102 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht und Antrag

des Finanzausschusses


betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird


Im Zuge der Vorberatung der Regierungsvorlage 87 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Kapital­verkehrsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Alkohol-Steuer und Monopolgesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Finanzaus­gleichsgesetz 1997 geändert werden und eine Werbeabgabe eingeführt wird, hat der Finanzausschuss am 9. Mai 2000 auf Antrag der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dipl.-Kfm. Dr. Günter Stummvoll und Dr. Kurt Heindl einstimmig beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 des Geschäftsordnungs­gesetzes den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird, vorzulegen.

Der erwähnte Antrag war wie folgt begründet:

Die Gemeinden werden mit dem Finanzausgleichsgesetz 1997, wie bereits mit den vorangehenden Finanzausgleichsgesetzen, ermächtigt, Abgaben von Ankündigungen auszuschreiben. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung wurden bei Ankündigungen durch Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) von den Gemeinden regelmäßig alle fremden Ankündigungen besteuert, die von Studios im Gebiet der jeweiligen Gemeinde ihren Ausgang genommen haben (so genanntes “Studioprinzip”).

Wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt, hat der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, G 15/98, V 9/98 bzw. in weiterer Folge in den Erkenntnissen vom 24. Februar 1999, B 4736/96 und B 723/98, zu Bescheidbeschwerden nunmehr entschieden, dass eine Gemeinde nur jene Ankündigungen besteuern darf, die in diesem Gebiet verbreitet werden, in dem Sinn, dass nur der in diesem Gebiet erzielte Reklamewert besteuert werden darf (so genanntes “Empfangs­prinzip”). Nicht besteuert werden darf von der Gemeinde hingegen eine Ankündigung, die im Gebiet der jeweiligen Gemeinde nur ihren Ausgang nimmt, ohne Rücksicht darauf, wo der mit der Ankündigung verbundene Reklamewert entsteht. Der Verfassungsgerichtshof begründete diese Entscheidung mit grundsätzlichen Erwägungen, wonach Zuweisungen von Besteuerungsrechten an Länder oder Gemeinden im Rahmen der Finanzverfassung einen hinreichend inhaltlichen Bezug zum räumlichen Geltungsbereich der Abgabe haben müssen, wie er etwa für den Bereich der Verbrauchsabgaben mit § 8 Abs. 4 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 präzisiert ist. Dieses Erkenntnis bedeutet ein Abgehen von der bisherigen Judikatur der Höchstgerichte, weil von diesen bisher keine Bedenken gegen das Studioprinzip geäußert worden sind (siehe insbesondere das Erkenntnis des Verwaltunggerichtshofes vom 10. November 1995, Zl. 94/17/0281).

Nach der grundsätzlichen Systematik der österreichischen Bundesverfassung sind zwar im Fall einer Aufhebung einer Verordnung oder eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof ab der Kundmachung des Erkenntnisses alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an dieses gebunden, allerdings sind die aufgehobenen Gesetze und Verordnungen auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden. Wenn der Verfassungsgerichtshof eine Frist für das Außerkrafttreten bestimmt hat, die bei Verordnungen ein Jahr, bei Gesetzen 18 Monate nicht über­schreiten darf, so sind die aufgehobenen Bestimmungen auf alle bis zum Ablauf der Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden.

Im zitierten Erkenntnis vom 17. Dezember 1998 musste der Verfassungsgerichtshof die präjudiziellen Bestimmungen in der Verordnung der Gemeinde jedoch nicht für gesetzwidrig erklären, weil sie eine verfassungskonforme Interpretation derart zugelassen haben, dass auch Ankündigungen durch Rundfunk, die von Studios im Gebiet der Gemeinde ihren Ausgang nehmen, nur dann und insoweit Ankündigungsabgabepflicht auslösen, als auch der Reklamewert in diesem Gebiet entsteht. Unbesteuert bleiben bei einer derartigen Interpretation demnach Ankündigungen insoweit, als Ausgangsort und Ort des Entstehens des Reklamewerts in verschiedenen Gemeinden liegen. Dass der Wortlaut der Verordnungen, mit denen die Gemeinden Ankündigungsabgaben ausgeschrieben haben, eine derartige verfassungskonforme Interpretation zulässt, bringt mit sich, dass die im B-VG vorgesehene Beschränkung der Wirkung einer Aufhebung auf den Anlassfall hier nicht greifen kann und die dargestellte verfassungskonforme, den Besteuerungsumfang einschränkende Interpretation von den Behörden auch auf andere noch nicht rechtskräftige Fälle anzuwenden ist.

Im Bereich der Anzeigenabgaben gibt es eine zum Studioprinzip vergleichbare Problematik, weil hier in den landesgesetzlichen Regelungen regelmäßig der Erscheinungsort der Zeitung oder des sonstigen Druckwerks zur Abgrenzung der Besteuerungsrechte normiert wird, unabhängig davon, wo der Reklamewert tatsächlich entsteht. So gilt etwa gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Anzeigeabgabegesetzes 1983 Wien dann als Erscheinungsort, wenn die Verbreitung erstmals von hier aus erfolgt oder wenn der die Verbreitung besorgende Medieninhaber (Verleger) seinen Standort in Wien hat oder wenn die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers (Verlegers) vorwiegend in Wien ausgeübt wird. Vergleichbare Regelungen enthalten auch die anderen Anzeigeabgabegesetze von Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark und Vorarlberg. Auch wenn diesbezüglich noch kein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vorliegt, kann die Auffassung vertreten werden, dass die vom Verfassungsgerichtshof für die Ankündigungsabgaben ausgesprochenen Kriterien auch bei den Anzeigeabgaben anzuwenden sind.

Um zu verhindern, dass an die Länder und Gemeinden bei allen bisher noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren Rückforderungsansprüche gestellt werden, soll bis zum Inkrafttreten der Neuregelung die bisherige Kompetenzverteilung bei diesen Landes- und Gemeindeabgaben auf verfassungsrechtlicher Basis festgeschrieben werden. Eine derartige Festschreibung bringt dieselbe Unanfechtbarkeit, wie sie ansonsten grundsätzlich für den Fall der Aufhebung von Rechtsvorschriften gemäß Art. 139 oder 140 B-VG vorgesehen ist, allerdings mit der Besonderheit, dass sie auch diejenigen Landesgesetze und Gemeindeverordnungen umfasst, die noch nicht Gegenstand von Normprüfungs­verfahren gewesen sind.

Damit Steuerpflichtige in diesem Zeitraum nicht doppelt besteuert werden, nämlich sowohl nach der nunmehr festgeschriebenen alten Kompetenzlage im Sinne des Studioprinzip als auch nach der durch das VfGH-Erkenntnis ermöglichten neuen Kompetenzlage im Sinne des Empfangsprinzips, werden gleich­zeitig die Verordnungen der Gemeinden, mit denen seit dem 1. Jänner 1999 die Besteuerung neuer oder erweiterter Steuertatbestände auf Ankündigungen durch Rundfunk oder auf Anzeigen ausgeschrieben wurden, auf ihren Umfang vom 31. Dezember 1998 zurückgeführt, und zwar nicht auf verfassungs­rechtlicher Ebene, sondern auf Verordnungsebene, sodass insoweit die Kontrolle durch den Verfassungs­gerichtshof oder allenfalls auch gesetzliche Änderungen nicht ausgeschlossen werden – ausgeschlossen werden lediglich nachträgliche Änderungen durch Verordnungen der Gemeinden selbst. Von dieser Maßnahme unberührt bleiben andere Ankündigungen als solche durch Rundfunk, also etwa die Besteue­rung von Plakatwerbung oder allenfalls auch von Direktwerbung. Kompetenzrechtlich handelt es sich dabei um einen Eingriff in das freie Beschlussrecht der Gemeinden, weshalb dafür ebenfalls eine Verfassungsbestimmung notwendig ist. In der Praxis werden damit (lediglich) diejenigen Verordnungen von zahlreichen Gemeinden aufgehoben, mit denen nach den unterschiedlichsten Kriterien eine Abgabe auf Rundfunkwerbung, die im jeweiligen Gemeindegebiet empfangen werden kann, ausgeschrieben wurde und die bei ihrer Vollziehung auf größte oder sogar unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen sind.

Der Begriff “Rundfunk” in diesen Bestimmungen ist gemäß der bundesverfassungsgesetzlichen Definition im BVG, BGBl. Nr. 396/1974, als “für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck dienen” zu verstehen und umfasst damit insbesondere auch den so genannten “Kabelrundfunk”.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2000 05 09

                                      Ernst Fink                                                                      Dr. Kurt Heindl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage


Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. (Verfassungsbestimmung) Nach dem § 15 wird folgender § 15a eingefügt:

§ 15a. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Ermächtigung der Gemeinden zur Erhebung von Abga­ben von Ankündigungen in § 14 Abs. 1 Z 12 in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Z 4 des Finanzausgleichs­gesetzes 1989, in § 14 Abs. 1 Z 13 in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Z 4 des Finanzausgleichsgesetzes 1993 und in § 14 Abs. 1 Z 13 in Verbindung mit § 15 Abs. 3 Z 4 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. xxx/2000 umfasst auch Abgaben für die Vornahme von Ankündigungen durch Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen einschließlich Teletextleistungen), die von Studios im Gemeindegebiet ihren Ausgang nehmen, unabhängig davon, wo die Wahrnehmung der Ankündigung erfolgt. Die Ermächtigung der Länder (Gemeinden) zur Erhebung von Abgaben von Anzeigen in Zeitungen oder sonstigen Druckwerken in § 14 Abs. 1 Z 6 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, in § 14 Abs. 1 Z 7 des Finanzausgleichsgesetzes 1993 und in § 14 Abs. 1 Z 7 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. xxx/2000 umfasst auch Abgaben von Anzeigen, die am Erscheinungsort der Zeitung oder des sonstigen Druckwerks erhoben werden. Wurden Abgaben für die Vornahme von Ankündigungen durch Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen einschließlich Teletextleistungen) oder von Anzeigen, bei denen der mit der Ankündigung oder mit der Anzeige verbundene Reklamewert außerhalb der erhebungsberechtigten Gebietskörperschaft entstanden ist, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, sind dessen ungeachtet keine Nebenansprüche zu entrichten, wenn die Abgabe bis spätestens 16. August 2000 entrichtet wird.

(2) Wenn in Verordnungen von Gemeinden gemäß § 7 Abs. 5 F-VG 1948 oder § 8 Abs. 5 F-VG 1948, die nach dem 31. Dezember 1998 in Kraft getreten sind, Abgaben auf Ankündigungen durch Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen einschließlich Teletext) oder auf Anzeigen für Tatbestände ausgeschrieben wurden, die vor dem 1. Jänner 1999 von dieser Gemeinde nicht oder nicht in diesem Umfang besteuert wurden, dann werden diese Verordnungen hiermit dahin gehend abgeändert, dass in dieser Gemeinde hinsichtlich der Abgaben auf Ankündigungen durch Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen einschließlich Teletextleistungen) und auf Anzeigen auf Verordnungsebene weiterhin die Rechtslage gilt, wie sie am 31. Dezember 1998 bestanden hat; eine neuerliche Änderung der Verordnung durch die Gemeinde ist nicht möglich.”

2. (Verfassungsbestimmung) Nach dem § 23a wird folgender § 23b eingefügt:

§ 23b. (Verfassungsbestimmung) § 15a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 tritt mit 1. Jänner 1989 in Kraft und ist auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor dem 1. Juni 2000 ereignet haben. Diese Bestimmung ist jedoch nicht auf diejenigen Sachverhalte anzuwenden, die den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 1999, B 4736/96, und vom 9. März 2000, B 723/98, zu Grunde gelegen sind.”