatspräsidenten
Sloweniens bis zum Ende des Jahres 1999 insgesamt 10 solcher bilateraler Arbeits -
gespräche abwechselnd in Slowenien und Österreich stattgefunden. Die Öffentlichkeit ist
jedes Mal über Termin und wesentliche Inhalte solcher Arbeitsgespräche informiert worden,
und es ist mir nicht erinnerlich, dass entweder von einer der beiden damaligen Regierungs -
parteien (SPÖ und ÖVP) oder auch von einer der Oppositionsparteien gegen solche Arbeits -
gespräche und den damit verbundenen intensiven Informations - und Gedankenaustausch
Einwendungen erhoben wurden.
Im Gegenteil. Der frühere österreichische Außenminister Dr. Wolfgang Schüssel hat mich bei
verschiedenen Gelegenheiten in positiver Weise auf meine guten Arbeitskontakte zum
slowenischen Staatspräsidenten Kucan angesprochen und mich in einzelnen Fällen aus -
drücklich ersucht, bestimmte österreichische Standpunkte dem slowenischen Staats -
präsidenten zu erläutern und näher zu bringen. Auch Bundespräsident Klestil ist über meine
Arbeitsgespräche mit Milan Kucan informiert.
Es ist mir nicht bekannt, dass die Bildung einer ÖVP - FPÖ - Koalitionsregierung zur Folge
hätte, dass solche Arbeitsgespräche mit dem slowenischen Staatspräsidenten und die damit
verbundenen Beiträge zu guten österreichisch - slowenischen Beziehungen nicht mehr er -
wünscht sind.
Ich habe daher die Absicht, diese Arbeitsgespräche fortzusetzen.
Was die Tatsache betrifft, dass mich beim letzten Arbeitsgespräch in der Steiermark - aus -
nahmsweise - der Abgeordnete Dr. Gusenbauer begleitet hat, ist dies darauf zurückzu -
führen, dass mich Präsident Kucan im Zuge der Vorbereitung des jüngsten Arbeits -
gespräches wissen ließ, dass er viele österreichische Spitzenpolitiker auch persönlich kennt,
und dass er auch den designierten SPÖ - Vorsitzenden Dr. Gusenbauer kennenlernen
möchte, was sich bei dem Arbeitsgespräch in der Südsteiermark ohne weiteren Aufwand
realisieren ließ.
Vor diesem Hintergrund beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:
ad 1 und 2)
Ich habe am 12. April 2000 als Präsident des österreichischen Nationalrates das bisher 11.
bilaterale Arbeitsgespräch mit dem slowenischen Staatspräsidenten Milan Kucan durch -
geführt.
ad 3, 5 und 6)
Das 11. Arbeitsgespräch mit Staatspräsidenten Kucan hatte ebenso wie die 10 voran -
gegangenen Arbeitsgespräche keinen „Veranstalter“. Der Zweck des Zusammentreffens
bestand in einem Informationsaustausch über aktuelle Fragen von beiderseitigem Interesse,
insbesondere auch über die Perspektiven des Erweiterungsprozesses in der Europäischen
Union und über die Situation am Balkan.
ad 4)
Die Reisekosten für die (österreichischen) Teilnehmer werden vom Parlament getragen und
bestanden aus den Kosten für die Fahrt meines Dienstwagens in die Südsteiermark und aus
den Kosten für die Fahrt eines weiteren PKW an die südsteirisch - slowenische Grenze zur
Abholung des slowenischen Staatspräsidenten. Die Kosten für den Begleitschutz der
Gendarmerie auf einer Strecke von zweimal 20 km wurden vom Innenministerium getragen.
ad 7 und 8)
Wie aus den einleitenden Ausführungen hervorgeht, handelt es sich um bilaterale Arbeits -
gespräche, zu denen bisher weder auf österreichischer noch auf slowenischer Seite „alle
Klubobleuteu eingeladen wurden. Ich füge hinzu, dass auch nie ein diesbezüglicher Wunsch
an mich herangetragen wurde, obwohl über meine Zusammenkünfte mit Präsident Kucan
jeweils Pressemitteilungen veröffentlicht wurden. Auf den Grund der ausnahmsweisen Teil -
nahme von Dr. Gusenbauer an dem jüngsten Treffen in Gamlitz habe ich in den einleitenden
Ausführungen bereits verwiesen.
ad 9)
Ich sehe die Objektivität meiner Amtsführung in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, dass
ich auch im heurigen Jahr u.a. mit dem Bundespräsidenten Deutschlands, mit dem Staats -
präsidenten Polens und dem Staatspräsidenten Sloweniens jeweils zu Arbeits -
besprechungen zusammengetroffen bin, wobei die Zusammentreffen mit dem slowenischen
Staatspräsidenten, wie bereits erwähnt, eine sehr lange und bewährte Tradition haben. Ich
glaube im Gegenteil, dass es gerade in der derzeitigen Situation nützlich ist, wenn solche
Arbeitsgespräche mit Staatspräsidenten von Mitgliedstaaten der EU oder mit Staats -
präsidenten von Kandidatenländern der EU bzw. mit Nachbarländern Österreichs stattfinden,
weil sie in hervorragender Weise geeignet sind, österreichische Interessen in sachlicher und
objektiver Weise zu vertreten.