1245 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 8. 7. 2002

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über den Antrag 680/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 22. Mai 2002 eingebracht und wie folgt begründet:

Die Demonstrationen der letzten Zeit haben Überlegungen zur Einführung eines Vermummungsverbotes erforderlich gemacht.

Der Initiativantrag sieht vor, die Teilnahme an Versammlungen im vermummten Zustand zu verbieten. Da § 9 nur für Versammlungen nach § 2 Versammlungsgesetz gilt, sind Verkleidungen oder das Tragen von Masken bei öffentlichen Belustigungen, volksgebräuchlichen Festen und Aufzügen (zB Perchtenlauf) (§ 5 VersG) jedenfalls nicht erfasst.

Sollte gegen das „Vermummungsverbot“ von einzelnen Teilnehmern verstoßen werden, soll vorerst ein gegenüber der Auflösung der Versammlung gelinderes Mittel, nämlich die Wegweisung Zuwiderhandelnder, zur Verfügung stehen. Abs. 2 sieht in diesem Sinne vor, dass entweder vermummte Versammlungsteilnehmer weggewiesen oder die der Vermummung dienenden Gegenstände sichergestellt werden können. Sollte dieses gelindere Mittel die Durchsetzung des Vermummungsverbots nicht sicherstellen können, so ist mit den entsprechenden Zwangsmaßnahmen des Versammlungsgesetzes und des SPG bis hin zu § 35 VStG vorzugehen.

Unter Bedachtnahme auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sowie unter Berücksichtigung der deutschen Rechtslage die sowohl eine gerichtliche Strafbarkeit, aber auch die Möglichkeit eines Verfolgungsverzichts (Opportunitätsprinzip, § 17a Abs. 3. dVersG) vorsieht, schlägt der Initiativantrag in § 9 Abs. 3 ebenfalls die Schaffung eines Opportunitätsprinzips vor. So soll das Vermummungsverbot auch zur Vermeidung einer Eskalation dann nicht durchgesetzt werden müssen, wenn die Demonstration sonst in geordneten Bahnen verläuft und eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht zu befürchten ist. Diese als „Kannbestimmung“ ausgestattete Befreiungsermächtigung, die jedenfalls grundrechtsfreundlich auszulegen ist, räumt der Behörde aber kein freies Ermessen ein. Eine solche Ausnahme wird insbesondere dann angezeigt sein, wenn in besonders gelagerten Fällen ein berechtigtes Interesse etwa ausländischer Demonstrationsteilnehmer besteht, die Repressalien gegen Angehörige in ihrem Heimatstaat befürchten müssen.

Im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Versammlungsfreiheit und unter Bedachtnahme auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes darf eine Versammlung aber nicht schon deshalb aufgelöst werden, weil Übertretungen des Abs. l gesetzt werden. Bei sonst ordnungsgemäßem Ablauf einer Versammlung würde nämlich eine Auflösung nur aus diesem Grund, also ohne Hinzutreten anderer Umstände, in ein Spannungsverhältnis mit dem Grundrecht geraten. Ungeachtet dessen gilt im Falle der Zuwiderhandlung für die betroffenen Versammlungs- bzw. Demonstrationsteilnehmer die Strafbestimmung des § 19 des Versammlungsgesetzes. Ferner soll durch eine Änderung des ursprünglichen § 9, dessen Inhalt nunmehr in § 9a aufgenommen werden soll, erreicht werden, dass die Mitnahme aller Gegenstände, die im Falle einer Auseinandersetzung zur Gewaltanwendung geeignet und den Umständen nach nur zur Ausübung von Gewalt mitgebracht werden, und nicht nur wie bisher von Waffen im Sinne des Waffengesetzes, verboten wird. Die Ergänzung des § 9a soll daher neben dem Verbot jedweder Teilnahme von Menschen, die Waffen im Sinne des Waffengesetzes mit sich führen, auch die Teilnahme von Menschen, die gefährliche Gegenstände bei sich haben, verbieten. Bei diesen Gegenständen muss es sich zum einen um Dinge handeln, die tatsächlich zur Gewaltanwendung geeignet sind und den Umständen nach nur zu diesem Zweck mitgeführt werden. So werden unter dieses Verbot jedenfalls Brechstangen, Baseballschläger, Ziegel und Pflastersteine, Ketten, Latten und Rohre, Flaschen und Farbbeutel aber auch Schleudern ua. mehr fallen. Die gewählte Textierung berücksichtigt aber auch, dass bei Versammlungen mitunter Gegenstände mitgeführt werden dürfen, die zwar an sich zur Gewaltausübung geeignet sind, aber den Umständen nach nicht zu diesem Zweck mit geführt werden, wie etwa Stangen zur Befestigung von Transparenten.

Sowohl die Vermummung wie auch das Mitführen gefährlicher Gegenstände sollen nach dem Versammlungsgesetz verwaltungsstrafrechtlich (§ 19) geahndet werden. Sofern Demonstrationsteilnehmer jedoch gleichzeitig beide Verbote übertreten, besteht die Gefahr, dass die Vermummung gerade deshalb durchgeführt wurde, um unter ihrem Schutz die Entdeckung bei einem Gewalteinsatz zu verhindern. Im Hinblick auf diese Gefährdung erscheint es gerechtfertigt, in diesem Fall kumulierter Verstöße nach dem Versammlungsgesetz gerichtliches Strafrecht zum Einsatz zu bringen. Bei diesem Straftatbestand handelt es sich um ein Gefährdungsdelikt, dh. dass wegen der besonderen Gefährlichkeit der Kombination von Vermummung und Mitfuhren gefährlicher Gegenstände und des dadurch gerechtfertigten Schlusses auf besondere Gewaltbereitschaft eine Strafbarkeit bereits eintritt, ohne dass weitere konkrete Straftaten gesetzt werden. Kommt es aber zur Begehung solcher weiterer Straftaten, so ist der Täter entsprechend den Grundsätzen des gerichtlichen Strafrechts wegen der schwereren Straftaten, etwa Körperverletzung oder Widerstand gegen die Staatsgewalt zu bestrafen. Unter Bedachtnahme auf die besondere Gewaltbereitschaft der Demonstrationen in letzter Zeit und um eine entsprechende präventive Wirkung zu entfalten, schlägt der Initiativantrag eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe, im Fall der Wiederholung allerdings – neben einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen – eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Im Zuge der Strafzumessung wird aber auch berücksichtigt werden können, welche besondere Gefahr von den mitgeführten Gegenständen ausgeht.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Initiativantrag in seinen Sitzungen am 5. Juni und 3. Juli 2002 in Verhandlung genommen.

Im Zuge der Verhandlungen wurde ein öffentliches Hearing betreffend die Einführung eines „Vermummungsverbotes“ abgehalten, an dem Prof. Bernd-Christian Funk, Institut für Staats- und Verfassungsrecht, Unversität Wien; Knut Paul, Vorsitzender des Bundesgrenzschutz-Verbandes in der Gewerkschaft der Polizei des Bundes, Berlin; Dieter-Wolfram Hillebrand, Polizeipräsident des Polizeipräsidiums  Oberbayern, München; Major Ernst Albrecht, Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung; Dipl.-Pol. Rüdiger Bredthauer, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Polizei, Hamburg; Generalinspektor Franz Schnabl, Bundespolizeidirektion Wien; Mag. Heimo Siegel, Sicherheitsdirektor von Linz;  Brigadier Werner Brinek, Kommandant der WEGA und Univ.-Prof. Dr. Frank Höpfel, Institut für Strafrecht an der Universität Wien, teilnahmen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Werner Miedl, Dr. Helene Partik-Pablé, Rudolf Parnigoni, Dr. Peter Pilz, Günter Kößl, Ludmilla Parfuss, Ing. Peter Westenthaler, Paul Kiss, Mag. Eduard Mainoni, Walter Murauer, Helmut Dietachmayr, Hermann Reindl, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Robert Egghart, Mag. Terezija Stoisits sowie der Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser.

Im Zuge der Verhandlungen brachten die Abgeordneten Paul Kiss und Dr. Helene Partik-Pablé einen Abänderungsantrag ein.

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Initiativantrag in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Paul Kiss und Dr. Helene Partik-Pablé mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2002 07 03

                                    Günter Kößl                                                                         Anton Gaál

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann