Vorblatt

Probleme:

Anerkennungsfragen im Hochschulbereich zwischen Österreich und Deutschland treten sehr häufig auf. Die derzeit geltenden Regelungen werden den Hochschulsystemen beider Staaten vielfach nicht mehr gerecht.

Ziele:

Ziel des Abkommens ist es, die Fragen von Anerkennungen und Gleichwertigkeiten in genereller Form neu zu regeln und damit das derzeit in Kraft stehende Abkommen zu ersetzen.

Inhalt:

Das Abkommen legt die Bedingungen fest, unter denen Prüfungen an Hochschulen beider Vertragsstaaten gegenseitig anerkannt werden, Studienabschlüsse ein Recht zum weiterführenden Studium geben und akademische Grade geführt werden können. Die Bestimmungen umfassen den Bereich der Universitäten und der Fachhochschulen bzw. Fachhochschul-Studiengänge.

Alternativen:

Beurteilung der Gleichwertigkeiten nach dem derzeit geltenden Abkommen; Kündigung des derzeit geltenden Abkommens.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Indirekte Auswirkungen können insofern entstehen, als die gegenseitige Erleichterung des Weiterstudiums die spätere Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, für die der Abschluss eines Hochschulstudiums Voraussetzung ist, fördern kann.

Finanzielle Auswirkungen:

Durch das Abkommen werden gegenüber der derzeit geltenden Regelung keine Kosten verursacht. Im Vergleich zu einer individuellen Durchführung der entsprechenden Anerkennung ohne Abkommen werden durch die generellen Anerkennungen auf Grund des Abkommens erhebliche Kosten bei den Organen des Hochschulbereiches eingespart.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das Abkommen berührt keine Zuständigkeiten des EU-Rechtes. Die Konformität ist daher gegeben.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Das Abkommen enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Ziel des Abkommens ist es, die Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, das heißt die gegenseitige Anerkennung von Studienabschlüssen, Prüfungen und akademischen Graden, in bestimmten Aspekten festzulegen. Die Wirkung des Abkommens bezieht sich ausschließlich auf den effectus academicus, nicht auf die Nostrifizierung oder die Berufsausübung. Es soll die Hochschulen von den Bewertungen der akademischen Teilleistungen im Einzelfall entlasten, ohne allerdings automatisch volle Studien anzuerkennen oder irgendeine Entscheidung hinsichtlich beruflicher Tätigkeiten zu berühren. Die Festlegungen gründen sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die Qualität der Hochschulbildung im jeweils anderen Vertragsstaat.

Das Abkommen soll an die Stelle des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, BGBl. Nr. 368/1983, treten, das dem heutigen Stand der Bildungssysteme in beiden Vertragsstaaten nicht mehr gerecht wird.

Das Abkommen wurde auf der Grundlage der Beratungen der Ständigen Expertenkommission gemäß Art. 4 des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, BGBl. Nr. 368/1983, formuliert; die Vertretungsorgane der Universitäten und des Fachhochschulsektors beider Vertragsstaaten waren an den Beratungen beteiligt. Abkommen mit fast gleichem Wortlaut bestehen zwischen Österreich und den Niederlanden (BGBl. Nr. 662/1986), zwischen Österreich und der Schweiz (BGBl. Nr. 678/1994), zwischen Österreich und Polen (BGBl. Nr. 759/1995) sowie zwischen Österreich und Ungarn (BGBl. Nr. 318/1984).

Es handelt sich ausschließlich um Anerkennungen ohne direkte Auswirkungen auf Berufstätigkeiten. Weder für Fragen der Fortsetzung eines Studiums noch für Fragen der Führung akademischer Grade besteht eine gemeinschaftsrechtliche Kompetenz; es bestehen keine einschlägigen EU-Regelungen. Daher ist die EU-Konformität gegeben.

Finanzielle Auswirkungen:

Das Abkommen bringt gegenüber einer Situation ohne Abkommen für die Organe des Hochschulbereichs den Vorteil, dass nicht in jedem Einzelfall – und Fälle der Anerkennung mit Deutschland sind sehr häufig – alle Detailinhalte von Studien oder Studienteilen aus Deutschland genau zu prüfen sind, wie dies gemäß § 59 UniStG erforderlich wäre. Dadurch verringert sich die zeitliche Belastung der Organe wesentlich, was zu einer erheblichen Kostenreduktion führt.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der im Entwurf vorliegende Staatsvertrag auf Art. 14 Abs. 1 („Schulwesen“).

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

In diesem Artikel wird der Anwendungsbereich des Abkommens festgelegt, indem der Begriff „Hochschule“ definiert wird. Demnach sind als „Hochschulen“ alle Institutionen anzusehen, denen von einem der beiden Vertragsstaaten Hochschulcharakter zuerkannt wird. Das können entweder staatliche Hochschulen (in Österreich sind dies die Universitäten einschließlich der Universitäten der Künste) oder staatlich anerkannte Privathochschulen (in Österreich sind dies die Fachhochschulen bzw. Fachhochschul-Studiengänge und die Privatuniversitäten) sein. Es erscheint zielführend, aus Gründen der Aktualität die Listen der Hochschulen dem Abkommen nicht anzufügen, sondern die jeweils für Dokumentation zuständigen Stellen beider Vertragsstaaten mit der laufenden Aktualisierung und Veröffentlichung zu beauftragen.

Zu Art. 2:

In diesem Artikel werden sämtliche Kategorien akademischer Grade, die derzeit in den beiden Vertragsstaaten bestehen, als „akademischer Grade“ im Sinne des Abkommens definiert.

Zu Art. 3:

Dieser Artikel ist eines der materiellen Kernstücke des Abkommens und legt fest, welche Studien in den beiden Vertragsstaaten von den Hochschulen angerechnet und welche Prüfungen anerkannt werden. Dies bedeutet im Einzelnen:

In entsprechenden Studienrichtungen werden die einschlägigen Prüfungsfächer als einander gleichwertig anerkannt. Was eine entsprechende Studienrichtung und was ein einschlägiges Prüfungsfach ist, ist von der beurteilenden Hochschule festzustellen. Bei der „Einschlägigkeit“ wird vor allem darauf Rücksicht zu nehmen sein, welche Stellung das betreffende Fach im Studienplan einnimmt und welche Bedeutung ihm für das Gesamtergebnis der Ausbildung zukommt. Wenn diese Einschlägigkeit festgestellt ist, ist das Fach im Vertrauen auf die Qualität der Ausbildung im jeweils anderen Vertragsstaat anzuerkennen, ohne dass ein Detailvergleich von Inhalten und Umfang stattfindet. Als Hilfe ist auf das European Course  Credit Transfer System (ECTS) zurück zu greifen, das derzeit von allen EU- und auch einigen anderen Staaten eingeführt wird. Demnach ist ein Prüfungsfach dann als abgeschlossen zu betrachten, wenn der/die Studierende die Gesamtzahl der ECTS-Anrechnungspunkte, die der betreffende Studienplan diesem Fach zuweist, erreicht hat. – Die Regelung über die Zulassung zu Staatsprüfungen ist nur für die deutsche Seite relevant. – Schließlich wird festgestellt, dass günstigere bzw. konkretere Anerkennungsregelungen, die zwischen jeweils zwei oder mehreren Hochschulen der beiden Vertragsstaaten, allenfalls auch gemeinsam mit weiteren Hochschulen aus anderen Staaten, durch Vereinbarung festgelegt sind, durch das Abkommen nicht beeinträchtigt werden.

Zu Art. 4:

Dieser Artikel gewährleistet, dass Absolventinnen und Absolventen von Studien in beiden Vertragsstaaten zum weiterführenden Studium – in Österreich sind dies die Doktoratsstudien oder die postgradualen Universitätslehrgänge – zuzulassen sind, und zwar immer in dem Ausmaß, in dem ein solches Recht auch in dem Vertragsstaat besteht, in dem das erste Studium absolviert wurde. Wie im Art. 3, sollen auch hier allfällige günstigere Regelungen zwischen einzelnen Hochschulen nicht beeinträchtigt werden.

Zu Art. 5:

Dieser Artikel legt fest, dass akademische Grade im jeweils anderen Vertragsstaat ohne weitere Zusätze entsprechend den Bestimmungen bzw. dem allgemeinen Gebrauch des Herkunftsstaates geführt werden dürfen. Die österreichischen akademischen Grade „Dr. med. univ.“ und „Dr. med. dent.“ sind in Deutschland jedenfalls in dieser vollen Form und nicht in der vereinfachten Abkürzung „Dr.“ zu führen. Mit dem Recht zur Führung sind keine Berufsrechte verbunden, insbesondere schließt dieses Recht nicht die Nostrifizierung ein. Auch ist die Frage der Führung von Berufsbezeichnungen – die zum Teil gemeinschaftsrechtlich relevant wäre –, vom Abkommen ausdrücklich nicht erfasst.

Zu Art. 6:

Es wird eine Ständige Expertenkommission eingesetzt, die für die Beratung aller Fragen zuständig ist, die sich aus dem Abkommen ergeben. Die Ständige Expertenkommission wird bei ihrer Arbeit von den nationalen Informationszentren für die akademische Anerkennung (NARICs) der beiden Vertragsstaaten unterstützt. In Österreich wird die Aufgabe des NARIC von der Abteilung VII/D/3 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur wahrgenommen. Die Ständige Expertenkommission ersetzt jene gemäß Art. 4 des Abkommens BGBl. Nr. 368/1983.

Zu Art. 7:

Abs. 1 regelt die unbefristete Abkommensdauer und das In-Kraft-Treten. Abs. 2 regelt die Möglichkeit der Kündigung. Abs. 3 regelt das gleichzeitige Außer-Kraft-Treten des Abkommens BGBl. Nr. 368/1983.