376 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Justizausschusses


über den Antrag 202/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die Abschaffung der §§ 188 und 248 StGB – Herabwürdigung religiöser Lehren sowie des Staates und seiner Symbole

Die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 7. Juni 2000 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„1. Geschütztes Rechtsgut der Strafbestimmung des § 188 StGB ist der religiöse Friede. ,Angriffsobjekte‘ sind Personen, Sachen, Glaubenslehren, Bräuche und Einrichtungen von Kirchen und Religionsgesell­schaften.

Anders als bei § 189 StGB (Störung einer Religionsausübung) geht es bei § 188 um die Verletzung des religiösen Gefühls durch Herabwürdigung religiöser Lehren. Damit macht sich der Staat zum Hüter der Lehren der in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften. Derartige Überbleibsel des Sekulärstaates Österreichs sollten wir so rasch wie möglich beseitigen.

Diese Bestimmung räumt anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften einen höheren (strafrecht­lichen) Schutz ein als allen anderen Weltanschauungen.

Davon abgesehen müssen Strafbestimmungen auf Grund des Rechtsstaatsprinzips der Bundesverfassung in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention einen erhöhten Bestimmtheitsgrad aufweisen (Art. 18 B-VG in Verbindung mit Art. 7 EMRK). Das Rechtsstaatsprinzip verlangt vom Gesetzgeber, dass er klar und deutlich zum Ausdruck bringt, wann jemand mit einer strafrechtlichen Verurteilung zu rechnen hat. Es muss für den Einzelnen klar vorhersehbar sein, ob er/sie für ein bestimmtes Verhalten möglicherweise vom Strafgericht verurteilt wird oder nicht. Was ist ,das religiöse Gefühl‘, das verletzt sein muss? Muss das berechtigte Ärgernis bei allen Angehörigen des Bekenntnisses erregt worden sein oder genügt es, wenn bei einigen wenigen die religiösen Gefühle verletzt wurden? Wie ist es zu beurteilen, wenn der Täter dem Bekenntnis, dessen Glaubenslehre er verletzt hat, selbst angehört? Diese Fragen zeigen auf, dass die gegenständliche Strafrechtsbestimmung im Sinne der Judikatur des zu Art. 18 B-VG in Verbindung mit mit Art. 7 EMRK verfassungsrechtlich bedenklich ist.

Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte des Bekenntnisses sind ausgeschlossen (Art. 7 B-VG). Warum gewährt der Gesetzgeber eines sekulären Staates religiösen Lehren anerkannter Religions­gemeinschaften erhöhten strafrechtlichen Schutz als anderen?

Das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit darf zwar in gewissem Rahmen gesetzlich eingeschränkt werden, jedoch nur zu bestimmten Zwecken. Eine gesetzliche Beschränkung der Meinungsäußerungsfrei­heit wird zB vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur dann für notwendig erachtet, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht. Gibt es in Österreich wirklich ein dringendes soziales Bedürfnis, die Meinungsäußerungsfreiheit unter Hinweis auf Herabwürdigung religiöser Lehren zu beschränken?

Der Verfassungsgerichtshof fordert eine restriktive Handhabung von Einschränkungen der Meinungs­äußerungsfreiheit und stellt fest, dass eine demokratische Gesellschaft oft bestimmte Handlungen hinnehmen kann, ohne dass die öffentliche Ordnung und Moral Schaden erleidet. Es steht wohl außer Zweifel, dass (die Streichung des § 188 StGB) die demokratische Gesellschaft in Österreich ohne Schaden überleben würde.

§ 188 StGB schränkt darüber hinaus auch den künstlerischen Freiraum unverhältnismäßig ein, obwohl der Verfassungsgesetzgeber bei Einführung des Grundrechtes auf Freiheit der Kunst jenen erweitern wollte. Aus den Erläuterungen sowie der parlamentarischen Behandlung zu Art. 17a StGG lässt sich folgende Intention des Verfassungsgesetzgebers klar erkennen: Es sollte mit dieser Bestimmung eine Garantie des freien künstlerischen Schaffens für alle Formen der Kunst geschaffen werden. Diese Bestimmung bedeutet eine Absage an jegliche Form staatlichen Kunstrichtertums sowie auch einen Schutz jener Manifestationen künstlerischen Schaffens, die nicht allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz genießen, sondern entgegen den Geschmack der Mehrheit neue Dimensionen künstlerischer Ausdrucksweise in die Kunstlandschaft einbringen wollen.

2. Laut erläuternden Bemerkungen zur Bestimmung des § 248 StGB (Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole) wird der Anspruch des Staates auf allgemeine Achtung durch seine Herabwürdigung und die seiner Symbole verletzt. Strafbar sind Herabwürdigungen, die einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden und die in gehässiger Weise vor sich gehen.

Abs. 2 sieht die Bestrafung der Herabwürdigung österreichischer Symbole vor. Auch hier ist die Begehung auf gehässige Weise Voraussetzung der strafbaren Handlung.

Die Debatten in den letzten Tagen haben gezeigt, dass insbesondere Vertreter der Regierungsparteien politisches Interesse haben, kritische oppositionelle PolitikerInnen mittels dieser Strafbestimmung mundtot zu machen.

Derartige Straftatbestände sind überlicherweise Bestandteil autoritätrer Regierungssysteme, einer demo­kratischen Republik aber nicht würdig. Die Bestimmung sollte daher ersatzlos gestrichen werden. Das Ansehen eines Staates kann man nicht durch Strafbestimmungen, sondern nur durch verantwortungsvolles demokratiepolitisches Handeln schützen.“

Der Justizausschuss hat den Antrag am 18. September 2000 in Verhandlung genommen und nach der Berichterstattung durch die Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits einem Unterausschuss zugewiesen, dem von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs die Abgeordneten Anton Heinzl, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Johann Maier, Dr. Ilse Mertel und Dr. Elisabeth Pittermann, von der Freiheitlichen Partei Österreichs die Abgeordneten Edith Haller, Dr. Harald Ofner (Obfraustellvertreter), Dr. Sylvia Papházy, MBA, und Mag. Rüdiger Schender, von der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Rosemarie Bauer, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (Obfrau), Günter Kößl und Werner Miedl sowie von den Grünen die Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Schriftführerin) angehörten.

Der Unterausschuss hat den Antrag in seiner Sitzung am 15. November 2000 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Terezija Soisits, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Harald Ofner, Werner Miedl, Günter Kößl und die Ausschussobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Döhmdorfer.

Nach der Berichterstattung durch die Obfrau des Unterausschusses in der Sitzung des Justizausschusses am 16. November 2000 fand bei der Abstimmung der Initiativantrag 202/A keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2000 11 16

                           Mag. Dr. Josef Trinkl                                             Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau