384 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (196 der Beilagen): Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung der Republik Österreich


1. Verfahren

Das Statut ist ein gesetzändernder bzw. gesetzesergänzender Staatsvertrag und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Das Statut enthält verfassungsändernde bzw. verfassungsergänzende Bestimmungen. Die Bestimmungen des Art. 27 und des Art. 89 Abs. 1 und 3 des Statuts sind gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG als verfassungsändernd zu behandeln. Das Statut ist hinreichend determiniert, ein Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG ist nicht erforderlich. Da Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Die authentischen Fassungen des Statuts in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache werden gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Österreich hat das Statut am 7. Oktober 1998 unterzeichnet. Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am 20. August 1998 das Statut genehmigt (Punkt 39 des Beschl. Prot. 66). Neben Österreich haben bis zum 1. Feber 2000 94 Staaten das Statut unterzeichnet, davon haben sieben Staaten das Statut ratifiziert.

2. Entstehungsgeschichte

Die Idee eines internationalen Strafgerichtshofs reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, konnte jedoch in den letzten Jahrhunderten nicht verwirklicht werden. Auch jüngere Ansätze nach dem Ersten Weltkrieg blieben erfolglos. Eine neue Phase begann mit den Internationalen Militärtribunalen von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg, die mit den Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit bereits wesentliche Grundsteine für die Definition der international zu verfolgenden Tatbestände schufen. Der erste Schritt bestand in der Ausarbeitung der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 (BGBl. Nr. 91/1958), die in Art. VI die Verfolgung dieser Verbrechen vor einem Internationalen Strafgerichtshof vorsieht. In weiterer Folge wurde die International Law Commission mit der Ausarbeitung der Nürnberger Prinzipien beauftragt, in deren Folge auch die Schaffung einer Institution zur Durchsetzung dieser Prinzipien diskutiert wurde.

Diese Diskussion konnte jedoch nicht zu Ende geführt werden, da es an einer Definition der Aggression mangelte. Nachdem in den siebziger Jahren die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Definition der Aggression in einer Resolution, GV Res. 3314 (XXIX), angenommen und das Inter­nationale Übereinkommen zur Unterbindung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid 1973 von neuem auf einen internationalen Strafgerichtshof verwiesen hatte, belebte sich die Diskussion um die Formulierung eines Kodex von Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit und die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs durch die International Law Commission. Den endgültigen Anstoß hiezu gab die Schaffung der Ad-hoc-Tribunale betreffend die Verbrechen auf dem Gebiet des früheren Jugoslawiens und Ruandas, angeregt von der UNO-Inspektionskommission. Die International Law Commission arbeitete in kurzer Zeit den Entwurf des Statuts eines Internationalen Strafgerichtshofs aus, dem allerdings lediglich sehr begrenzte Kompetenzen zukommen sollte. Dieser Entwurf wurde der 49. Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1994 vorgelegt, die zwecks Identifizierung der hauptsächlichen Probleme ein Ad-hoc-Komitee schuf.

Die 50. Generalversammlung wandelte das Ad-hoc-Komitee in ein Komitee zur Vorbereitung einer internationalen Konferenz um, das auf der Grundlage des Textes der Internationalen Law Commission die Texte für die Konferenz ausarbeiten sollte. Sowohl im Ad-hoc- wie auch im Vorbereitungskomitee übten die nicht-staatlichen internationalen Organisationen (NGO) einen starken Einfluss mit dem Ziel der Schaffung eines starken, von den Staaten und vom Sicherheitsrat soweit wie möglich unabhängigen Strafgerichtshof aus und gewannen weitgehend die Stimmen einer großen Anzahl von Staaten, die sich in der „Like-minded“-Gruppe zusammenschlossen, der auch Österreich angehörte.

Nach längeren und schwierigen Verhandlungen im Vorbereitungskomitee beriefen die Vereinten Natio­nen die Konferenz zur Ausarbeitung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für die Dauer vom 16. Juni bis 17. Juli 1998 in Rom ein. Wie schon in den vorhergegangenen Verhandlungen traten auch hier insbesondere die Gruppe der „Like-minded“-Staaten für die rasche Errichtung eines mit inhärenter und möglichst universeller Jurisdiktion ausgestatteten Gerichtshofs ein, der möglichst weitgehend von den Staaten wie auch vom Sicherheitsrat unabhängig sein sollte. Ihnen gegenüber standen Staaten wie die Vereinigten Staaten von Amerika, China und Indien, die einerseits die Abhängigkeit vom Sicherheitsrat, andererseits die Zustimmung des betreffenden Staates für die Jurisdiktionsausübung durch den Gerichts­hof forderten. Die Mitgliedstaaten der Europäische Union waren bis auf Frankreich in der Gruppe der „Like-minded“-Staaten vertreten. In den Verhandlungen auf der Konferenz brachten die NGO’s ihre Stimme vor allem über die „Like-minded“-Staaten zur Geltung.

Am 17. Juli 1998 wurde schließlich das Römer Statut über den Internationalen Strafgerichtshof im Plenum mit 120 Stimmen bei 7 Gegenstimmen und 21 Enthaltungen angenommen. Zu dem am 17. Juli 1998 angenommenen Text des Statuts sind laut Mitteilungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in allen authentischen Wortlauten eine Reihe von Berichtigungen redaktioneller Natur erforderlich gewor­den, gegen die kein Unterzeichner- oder Vertragsstaat Einspruch erhoben hat. Die Korrekturen betrafen vorwiegend die Vereinheitlichung der Terminologie, die Beseitigung von Verweisungsfehlern sowie die Behebung von Übersetzungsfehlern. Authentische Sprachen des Statuts sind Englisch, Chinesisch, Französisch, Arabisch, Spanisch und Russisch. Der deutsche Text, der nicht rechtskräftig ist, wurde von Österreich, Deutschland und der Schweiz gemeinsam ausgearbeitet. Wenngleich versucht wurde, größt­mögliche Übereinstimmung zu erzielen, mussten einige unterschiedliche Formulierungen wegen unter­schiedlichen rechtlichen Sprachgebrauchs in Kauf genommen werden.

3. Ziele des Statuts

Das Statut sieht die Gründung eines Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court, ICC) vor. Er soll Jurisdiktion über die schwersten internationalen Verbrechen ausüben, und zwar über:

–   Völkermord;

–   Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dh. Akte, die als Teil weit verbreiteter oder systematischer Angriffe gegen die Zivilbevölkerung verübt werden, wie insbesondere Mord, Versklavung, Folter, Deportation, Vergewaltigung, erzwungene Schwangerschaft und Apartheid;

–   Kriegsverbrechen, dh. schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen aus 1949 und andere schwere Verstöße gegen das internationale Kriegsrecht und zwar auch dann, wenn die Verbrechen während innerstaatlicher Konflikte verübt werden.

Grundsätzlich wurde dem Gerichtshof auch Jurisdiktion über das Verbrechen der Aggression übertragen, doch wird er sie erst dann ausüben dürfen, wenn dieses Verbrechen im Zuge einer Ergänzung des Statuts näher definiert wird und Einigung über die Rolle des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit über dieses Verbrechen erzielt wird. Diese Lösung bildet einen Kom­promiss zwischen jenen Staaten, die das Delikt der Aggression sofort nach Inkrafttreten des Statuts justiziabel machen wollten und anderen Staaten, die sich vorläufig gegen dessen Aufnahme in das Statut ausgesprochen hatten.

Das Statut sieht eine komplementäre Jurisdiktion des Gerichtshofes vor, dh. dass diese erst dann zum Tragen kommt, wenn die primär zur Aburteilung dieser Verbrechen zuständigen Staaten entweder nicht willens oder nicht in der Lage sind, sie zu untersuchen bzw. zu verfolgen. In diesem Sinne erinnert die Präambel des Statuts daran, dass es die Pflicht eines jeden Staates ist, seine Gerichtsbarkeit über jene Personen auszuüben, die für internationale Verbrechen verantwortlich sind.

Hinsichtlich des Tatbestandes der Kriegsverbrechen ist es Staaten möglich, die Jurisdiktion des Gerichts­hofs für sieben Jahre auszuschließen, wenn der Verdacht auf eigene Staatsangehörige fällt oder das Verbrechen auf dem jeweils eigenen Territorium verübt wurde. Diese zeitlich begrenzte Ausschluss­möglichkeit steht jedoch für die Tatbestände des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlich­keit nicht zur Wahl. Für die beiden letztgenannten Verbrechen gilt unter den allgemeinen Zulässigkeits­voraussetzungen eine unmittelbar aus der Ratifikation des Statuts folgende Zuständigkeit des Internatio­nalen Strafgerichtshofs.


Vorbehaltlich späterer Änderungen besteht der Gerichtshof aus 18 Richtern. Die Organe des Gerichtshofs sind das aus dem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten bestehende Präsidium, eine aus dem Präsidenten und vier Richtern gebildete Berufungsabteilung, eine jeweils aus sechs Richtern bestehende Hauptver­fahrensabteilung und Vorverfahrensabteilung, die Anklagebehörde und die Kanzlei, der auch eine Abteilung für Opfer und Zeugen zugeordnet ist.

Die Tätigkeit des Gerichtshofs wird, soweit es sich nicht um gerichtliche Erkenntnisse handelt, von der Versammlung der Vertragsparteien überprüft, die auch Fragen der Zusammenarbeit der Staaten mit dem Gerichtshof beurteilt. Die Finanzierung des Gerichtshofs erfolgt durch die Beiträge der Vertragsparteien sowie vorbehaltlich eines Beschlusses der Generalversammlung durch Beiträge aus dem Budget der Vereinten Nationen.

Vorbehalte sind zum Statut nicht zulässig. Es tritt drei Monate nach Hinterlegung der sechzigsten Urkun­de, durch die ein Staat Partei des Statuts wird, beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft. Sieben Jahre nach Inkrafttreten lädt der Generalsekretär zu einer Überprüfungskonferenz ein.

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 21. Novem­ber 2000 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Theresia Stoisits, Mag. Walter Posch, Dr. Gerhard Kurzmann sowie die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Die authentischen Fassungen des Status in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spani­scher Sprache sollen gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages entbehrlich erscheint.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

        1.   Der Abschluss des Staatsvertrages: Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung der Republik Österreich (196 der Beilagen), dessen Bestimmungen des Art. 27 und des Art. 89 Abs. 1 und 3 verfassungsändernd sind, wird genehmigt.

        2.   Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG sind die authentischen Fassungen des Statuts in arabischer, chinesi­scher, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Wien, 2000 11 21

                             Wolfgang Großruck                                                              Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann