215 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP
Bericht
des Wirtschaftsausschusses
über den Antrag 208/A der Abgeordneten Dipl.-Kfm. Dr. Günter Puttinger, Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und das Familienlastenausgleichgsgesetz 1967 geändert werden
Die Abgeordneten Dipl.-Kfm. Dr. Günter Puttinger, Helmut Haigermoser und Genossen haben am 7. Juni 2000 den gegenständlichen Initiativantrag eingebracht und wie folgt begründet:
“Die Lehrlingsausbildung ist unzweifelhaft der Hauptgrund für die gute Position Österreichs hinsichtlich der Jugendbeschäftigung. Die Jugendarbeitslosigkeitsrate liegt am unteren Ende am europäischen Vergleich. Das Erfolgsrezept gegen die Jugendarbeitslosigkeit ist vor allem das System der Lehrlingsausbildung, weil die Ausbildung in den Betrieben erfolgt, durch das Ausbildungsangebot der Betriebe sich der Bedarf der Wirtschaft an Ausgebildeten widerspiegelt und die Inhalte der Ausbildung durch die Praxiserfordernisse bestimmt werden. Dass in Österreich auch die Qualität der Lehrausbildung stimmt, zeigen die beeindruckenden Ergebnisse im Rahmen internationaler Wettbewerbe. Um die Attraktivität der Berufsausbildung in der Lehre bzw. die Ausbildungsbereitschaft und damit die Ausbildungsmöglichkeiten der österreichischen Wirtschaft zu erhalten und zu erhöhen, sind die Rahmenbedingungen für die Ausbildungsbetriebe, aber auch die Möglichkeiten zur Eingliederung der Jugendlichen in die Lehre weiter zu verbessern. Damit wird eine begrüßenswerte Entwicklung – per Mitte Mai 2000 gab es bereits in sechs Bundesländern einen Überhang von offenen Lehrstellen gegenüber Lehrstellensuchenden – unterstützt.
Zu den Bestimmungen im Einzelnen:
Die durch die Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998 im § 8b eingeführte Vorlehre entspricht zwar im Ansatz den bildungspolitischen Erfordernissen zur Eingliederung von benachteiligten Jugendlichen, die eine Berufsausbildung absolvieren möchten, in die berufliche Erstausbildung, sie konnte sich aber wegen der bürokratischen Hemmnisse (Bindung an Richtlinien des Arbeitsmarktservice) und wegen der allzu kurzen Befristung bis Ende 2000 nicht ausreichend durchsetzen. Die nunmehrige Neuregelung des § 8b des Berufsausbildungsgesetzes soll diese Mängel beseitigen und die Vorlehre zu einem wirksamen Instrument für die Eingliederung benachteiligter Jugendlicher in die Berufsausbildung und damit auch in die Welt der Arbeit machen.
Im § 13 Abs. 2 lit. j des Berufsausbildungsgesetzes wird eine Anrechnungsmöglichkeit für Teilnehmer an Lehrgängen für Jugendliche, die zur Verbesserung deren Eingliederung in das Berufsleben dienen, festgelegt, die einen möglichst friktionsfreien Übergang in eine Lehrausbildung gewährleistet. Im § 13 Abs. 6 wird der Status von Lehrgangsteilnehmern im Sinne des § 13 Abs. 2 lit. j festgelegt. Dieser soll in schulrechtlicher und sozialrechtlicher Hinsicht dem von Lehrlingen entsprechen. Das Instrument der Zusatzprüfung im § 27 des Berufsausbildungsgesetzes ist derzeit viel zu restriktiv und trägt nicht zur notwendigen Etablierung des ,Lebenslangen Lernens‘ bei. Für Schulabsolventen soll daher die Zusatzprüfung geöffnet werden, damit sie zusätzlich zu ihren in der Schule erworbenen beruflichen Qualifikationen eine formale Lehrabschlussprüfung erwerben können, die für sie im Berufsleben, aber auch im Interesse der Mobilität – in Europa und darüber hinaus – bedeutend sein kann.
Die Vollziehungsbestimmung des § 35 des Berufsausbildungsgesetzes wird an das geltende Bundesministeriengesetz angepasst. Durch die vorgeschlagenen Änderungen des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes sollen Jugendlichen des Schulentlassjahrganges 2000, die trotz aller Bemühungen keine Lehrstelle finden, Ausbildungsmöglichkeiten geboten werden. Neue Ausbildungsplätze sollen in Lehrgängen geschaffen werden; die Ausbildungsplätze in Stiftungen werden nur mehr für jene Jugendlichen weitergeführt, die aus den früheren Schulentlassjahrgängen noch in Stiftungen Ausbildungsplätze haben und noch keine Lehrstelle gefunden haben. Darüber hinaus sollen noch Maßnahmen zur Erreichung der Ausbildungsreife und der Lehrstellenakquisition gefördert werden. Die Ausbildungsmaßnahmen für Jugendliche sollen bei Bedarf auch über das Jahr 2001 hinaus, längstens jedoch bis Ende 2003 fortgeführt werden können, ebenso deren Gleichstellung mit Lehrlingen, da in einigen bewilligten Stiftungen vierjährige Lehrberufe ausgebildet werden können und beim Eintrittsbeginn 1999 die Verlängerung erforderlich sein kann. Zu diesem Zweck soll das Außerkrafttreten des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes und der §§ 30j Abs. 3 und 30k Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 von Ende 2001 auf Ende 2003 erstreckt werden.
Die Finanzierung soll in der Weise erfolgen, dass die von den zur Verfügung gestellten Bundesmitteln verbliebenen Rücklagen einerseits für die Weiterführung von Ausbildungsmaßnahmen für bereits in das Auffangnetz einbezogene Jugendliche, andererseits für neue Maßnahmen für Schulabgänger des Schulentlassungsjahrgangs 2000 verwendet werden sollen.”
Der Wirtauschaftsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 21. Juni 2000 in Verhandlung genommen.
Als Berichterstatter im Ausschuss fungierte der Abgeordnete Mag. Dr. Josef Trinkl.
An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Helmut Haigermoser, Franz Riepl, Sigisbert Dolinschek, Dr. Reinhold Mitterlehner und Dr. Eva Glawischnig sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein.
Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Initiativantrag mit Stimmenmehrheit angenommen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Wirtschaftsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2000 06 21
Dr. Reinhold Mitterlehner Dipl.-Kfm. Dr. Günter Puttinger
Berichterstatter Obmann
Anlage
Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Berufsausbildungsgesetzes
Das Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, zuletzt geändert durch die Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 100/1998, wird wie folgt geändert:
1. § 8b lautet wie folgt:
“Vorlehre
§ 8b. (1) Zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Jugendlichen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann der Bildungsinhalt des ersten Lehrjahres eines Lehrberufes im Rahmen einer Vorlehre vermittelt werden, um für diese Personen den Antritt eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufs oder den Übertritt in einen in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberuf zu erleichtern. Die Bildungsinhalte des ersten Lehrjahres eines Lehrberufs sind in höchstens zwei Jahren zu vermitteln.
(2) Wenn nach absolvierter Ausbildung in einer Vorlehre in den entsprechenden Lehrberuf oder in einen Lehrberuf des betreffenden Berufsbereichs eingetreten wird, ist die im Rahmen der Vorlehre zurückgelegte Ausbildungszeit – unbeschadet § 13 Abs. 2 lit. i – jedenfalls im Ausmaß von sechs Monaten auf die Lehrzeit anzurechnen.
(3) Wenn nach Absolvierung von zumindest sechs Monaten der Vorlehrzeit in eine Ausbildung in den entsprechenden Lehrberuf oder in einen Lehrberuf des betreffenden Berufsbereichs eingetreten wird, ist die im Rahmen der Vorlehre zurückgelegte Ausbildungszeit – unbeschadet § 13 Abs. 2 lit. i – jedenfalls im Ausmaß von einem Viertel der im Betrieb zurückgelegten Ausbildungszeit auf die Lehrzeit anzurechnen.
(4) Die im Rahmen der Vorlehre erfolgreich zurückgelegte oder erfolgreich abgeschlossene Berufsschulzeit ist jedenfalls auf die Ausbildungszeit in der Berufsschule anzurechnen.
(5) Nach Absolvierung der Vorlehre ist ein Zeugnis über die in der Vorlehre erworbenen Qualifikationen auszustellen.
(6) Zur Ausbildung im Rahmen der Vorlehre sind Lehrbetriebe im Sinne dieses Bundesgesetzes und besondere selbständige Ausbildungseinrichtungen gemäß § 30 berechtigt.
(7) Personen, die im Rahmen einer Vorlehre ausgebildet werden, sind hinsichtlich der Berufsschulpflicht und der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich § 4 Abs. 1 Z 2 ASVG und des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl. Nr. 376/1967, Lehrlingen gleichgestellt. § 15 Abs. 2 gilt mit der Maßgabe, dass die jederzeitige einseitige Auslösung des Vorlehreverhältnisses während der ersten sechs Monate möglich ist.”
2. Im § 13 Abs. 2 wird nach der lit. i folgende lit. j angefügt:
“j) die Zeit der Teilnahme an einem Lehrgang, der zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Jugendlichen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben eingerichtet wurde, um den Bildungsinhalt des ersten Lehrjahres eines Lehrberufes zu vermitteln, entsprechend einer Vereinbarung des Lehrberechtigten und des Lehrlings, für minderjährige Lehrlinge auch dessen gesetzlichen Vertreters, in dem vereinbarten Ausmaß, höchstens jedoch im Ausmaß der tatsächlich absolvierten Zeit.”
3. Dem § 13 wird folgender Abs. 6 angefügt:
“(6) § 8b Abs. 7 gilt mit Ausnahme der arbeitsrechtlichen Bestimmungen auch für Teilnehmer an einem Lehrgang gemäß Abs. 2 lit. j.”
4. Dem § 27 wird folgender Abs. 4 angefügt:
“(4) Personen, die eine berufsbildende mittlere Schule, eine allgemein bildende höhere Schule mit einschlägigen berufsbildenden Inhalten oder eine berufsbildende höhere Schule erfolgreich abgeschlossen haben, können unter sinngemäßer Anwendung der vorstehenden Absätze eine Zusatzprüfung in dem der schwerpunktmäßigen berufsbildenden Ausbildung der Schule entsprechenden Lehrberuf ablegen.”
5. § 35 lautet wie folgt:
“Vollziehung
§ 35. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betraut.”
6. Dem § 36 wird folgender Satz angefügt:
“§ 8b, § 13 Abs. 2 lit. j und Abs. 6, § 27 Abs. 4 und § 35 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit 1. September 2000 in Kraft.”
Artikel II
Änderung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes
Das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 91/1998, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 14/1999, wird wie folgt geändert:
1. Im § 1 Abs. 1 wird der zweite Satz durch folgende Sätze ersetzt:
“Für den Schulentlassjahrgang 2000 sind beginnend im Ausbildungsjahr 2000/2001 Projekte zur Akquisition von Lehrplätzen und zur Ausbildung in Lehrgängen und diesen vorgelagerten Maßnahmen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen im erforderlichen Ausmaß bereitzustellen und durchzuführen. Bei der Aufteilung der Ausbildungsplätze ist darauf zu achten, dass jedenfalls der Ausbildungsbedarf für Jugendliche mit bestimmten persönlichen Merkmalen wie schulischen Ausbildungsmängeln und persönlichen Behinderungen gedeckt werden kann.”
2. Dem § 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:
“(5) Der Aufwand für Projekte zur Ausbildung in Lehrgängen und diesen vorgelagerte Maßnahmen im Jahr 2000 und in den Folgejahren, der Aufwand für die Weiterführung von Lehrlingsstiftungen (§ 4) für Jugendliche, die bereits darin ausgebildet werden und noch nicht in ein Lehrverhältnis übernommen wurden, der Aufwand für Lehrgänge gemäß § 13 Abs. 2 lit. j des Berufsausbildungsgesetzes, der Aufwand für die Ausbildung in neuen Berufen im Einvernehmen mit dem betreffenden Bundesland und den betroffenen Bundesministerien in genehmigten Lehrwerkstätten und der Aufwand für Maßnahmen der Lehrstellenakquisition im Jahre 2000 und in den Folgejahren kann aus den gemäß Abs. 2 und 3 zur Verfügung gestellten und noch nicht verbrauchten Bundesmitteln bestritten werden.”
3. Im § 8 wird im Abs. 1 der Ausdruck “31. Dezember 2001” durch den Ausdruck “31. Dezember 2003” ersetzt und folgender Abs. 3 angefügt:
“(3) § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit 1. September 2000 in Kraft.”
Artikel III
Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967
Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/xxxx, wird wie folgt geändert:
Im § 501 Abs. 2 wird der Ausdruck “31. Dezember 2001” durch den Ausdruck “31. Dezember 2003” ersetzt.