26 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über den Antrag 45/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend das militärische Vorgehen russischer Truppen in Tschetschenien

Die Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 18. November 1999 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Anfang Oktober 1999 hat der neu im Amt befindliche russische Premierminister Wladimir Putin die russische Armee zu einer Vergeltungsaktion ,gegen Terroristen‘, die in Moskau angeblich Wohnhäuser in die Luft gesprengt hatten, nach Tschetschenien entsendet. Dies hat sich inzwischen als großangelegte Luft- und Bodenaktion unter Beteiligung von mehr als 50 000 Soldaten herausgestellt. Inzwischen sollen 210 000 Zivilpersonen aus Tschetschenien in die Nachbarrepubliken Inguschetien, Dagestan und Nord-Ossetien geflohen sein. Über Opfer dieses Krieges gibt es unterschiedliche Angaben. Mitte November hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz auf Grund der Gefährdung der Mitarbeiter Tschetschenien verlassen müssen.

Das tschetschenische Parlament in Grosny hat inzwischen an den Westen appelliert, Rußland politisch davon zu überzeugen, die Militäraktion umgehend zu beenden und einen Waffenstillstand abzuschließen. Die russische Regierung betrachtet den Krieg in Tschetschenien hingegen als ,innere Angelegenheit‘. Das Einfrieren der IWF-Kredite könnte zu einer weiteren Verhärtung der Lage führen. Eine klare politische Linie gegen das russische Militärabenteuer, unter dem vor allem die Zivilbevölkerung Tschetscheniens leidet, ist umso wichtiger.”

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 19. Jänner 2000 in Verhandlung genommen.

Die Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Inge Jäger, Dr. Michael Spindelegger und Wolfgang Jung brachten gemäß § 27 Abs. 3 GOG einen Entschließungsantrag ein, dem folgende Begründung beigegeben war:

“Die Eskalation des bewaffneten Konflikts in Tschetschenien der letzten Wochen, die fortgesetzte, intensive Bombardierung tschetschenischer Dörfer und Städte, die zunehmende Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung, die sich ständig verschlechternde Situation der in Tschetschenien verbliebenen Zivilisten, aber auch die Situation der Flüchtlinge, deren Anzahl mittlerweile auf etwa 200 000 geschätzt wird, geben – ebenso wie die jüngsten Äußerungen des amtierenden russischen Präsidenten Wladimir Putin, die eine weitere Eskalation der Kämpfe und der Gewalt befürchten lassen – großen Anlass zur Sorge.

Die internationale Staatengemeinschaft hat das Vorgehen Rußlands in Tschetschenien wiederholt scharf verurteilt. Unter Bezugnahme auf die Schlusserklärung des OSZE-Gipfels von Istanbul und die Erklärung des Europäischen Rates von Helsinki vom 10. Dezember 1999 verurteilen die unterzeichneten Abgeordneten die anhaltende russische Militäraktion in Tschetschenien, die durch das Recht Rußlands zur Wahrung seiner territorialen Integrität und das Recht zur Bekämpfung des Terrorismus nicht gerecht­fertigt ist. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die seitens der Russischen Föderation im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit der Europäischen Union, aber auch als Mitglied des UN-Sicherheitsrates, des Europarates und der OSZE eingegangenen Verpflichtungen, demokratische Werte und Menschenrechte zu respektieren. In Übereinstimmung mit dem europäischen Parlament und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates fordern sie einen Stopp der Gewalt in Tschetschenien.

Rußland ist ein wichtiger Partner für die Europäische Union, die ihrerseits stets die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat, Rußland bei seinem Reformprozess zu unterstützten. Die unterzeichneten Abgeordneten befürchten, daß Rußland sich selbst gegenüber Europa isolieren und dadurch die strategische Partnerschaft gefährden könnte.

Die Staats- und Regierungschefs der OSZE haben bei ihrem Gipfeltreffen in Istanbul am 18. und 19. November 1999 die Notwendigkeit der Einhaltung aller OSZE-Normen unterstrichen und betont, dass vor allem das Schicksal der Zivilbevölkerung durch die Sicherung des Zugangs von internationalen Hilfsorganisationen erleichtert werden muss. Die Staats- und Regierungschefs unterstrichen die Notwendigkeit einer politischen Lösung, zu der die OSZE beitragen könnte. Die Lösung des Tschetschenien-Konfliktes ist somit einer der Schwerpunkte für die OSZE-Präsidentschaft Österreichs im Jahr 2000.”

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag 45/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen nicht die Zustimmung des Ausschusses.

Der Entschließungsantrag gemäß § 27 Abs. 3 GOG der Abgeordneten Ulrike Lunacek,  Inge Jäger, Dr. Michael Spindelegger und Wolfgang Jung wurde einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle,

           1. diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und

           2. die beigedruckte Entschließung annehmen.

Wien, 2000 01 19

                            Mag. Ulrike Lunacek                                                             Peter Schieder

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann

Anlage

Entschließung

Die Österreichische Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für auswärtige Angelegen­heiten werden ersucht, die Initiativen zur Beilegung des Konfliktes in Tschetschenien im Rahmen der Europäischen Union und im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa als OSZE-Vorsitzland mit Nachdruck zu unterstützen und weiter zu intensivieren. Die Österreichische Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten werden ferner ersucht, in diesem Zusammenhang auch die laufenden Initiativen des Europarates und der Parlamen­tarischen Versammlung zu unterstützen.

Weiters soll im Rahmen der EU die Einsetzung der vom Europäischen Rat in Helsinki in Aussicht genommenen Maßnahmen umgehend geprüft werden.

Insbesondere möge sich die Bundesregierung für einen raschen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme von Verhandlungen zur Lösung des Konfliktes und zur langfristigen Sicherung des Friedens in der Region einsetzen. Die Bundesregierung möge ferner für

            – die umgehende Einrichtung von Korridoren bzw. die Öffnung der Krisenregion für internationale humanitäre Hilfsorganisationen,

            – die freie Rückkehr von Flüchtlingen nach Tschetschenien,

            – die Einsetzung von internationalen Sonderbeauftragten für die Beilegung des Tschetschenien-Konfliktes und für die Umsetzung von Hilfsmaßnahmen und die

            – Wiedereinrichtung einer OSZE-Niederlassung in Tschetschenien eintreten.