416 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 18. 12. 2000

Bericht

des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung


über den Antrag 274/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend freien Zugang zu allen Bildungsinstitutionen


Die Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen haben am 12. Oktober 2000 den gegen­ständlichen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Bundesministerin Gehrer hat in den letzten Tagen einen Entwurf zum ,Hochschultaxengesetz‘ und einen Entwurf ,Studienförderungsgesetz‘ erstellen lassen. Wie viele andere Vorlagen dieser Bundesregierung werden auch diese beiden Entwürfe bewusst geheim gehalten und keiner Begutachtung unterzogen. Dazu kommt, dass die Inhalte dieser Entwürfe in wesentlichen Punkten den öffentlich getätigten Aussagen von Bundesministerin Gehrer, Bundesminister Bartenstein und anderer Regierungsmitglieder widersprechen. Von einer sozialen ,Abfederung‘ der Studierenden kann keine Rede sein.

Der Entwurf des Hochschultaxengesetzes sieht vor, dass ab dem WS 2001/02 alle Studierenden an Universitäten mit österreichischer Staatsbürgerschaft sowie ausländische Studierende, die in den Geltungsbereich eines völkerrechtlichen Vertrags fallen, eine Gebühr von 5 000 S/Semester zu entrichten haben. Alle anderen ausländischen Studierenden haben einen Betrag von 10 000 S/Semester zu bezahlen.

–   Der von Bundesministerin Gehrer angekündigte ,neue Dialog‘ (PK vom 9. 10.) sieht in der Praxis so aus, dass im Schnellverfahren zu einem derart heiklen Bereich Entwürfe erarbeitet werden, die zudem keinem Begutachtungsverfahren unterzogen werden. Eine konstruktive Auseinandersetzung und eine breite Einbindung der Betroffenen und gesellschaftspolitisch relevanter Gruppen ist offenbar unerwünscht.

–   Eine Kostenkalkulation fehlt gänzlich, es wird lediglich davon ausgegangen, dass die Verwaltungs­kosten durch die Einnahmen wettgemacht werden. Offenbar ist man sich der erwarteten Einnahmen von 2 Milliarden Schilling nicht mehr sicher. Die näheren Bestimmungen zur Einhebung sind ebenfalls unklar, es wird auf eine entsprechende Verordnung verwiesen.

–   Auf Kosten der Studierenden sollen über Gebühren Anreize zur Einführung einer Kostenrechnung und Leistungskennzahlen im Universitätsbereich usw. erfolgen. Das Ministerium, das diese Steuerungs­aufgabe gegenüber den Universitäten offenbar nur unzureichend wahrgenommen hat, entledigt sich der Verantwortung zu Lasten der Studierenden.

–   Die Begleitmaßnahmen ,Ausweitung der Studienförderung‘ und Schaffung eines Darlehenssystems reichen bei weitem nicht aus, eine ,soziale Ausgewogenheit‘ herzustellen.

–   Die pauschalen Gebühren belasten berufstätige Studierende in erhöhtem Ausmaß (die Hälfte der Studierenden arbeitet bereits jetzt während des Semesters!), da diese zwar insgesamt dasselbe Lehrangebot wie Vollzeitstudierende absolvieren, auf Grund der längeren Studienzeiten allerdings deutlich mehr für das Studium bezahlen müssen. Dies ist auch dadurch bedingt, dass in weiten Bereichen ein ,berufstätigenfreundliches‘ Studienangebot fehlt.

–   Sozial keinesfalls ,verträglich‘ ist auch, dass außerordentliche HörerInnen für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen ebenfalls die volle Gebühr entrichten müssen. Betroffen sind nämlich davon all jene, die sich im Zuge des zweiten Bildungsweges auf die Studienberechtigungsprüfung vorbereiten und dabei einige Lehrveranstaltungen an der Universität besuchen. Weiters müssen ausländische Studierende, die nicht unter die Ausnahmebestimmungen fallen und als außerordentliche HörerInnen Deutschkurse besuchen, die volle Gebühr von 10 000 S/Semester bezahlen.

Der Entwurf des Studienförderungsgesetzes sieht im Wesentlichen folgende Maßnahmen vor:

Die Gruppe der derzeitigen zirka 30 00 BeihilfebezieherInnen soll die Studiengebühren ersetzt bekommen, weitere 10 000 Personen sollen ebenfalls eine ,Beihilfe‘ erhalten, die jedoch nur einen Teil der Gebühren abdeckt. Anstelle der bisherigen Trennung von Einkommen während des Semesters (3 977 S brutto/Monat) und den Ferien mit Auswirkungen beim aktuellen Bezug (Ruhen bei Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze) bzw. der Stipendienhöhe im Folgejahr (Einkommen darf inklusive Ferialfreibetrag von 50 000 S maximal 80 000 S bzw. 99 000 S betragen, sonst Beihilfenkürzung) soll eine Jahresdurchrechnung erfolgen. Die Einkommensgrenze wird nunmehr mit 80 000 S bzw. 99 000 S bei ausschließlich unselbständiger Arbeit festgelegt. Darüber hinaus sollen die Leistungsstipendien ausge­weitet werden, dh. Vergabe wieder pro Studienjahr und Erhöhung der Budgetmittel von 1% (derzeit 15 Millionen) auf 3% der Gesamtmittel. Bei den Studienabschlussstipendien ist eine Ausweitung von zwölf auf 18 Monate geplant.

–   Für die zirka 30 000 StipendienbezieherInnen ist damit de facto keine Verbesserung gegeben, da mit den höheren Stipendien nur die Gebühren abgedeckt werden. Zudem wird mit einer Ausweitung nur um 10% an ,echten‘ BeihilfenbezieherInnen gerechnet. Dies ist jene Gruppe, die bislang keinen Stipendienantrag gestellt hat, jedoch auf Grund der Einkommenssitutation eine Beihilfe erhalten hätte. Im Gegensatz zu den öffentlichen Erklärungen von Bundesministerin Gehrer wird in ihrem eigenen Entwurf nicht mit 10 000 zusätzlichen Stipendienbeziehern gerechnet, sondern lediglich mit 3 000!

–   Darüber hinaus wird mit 7 000 Studierenden gerechnet, die eine ,Beihilfe‘ zwischen 400 S! und 10 000 S jährlich erhalten. Diese 7 000 Studierenden werden kein Stipendium erhalten, sondern nur eine Teilrefundierung der Studiengebühren!

–   Die angekündigte Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Höhe der Studienbei­hilfe um 5 000 S ist im Entwurf nicht enthalten, da offensichtlich die Kosten dieser Maßnahme unterschätzt worden sind.

–   Zudem geht der Entwurf von einer automatischen Kostendämpfung (–32 Millionen Schilling 2001,
–96 Millionen Schilling 2003) durch steigende nominelle Elterneinkommen aus, dh. auf Grund der fehlenden Indexanpassung werden die Beihilfen sinken bzw. die ,Gebührenteilersätze‘ geringer sein oder ganz entfallen.

–   Es kann auch nicht von einer ,Sicherstellung‘ der Familienbeihilfe gesprochen werden, da – mit Ausnahme der ,echten‘ BeihilfenbezieherInnen bei den BezieherInnen von Familienbeihilfe (insgesamt zirka 75 000) auf Grund der Gebühren ein Minus von bis zu 10 000 S gegeben ist.

–   Für die große Gruppe der Studierenden, die keine Transferleistungen erhalten (bei geschätzten 140 000 bis 150 000 Studierenden rund 75 000 Personen) bedeuten Gebühren eine Mehrbelastung von 10 000 S/Studienjahr. Dieser Personenkreis beinhaltet keineswegs nur Kinder von gut verdienenden AkademikerInnen, sondern auch Studierende aus unteren und mittleren Einkommensschichten, die auf Grund des Alters, verspätetem Studienwechsel, Teilzeitjob usw. keinerlei Anspruch auf Transfer­leistungen haben.

–   Die Verbesserung bei den Studienabschlussstipendien für Berufstätige besteht nur auf dem Papier, da es dafür keinen Rechtsanspruch gibt und eine Aufstockung der Budgetmittel nicht angekündigt wurde. Auf Grund der strengen Bestimmungen konnten im Vorjahr nur rund 30 Personen dieses Stipendium in Anspruch nehmen.

–   Die ebenfalls mehrfach von Bundesministerin Gehrer und Bundesminister Bartenstein angekündigte besondere Berücksichtigung von Geschwistern ist im Entwurf nicht enthalten!

–   Da mit weit mehr Anträgen zu rechnen ist, sind im Bereich der Beihilfenbehörden beträchtliche Investitionen im Personal- und Sachaufwand erforderlich.“

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 12. Dezember 2000 in Verhandlung genommen.

Als Berichterstatter für den Ausschuss fungierte der Abgeordnete DDr. Erwin Niederwieser.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Sylvia Papházy, MBA und DDr. Erwin Niederwieser.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Aus­schussmehrheit.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2000 12 12

                            Dr. Gertrude Brinek                                                             Dr. Martin Graf

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann