Zu 378 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP
Abweichende persönliche
Stellungnahme
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits
gemäß § 42 Abs. 5 GOG
zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag der Abgeordneten Paul Kiss, Dr. Helene Partik-Pablé und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997, und das Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. Nr. 314/1994, geändert werden
Grundsätzliches:
Im Regierungsprogramm haben die Koalitionsparteien als Richtlinien in der Integrationspolitik das Primat der “Integration vor Neuzuzug” angekündigt. Seit der Regierungsbildung gibt es allerdings zunehmend und ausschließlich Verschärfungen im Fremdenrecht und keine einzige positive Maßnahme, die der Integration von in Österreich niedergelassenen AusländerInnen dienen würde.
Obwohl die Bestimmung, die den Familiennachzug von vor dem 1. Jänner 1998 niedergelassenen Drittstaatenangehörigen auf Kinder bis 14 Jahre beschränkte, vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden ist, beinhaltet der Antrag der Abgeordneten Kiss und Partik-Pablé wieder eine verfassungswidrige Bestimmung, die auch weiterhin den verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Gleichbehandlung der Fremden untereinander verletzt.
Mit einem in der Ausschusssitzung eingebrachten Abänderungsantrag fügten die Regierungsparteien ihrem ursprünglichen Antrag die weitere Verschärfung der Strafen bei Beteiligung an Schlepperei und die Abschaffung des Integrations- und Asylbeirats hinzu. Diese Vorgangsweise, die weder der Opposition Zeit und Möglichkeit gibt, sich mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen, noch mit den an den abzuschaffenden Beiräten beteiligten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in irgendeiner Weise abgesprochen war, ist der beste Beweis für das autoritäre Führungsverständnis der Koalition. Der ÖVP-Innenminister lobt einerseits bei jeder Gelegenheit die Zusammenarbeit mit den NGOs, um sie andererseits mit einem Abänderungsantrag im Innenausschuss vor vollendete Tatsachen zu stellen und ihre Beteiligung an ministeriellen Gremien massiv einzuschränken.
Zu § 21 Abs. 3 Fremdengesetz:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00-6, die in § 21 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 enthaltene Wortfolge “vor Vollendung des 14. Lebensjahres” als verfassungswidrig aufgehoben.
Dabei führt der VfGH aus, dass “zwischen Kindern und Eltern auch nach Vollendung des 14. Lebensjahres durchaus ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen kann” und der Einwand der Bundesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren, nachziehende Minderjährige über 14 würden als Hauptziel unmittelbar eine Erwerbstätigkeit in Österreich anstreben, “verfehlt” ist, denn “er trägt nämlich weder der schulrechtlichen noch der beschäftigungsrechtlichen Lage in Ansehung dieser Altersstufe entsprechend Rechnung”.
Ferner wird vom VgGH angesprochen, dass die Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des 6. Lebensjahres folgenden 1. September beginnt und neun Schuljahre dauert und nach dem Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 unter Kindern “Minderjährige bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres oder bis zur späteren Beendigung der Schulpflicht zu verstehen sind”.
Obwohl der VfGH keine Angaben bezüglich einer seiner Meinung nach verfassungskonformen Altersgrenze für den Familiennachzug gemacht hat, schlagen die Regierungsparteien mit einem gemeinsamen Antrag vor, die Altersgrenze von 14 auf 15, also lediglich um ein Jahr, hinaufzusetzen. Dadurch wird aber das durch das BVG, BGBl. 390/1973, verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander weiterhin verletzt, da für die minderjährigen Kinder von vor dem 1. Jänner 1998 niedergelassenen Drittstaatenangehörigen eine niedrigere Altersgrenze vorgesehen wäre als für die Kinder von nach dem 1. Jänner 1998 sich niederlassenden Drittstaatenangehörigen.
Der allergrößte Teil der für den Familiennachzug in Frage kommenden Gruppe besteht aus Familienangehörigen von Drittstaatenangehörigen, die sich vor dem 1. Jänner 1998 niedergelassen haben, da seit 1. Jänner 1998 quotierte Zuwanderung kaum stattfindet bzw. eine vernachlässigbare Größe darstellt.
Diese unterschiedliche Behandlung der beiden genannten Gruppen ist aber sachlich nicht begründbar, da der bloße Zeitpunkt der Niederlassung für das Recht auf Zuzug von Kindern der Niedergelassenen nicht ausschlaggebend sein darf.
Angesichts der Tatsache, dass derzeit je nach Bundesland eine Wartezeit auf Familienzusammenführung von zwei bis fünf Jahren existiert, bedeutet die Begrenzung des Familiennachzugs auf 15 Jahre, dass Kinder ab zehn Jahren schon kaum mehr Chancen auf Familiennachzug haben, ist doch nicht das Alter zum Zeitpunkt der Antragstellung, sondern zum Zeitpunkt der Bewilligungserteilung ausschlaggebend.
Daher wird von den Grünen der Rechtsanspruch auf Familiengemeinschaft bis zur Volljährigkeit der Kinder von allen in Österreich niedergelassenen Drittstaatenangehörigen ohne Unterscheidung nach Niederlassungszeitpunkt gefordert. Für volljährige Kinder niedergelassener Drittstaatenangehöriger, denen Unterhalt von den Letzteren gewährt wird, sollte analog zur Regelung für EU-BürgerInnen (§ 47 Abs. 2 und 3 FrG) ebenfalls die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ermöglicht werden. Die Ungleichbehandlung eines Drittstaatenangehörigen, der seit Jahrzehnten in Österreich niedergelassen ist, mit einem EU-Bürger, der erst seit kurzem seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hat, ist nicht sachlich begründet und stellt eine Diskriminierung dar.
Zu § 36 Abs. 2 Z 5 Fremdengesetz:
Mit der Streichung der Wortfolge “um seines Vorteils willen” können in Zukunft auch Personen, die nicht ihres Vorteils willen, also unentgeltlich bzw. aus humanitären Gründen, an der illegalen Einreise von AusländerInnen mitwirken, ein Aufenthaltsverbot bekommen. Somit können auch Personen, die die illegale Einreise ihrer Famlienangehörigen entgeltlich oder unentgeltlich unterstützen – sei es, weil auf bisherige Betreuungspersonen der betroffenen Kinder im Herkunftsland nicht mehr zurückgegriffen werden kann, somit die Kinder von ihren Eltern in Österreich betreut werden müssen und ihre legale Einreise an niedrigen Zuwanderungsquoten scheitert, oder sei es, da die Familienangehörigen vor einem bewaffneten Konflikt, Krieg oder Verfolgung flüchten und in Österreich um Asyl ansuchen möchten – mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden.
Der Versuch, die Beteiligung an der illegalen Einreise mit höheren Strafandrohungen zu unterbinden, muss fehlschlagen, solange einwanderungswillige Familienangehörige illegalisiert werden und AsylwerberInnen keine andere Wahl als die illegale Einreise nach Österreich haben, um hier ein Asylverfahren durchlaufen zu können.
Zu § 51 Abs. 4, 5 und 6 Fremdengesetz:
Der Integrationsbeirat ist auf Grund seiner Struktur und Geschichte ein Beratungsgremium des Innenministers. Er hat kein Entscheidungs-, sondern ein bloßes Vorschlagsrecht bei der Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen und betreffend Integrationsmaßnahmen. Der Innenminister entscheidet also sowohl bei der Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen als auch betreffend Integrationsmaßnahmen als eigentliche und letzte Instanz. Die gleichberechtigte Beteiligung der NGOs an diesem Beratungsgremium (sechs der 14 Mitglieder waren NGO-VertreterInnen) dürfte der FPÖ-ÖFP-Regierung trotz der geringen Macht der NGOs aber ein Dorn im Auge gewesen sein, sodass sie mit ihrem Vorschlag die NGO-Beteiligung von sechs (von 14) auf drei (von 22 Mitgliedern) reduzieren möchte. Nach massiven Protesten der betroffenen NGOs haben die Regierungsparteien die Zahl der NGO-VertreterInnen im neuen “Beirat für Asyl- und Migrationsfragen” in der Innenausschusssitzung von drei auf vier erhöht, was allerdings an der wesentlich schwächeren Stellung der NGOs im neuen Beirat nichts ändert.
Vielmehr soll mit diesem Antrag selbst in den – seltenen – Strukturen, wo sich NGOs – wenn auch unverbindlich – Gehör verschafft haben, ihre Bedeutung wieder reduziert und sollen ihre Anliegen und Forderungen negiert werden. Der Asylbeirat, der im Gegensatz zum Integrationsbeirat bloß zwei NGO-Mitglieder hatte, wird nun zum Vorbild für den neu zu schaffenden Beirat für Asyl- und Migrationsfragen erhoben. Dazu ist zu bemerken, dass der Asylbeirat durch die schwache Beteiligung der NGOs und kaum stattfindende Sitzungen keine Bedeutung in Asylpolitik und -praxis hatte. Es ist zu befürchten, dass das neue Gremium, das übrigens ein riesiges Feld von Asyl- über Migrations- bis zu Integrationsfragen behandeln soll, ein ähnlich schwacher Beirat sein soll, in dem allerdings die VertreterInnen der Ministerien und Länder den Ton angeben.
Die betroffenen NGOs haben in Schreiben gegen die Zusammenlegung des Integrations- und Asylbeirats protestiert, die sie als “Rückschritt in der Integrationspolitik” bezeichnet haben. Ferner wurden Bedenken geäußert, dass die Zusammenlegung und Mitbehandlung von weiteren wichtigen Feldern “eine Einschränkung und Verkomplizierung bei der Gewährung humanitärer Aufenthaltsbewilligungen befürchten lässt”. Die Behauptung, die Zusammenlegung sei auch der Wunsch im Integrationsbeirat vertretener NGOs gewesen, wurde von den Beirats-NGOs schärfstens zurückgewiesen.
Zu § 51a Fremdengesetz:
Zusätzlich zu den (bisherigen) Aufgaben des Integrationsbeirats erhält der neue “Beirat für Asyl- und Migrationsfragen” die Aufgabe, Empfehlungen “zur Gewährung von Rückkehrhilfe (§ 12 Bundesbetreuungsgesetz)” abzugeben. Offensichtlich versteht die Regierung unter “Integrationsmaßnahmen”, die Rückkehr von AusländerInnen in ihre Herkunftsländer zu fördern.
Abschließend muss noch betont werden, dass auch mit dieser Initiative der Regierungsparteien nichts zur Umsetzung des angekündigten Bekenntnisses zur “Integration” von Zuwanderern passiert. Ganz im Gegenteil wird weiterhin das Recht auf Familiengemeinschaft verwehrt, werden die Strafen für Schlepperei verschärft und im MigrantInnenbetreuungsbereich tätige NGOs entmachtet und ausgegrenzt.
Mag. Terezija Stoisits